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[InetBib] Entschleunigung?!
- Date: Mon, 14 May 2007 10:26:11 +0200 (CEST)
- From: Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Entschleunigung?!
Lieber Liste,
der letzte Freitag war kein guter Tag für den freien und ungehinderten Zugang
zu wissenschaftlichen Informationen.
Erst verabschiedet der Bundesrat eine Stellungnahme, in der angezweifelt wird,
ob wissenschaftliche Informationsversorgung überhaupt eine öffentliche Aufgabe
ist. Auch der Betrieb von Repositorien wird kritisch beäugt.
Dann urteilt das OLG München im Rechtsstreit gegen Subito, ein Versand von
Artikeln per eMail verstoße gegen das geltende Urheberrecht. Das Gericht hat
damit im wesentlichen die im Zweiten Korb zum Urheberrechtsgesetz drohende
Regelung des § 53a UrhG-E vorweggenommen.
Beide Ereignisse haben eine gemeinsame Botschaft: Die digitale Nutzung von
wissenschaftlicher Information soll von kommerziellen Akteuren veranstaltet und
gesteuert werden. Wie sollten Bibliotheken darauf reagieren? Bessere
Lobbyarbeit, Anzeigen schalten, Politiker belagern?
Radikal wäre es, die Dienstleistungen der Bibliotheken grundlegend zu
überdenken. Wenn also die Dokumentlieferung bloß noch auf dem Papierweg
erfolgen soll, und wenn der freie Markt der wissenschaftliche Information so
gut funktioniert, wie der Bundesrat meint, dann sollte man dem Markt eine
Chance geben, sich tatsächlich zu beweisen.
Wäre es nicht eine interessante Strategie, in den Bibliotheken bewußt auf
Entschleunigung in der Literaturversorgung zu setzen? Warum kündigen wir die
Abos der elektronischen Angebote nicht einfach auf und beschränken uns auf die
Papierversionen? Für die Fernleihe werden wir in Zukunft ohnehin in das
papierene Zeitalter zurückgeworfen werden.
Die Verlage können dann sehen, inwieweit ihre innovativen elektronischen
Produkte, in die sie soviel investieren, daß sie in den meisten Fällen noch
nicht einmal die Autoren vergüten können, marktgängig sind, wenn sie nicht
durch massiv steuerfinanzierte Vertriebsagenten, gemeint sind die Bibliotheken,
an den Wissenschaftler gebracht werden.
Und mit dem Bundesrat könnte man fragen, ob die Rolle der Bibliotheken als
Vertriebsagenturen für kommerzielle Verlage überhaupt eine öffentliche Aufgabe
ist. Da durch den Vertrieb über Bibliotheken den Verlagen bedeutende
Vermarktungsvorteile entstehen, wäre es mehr als billig, diesen Vorteil durch
entsprechende Gebührensätze für die Verlage angemessen darzustellen. In diesem
Zusammenhang möchte ich noch einmal § 28 Abs. 1 Satz 3 Landeshochschulgesetz
Baden-Württemberg zitieren: ?Das Informationszentrum kann seine
Dienstleistungen anderen Hochschulen gegen marktübliche Entgelte anbieten; bei
Dritten müssen (!!) entsprechende Entgelte erhoben werden?
Eric Steinhauer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.