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[InetBib] BLB-Handschriften - zum Meditieren



Liebe Liste,

2006 war zunächst für Baden-Württemberg und für die bibliothekarische Welt ein 
recht erfreuliches Jahr: in Marbach wurde das einzigartige Literaturmuseum der 
Moderne eröffnet. Bei dieser Gelegenheit hat der Bundespräsident eine sehr 
schöne Rede gehalten, die zu lesen und zu meditieren angesichts der aktuellen 
Entwicklungen um die Badischen Handschriften lohnt.
http://www.bundespraesident.de/Anlage/original_631178/Eroeffnung-des-Literaturmuseums-der-Moderne-in-Marbach.pdf

Hier einige Auszüge:
"Dieses Museum drückt in seiner Idee und in seiner Ausführung
Hochachtung, Respekt, ja Verehrung aus für das, was es zeigt. Mir
scheint, dass damit hier etwas Neues entstanden ist ? etwas, das vor
zehn oder fünfzehn Jahren in dieser Form und in dieser Präsentation in
Deutschland nicht entstanden wäre. Sein ganzer Gestus sagt: Das hier
bedeutet uns viel, es ist ein wertvoller Teil unseres Erbes, es gehört zu
unserer Identität. Das neue Museum legt nicht einfach Papiere und
Bücher vor unser Auge. Es hat vielmehr den Mut, uns die literarischen
Nachlässe, die Kostbarkeiten und auch die Seltsamkeiten aus dem
Marbacher Literaturarchiv wie einen Schatz zu präsentieren."

"Ich halte es für richtig, dass in einer Zeit, die oft von Banalisierung
und Oberflächlichkeit gekennzeichnet ist, ein klares Signal gesetzt
wird: Kultur ist kein Schnäppchen ? und kein Schnupperangebot."

"Zu unserer Kultur gehört auch das Gedächtnis. Nicht nur das Gedächtnis an die 
großen
Ereignisse, sondern auch das Gedächtnis an die Einzelnen, an die
fast schon Vergessenen ..."

Gilt alles das nicht für das "Literaturmuseum des Mittelalters", als das man 
die gesamte Sammlung der BLB bezeichnen kann?

Der baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger war bei der Einweihung 
in Marbach zugegen. In der Presse ist von ihm dies zu lesen:

Bei der Schlüsselübergabe sagte Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), ein 
Museum nur für die Literatur sei einmalig in Deutschland und ein «Leuchtturm in 
der Kulturlandschaft» Baden-Württembergs. «Marbach wird damit zum Mekka der 
Literatur und Literaturfreunde.»
Quelle: http://www.baden-wuerttemberg.de/de/Meldungen/112417.html

Ist das glaubwürdig: Leuchttürme beweihräuchern und, um beim Bild zu bleiben, 
hinterrücks die Deiche niederreißen?

Liest man die o.g. Aussagen setzt sie ins Verhältnis zum Niveau der aktuellen 
Diskussion (à la Feuilleton interessiert mich nicht, nur der Wirtschaftsteil 
ist relevant), kommt gelinde gesagt Frustration auf. Wie belastbar sind 
politische Aussagen? Darf es tatsächlich so sein, daß derartige Reden nur noch 
Dekoration sind? Über den konkreten Gegenstand der Handschriften hinaus steht 
im "Fall Karlsruhe" auch die politische Kultur zur Diskussion. Die anhaltende 
Argumentationsresistenz der Politik, ihre unglaubliche Ignoranz und der 
wachsende Verlust von Glaubwürdigkeit sind mir unheimlich. Sollte die Sammlung 
in Karlsruhe auf politischen Druck hin tatsächlich zerschlagen werden, wären 
mindestens auf mittlere Sicht ALLE kulturpolitischen Engagements des Landes 
kontaminiert. 

Eric Steinhauer





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