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Re: [InetBib] Mehr Open Access in DigiZeitschriften!
Lieber Herr Graf,
ich unterstelle den am Verein DigiZeitschriften beteiligten Bibliotheken
zunächst einmal die besten Absichten. Ich denke, die meisten Ihrer Forderungen
sind in der Tat moderat und nicht unangemessen, und es dürfte eher der
technische und organisatorische Aufwand sein, welcher der Umsetzung bspw. Ihrer
Forderung nach allgemein freier Zugänglichmachung gemeinfreier Beiträge
individueller Autoren bislang entgegensteht (das Versenden einzelner solcher
offensichtlich gemeinfreier Beiträge auf Anforderung eines Bestellers durch
lizenznehmende Bibliotheken halte ich wie Sie für unproblematisch). Wenn ein
praktikables Verfahren gefunden wären könnte, zumindest auf Anforderung hin
solche Beiträge allgemein open access zu machen, wäre das sicherlich
begrüßenswert.
Was die Lizenzverträge betrifft, so kann ich Ihnen versichern, dass wir solche
Verträge im Interesse unserer Benutzer keinesfalls ungeprüft in der Form
akzeptieren, in der sie uns vorgelegt werden; in vielen Fällen lassen wir sie
abändern, denn schließlich besteht Vertragsfreiheit. Die gleichen Checklisten,
die wir zur Prüfung der Lizenzverträge von Anbietern auch sonst verwenden,
würden wir selbstverständlich auch auf DigiZeitschriften anwenden. Von meinen
Kollegen in der Württembergischen Landesbibliothek weiss ich bspw., dass sie
gerade alle Verträge daraufhin überprüfen, ob sie registrierten
Bibliotheksbenutzern auch remote access gewähren können; wo die Gewährung eines
solchen externen Zugangs nicht unmittelbar kommerzielle Interessen tangiert (das
wäre z.B. der Fall bei Bibliotheken, die JURIS lizenziert haben), wird in vielen
Fällen versucht, entsprechend nachzuverhandeln. Bei DigiZeitschriften gehe ich
davon aus, dass sich der Verein gegen ein entsprechendes Ansinnen nicht sperren
würde. Der Abschluss der Nationallizenzen und die Frage des Zugangs zu
elektronischen Ressourcen für Privatnutzer hat diese Problematik vielen
Bibliotheken wieder stärker bewußt gemacht. Die bevorstehende flächendeckende
Einführung von SHIBBOLETH wird andererseits in vieler Hinsicht überhaupt erst
die technischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um den
Bibliotheken überhaupt eine nach Produkten und Benutzerkategorien differenzierte
Authentifizierung und Rechteverwaltung für die von ihr lizenzierten Ressourcen
zu ermöglichen. Ich bin optimistisch, dass in der Folge für sehr viel mehr
Produkte als bislang ein Fernzugriff auch für registrierte Bibliotheksbenutzer,
die Nicht-Uniangehörige sind, möglich sein wird (ggf. im Rahmen einer
gesonderten Lizenzvereinbarung) und nicht nur für Walk-in Nutzer. Spätestestens
mit der Einführung von Bibliotheksbenutzungsgebühren für Externe wird das auch
ein Faktor sein, der das Leistungsspektrum einer Bibliothek kennzeichnet.
Was Ihre Diskussion der Wirksamkeit von Beschränkungen der Nutzungsbestimmungen
für einzelne Artikel aus Zeitschriftendatenbanken nach §87e UrhG betrifft, so
gestehe ich, dass ich schon immer die gleichen Zweifel gehegt habe, ob diese
Argumentation denn wohl "wasserdicht" sei. Allerdings habe ich Müllers
Argumentation bzw. den Verweis auf die entsprechende EU-Datenbankrichtlinie vor
Jahren bereits mit Erfolg bei der Verhandlung der Lizenz für das GASCO Nature
Konsortium angebracht. Zu meiner Genugtuung wurde das vom Hausjuristen der
Nature Publishing Group (Macmillan) ohne weiteres akzeptiert und der Vertrag
entsprechend geändert (der Passus lautet jetzt "... make the Licensed Material,
or any element of it, available by any means to persons other than Authorised
Users, except for insubstantial portions which may be shared by scholars with
each other."). Harald Müller gibt in seinem Erläuterungen und
Formulierungshilfen zu einem "Mustervertrag für digitale Zeitschriften"
(http://w3.rz-berlin.mpg.de/infoprojekt/vertrag.html) den Rat, keine Verträge zu
unterzeichnen, die nicht die gesetzlich festgelegten Rechte zur Nutzung
urheberrechtlich geschützten Materials anerkennen, und zwar in vollem Umfang,
wie sie das deutsche Urheberrechtsgesetz gewährt und deutsche Gerichte auslegen.
Eine explizite Klarstellung, dass die Rechte nach §53 UrhG durch die
Nutzungsbedingungen nicht vertragsrechtlich abgedingt oder eingeschränkt sind,
wäre daher wünschenswert.
Aus der Checkliste fallen mir noch einige weitere Punkte ein, über die mit
Digizeitschriften vor einem Vertragsabschluß aus meiner Sicht ganz sicher
diskutiert werden müsste, z.B. die Sicherung des dauerhaften Zugriffs auf das
lizenzierte Material, einige Punkte aus Garantien, Pflichten und Haftung
(Ausgewogenheit der Klauseln, Haftung lässt sich in der Regel für beide Parteien
nur beschränken, nicht einfach ausschließen), Ansprüche bei Leistungsstörungen,
die Regelung der Nutzung im Leihverkehr (selbstverständlich muß die Verwendung
für die Fernleihe für alle lizenznehmenden Bibliotheken möglich sein, nicht nur
für Vereinsmitglieder). Ich gehe davon aus, dass andere Bibliotheken sich
entsprechend verhalten und Digizeitschriften e.V. ihren "Standard-Lizenzvertrag"
im Laufe der Zeit so anpassen wird, dass er den Bedürfnissen der Bibliotheken
und ihrer Nutzer optimal gerecht wird und der Aufwand für die Verhandlung
individueller Anpassungen minimiert wird.
Eine Nationallizenz für DigiZeitschriften würden sich sicher viele Bibliotheken
wünschen und es ist auch aus meiner persönlichen Sicht schwer verständlich (und
Wissenschaftlern schwer zu vermitteln), warum wir nun an so vielen Hochschulen
und Bibliotheken auf zahlreiche Elsevier-Zeitschriften ab der 1. Ausgabe Zugriff
haben, aber nicht auf viele wichtige deutsche Kernzeitschriften der Geistes- und
Sozialwissenschaften. Aber das Nationallizenzenprogramm wird ja weitergeführt
und man kann ja noch hoffen, dass DigiZeitschriften bald einbezogen werden kann
(ich nehme an, dazu müssen auch Verhandlungen mit den beteiligten Verlagen
geführt werden). Immerhin wurden bereits einige der in der Springer
Nationallizenz enthaltenen Titel aus Digizeitschriften (incl. Birkhäuser) in den
Open Access Bereich verschoben.
Mit freundlichen Grüßen,
B.-C. Kämper, UB Stuttgart
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.