[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[InetBib] Verlage mit Zukunft?
- Date: Tue, 28 Nov 2006 16:26:38 +0100 (CET)
- From: Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Verlage mit Zukunft?
Liebe Liste, lieber Herr Sprang,
"Verlage und Börsenverein sind allerdings der Meinung, dass der Markt das
jeweils angemessene Publikationssystem bestimmen soll. Entscheidet sich ein
Autor bewusst für eine Veröffentlichung auf traditionelle Weise, etwa in einer
bestimmten wissenschaftlichen Zeitschrift, dann ist es zu respektieren, dass
die Entscheidung darüber, ob und ggf. wann dieser Artikel kostenlos im Internet
angeboten wird, vom Verlag im Einvernehmen mit dem Urheber getroffen wird. Weil
der Verlag bei traditionellen Publikationen regelmäßig darauf verzichtet, dem
Autor die Kosten der Veröffentlichung seines Werks aufzuerlegen, ist er darauf
angewiesen, seine Investitionen von den Lesern bzw. Nutzern des Artikels über
Abonnementsgebühren und/oder Einnahmen aus online-Verwertungen (sowie ggf.
durch Anzeigenerlöse) zurückzuverdienen. Dies setzt voraus, dass er seinen
Nutzern das jeweilige Werk zumindest für einen gewissen Zeitraum exklusiv
vermitteln kann. Es ist kein Zeichen einer mangelnden Begeisterung für open
access und open archive, wenn Wissenschaftsverlage bei Publikationen, die nicht
oder nicht vollständig autorenfinanziert sind, während des zur Amortisierung
ihrer Investitionen erforderlichen Exklusivitätszeitraums nicht an einer
kostenlosen Zugänglichmachung ihrer Inhalte im Internet interessiert sind."
Nahezu alles kann ich ohne Bedenken unterschreiben.
Man sollte aber nicht vergessen, warum der Ton vielfach so gereizt ist. Es sind
m.E. drei Gründe:
- "vom Verlag im Einvernehmen mit dem Urheber getroffen" idealisiert die
Vertragsbeziehung. Wenn Verlage mit bestimmten Titeln eine monopolistische
Position haben, dann hat der Urheber als der Schwächere hier keinen wirklichen
Verhandlungsspielraum. Hier wird nicht auf Augenhöhe gesprochen. Um dem Urheber
wieder eine gleichrangige Position zu geben, soll der Gesetzgeber tätig werden.
Der Markt allein richtet es wohl nicht.
- "seine Investitionen ... zurückzuverdienen." Gegen Zurückverdienen hat
niemand etwas. Auch nicht gegen Gewinne. Wenn aber eine monopolistische
Position genutzt wird, um überhöhte Renditen zu erwirtschaften, fordert dies
Protest heraus.
- Der dritte Grund ist allgemeinerer Art: Es ist davon auszugehen, daß wir es
im Bereich der wissenschaftlichen Zeitschriftenverlage mit einem zuendegehenden
Kapitel der Mediengeschichte zu tun haben. Sie sind für die Distribution der
Artikel nicht mehr notwendig. Als Mehrwertdienstleister im Layout-Bereich, in
der Qualitätssicherung, etc. haben sie aber eine Perspektive. Die Verbindung
von Inhalt und Verpackung, die das bisherige Verlagsgeschäft gekennzeichnet
hat, geht gleichwohl immer weniger auf.
Meine Vision: Die Inhalte werden in Zukunft frei verfügbar sein. Allerdings
werden auf der Seite der Autoren professionelle Dienstleister agieren können
und wohl auch müssen, um professionelle Dokumente zu erzeugen. Gleiches gilt
für die Seite der Leser. Ein Druckdienstleister kann von bestimmten Dokumenten
leicht zu archivierende und ansprechend gestaltete Werkstücke produzieren. Das
zahlt dann der Leser. Die Wertschöpfung für die Verleger wäre dann an zwei
Stellen des Publikationsprozesses zu suchen. Bleibt die Frage, wo der Urheber
zu beteiligen ist? Denkbar wäre eine Beteiligung beim Verkauf der Werkstücke.
Sollte der Urheber keine weltweite Sichtbarkeit wünschen, ist es ihm
unbenommen, seine Dokumente nur gegen Bezahlung zur Verfügung zu stellen oder
sich auf den Vertrieb reiner Offline-Produkte zu beschränken.
Für den wissenschaftlichen Bereich bedeutet dies: Ich kann mir durchaus
vorstellen, als Hochschule, als Bibliothek oder als Autor mit einem externen
Publikationsdienstleister zu kooperieren, der natürlich gegen Entgelt
professionelle Dokumente erstellt und in den einschlägigen Repositorien mit den
notwendigen Metadaten hinterlegt. Das ist der "Zeitschriftenverlag" der
Zukunft.
Das sind natürlich nur ein paar Gedanken, die im Detail sicher noch vertieft
werden müssen. Von der grundsätzlichen Richtung aber bin ich sehr überzeugt.
Eric Steinhauer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.