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Re: [InetBib] Eichstaett - Diss. et al.



Hallo inetbib-"Gemeinde",

fällt Ihnen eigentlich auf, dass bei der ganzen Diskussion vorwiegend
Beiträge von Nicht-Praktikern (damit meine ich Leute, die in ihrem täglichen
Geschäft keine Entscheidungen über Kaufen, Behalten, Verschenken,
Verscherbeln oder Makulieren zu treffen haben) zu lesen sind?
Warum ist das so? 
Oder täusche ich mich bloß?

Viele Grüße,
Stefan Farrenkopf


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Eric Steinhauer
Gesendet: Montag, 19. Februar 2007 14:24
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Eichstaett - Diss. et al.

Liebe Liste,

Es ist völlig egal, wieviele Tonnen und Dissertationen es
sind - das
Management von Bibliotheksbeständen setzt eine
differenzierte
Auseinandersetzung damit voraus, was genau in welcher
Weise zu welchem
Zweck angeschafft, erhalten und abgestoßen werden sollte
und was nicht.

auch wenn das nicht unbedingt im gegenwärtigen mainstream liegt: ich halte
Aussonderung aus wissenschaftlichen Bibliotheken für prinzipiell
problematisch. 

Natürlich gibt es Literatur, die für die aktuelle wissenschaftliche
Diskussion nicht mehr relevant ist und daher lange Zeit als toter Ballast in
den Regalen steht. Mit gewissem zeitlichen Abstand aber wird dieser Ballast
plötzlich wieder interessant. Nicht seines wissenschaftlichen Wertes wegen,
sondern als Quelle. Dieser Punkt wird leider viel zu wenig gesehen. 

Ein gutes Beispiel ist die HIS-Studie von Bernd Vogel und Silke Cordes,
Bibliotheken an Universitäten und Fachhochschulen. Organisation und
Ressourcenplanung, Hannover: HIS GmbH 2005. Darin wird als Bestandstiefe für
eine Universitätsbibliothek ohne Archivierungsfunktion in
Kulturwissenschaften ein Zeitraum von 40 Jahren angegeben. Die Konsequenzen
sind abenteuerlich. So werden im nächsten Jahr etwa die 68'er makuliert. :))

Es wird niemand in Abrede stellen, daß viele literarische Produkte,
Hochschulschriften zumal, der 68'er-Zeit heute als wissenschaftliche
Literatur ohne Bedeutung sind. Aber für die langsam einsetzende 68'er
Forschung wird die alte Sekundärliteratur plötzlich zur Primärquelle. 

Und dann gibt es noch den Dornröschen-Effekt als sicheren Weg zur
Forschungsbibliothek: Man verschone einen Bestand nur lange genug von
Managementmethoden, Evaluation und Aussonderung und lasse ihn am besten
vollkommen in Ruhe. In 80 Jahren kann man dann ein fettes DFG-Projekt landen.
Interessante Vorstellung: Man versiegle eine x-beliebige FH-Bibliothek. 2100
wird dann ein hübsches Projekt: "Literaturversorgung an den Hochschulen zur
Jahrtausendwende" Furore machen. Selbst die Stempel in den abgegriffenen
Lehrbuchsammlungstiteln werden liebevoll gezählt, Anmerkungen akribisch
dokumentiert. Ich kann mir schon lebhaft entsprechende Kolloquien vorstellen:
"Lernen und Exzerprieren in der frühen Wissensgesellschaft" oder  "Lehrbücher
mit CD-ROM-Beilage als 'Inkunabeln' webbasierter Lernplattformen" usw. usw.
usw. 

.. nihil sub sole novum. Si de quadam re dicitur: " Ecce hoc novum est ", iam
enim praecessit in saeculis, quae fuerunt ante nos. Non est priorum memoria,
sed nec eorum quidem, qui postea futuri sunt, erit recordatio apud eos, qui
futuri sunt in novissimo. Eccl. 1, 10 sq. Naja, da seien die Bibliotheken
vor, oder?

Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de



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