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[InetBib] Dissertationen und Prüfungsarbeiten



Liebe Liste,

immer wieder wurde in dieser Liste über die Archivierung von Prüfungsarbeiten 
unterhalb der Promotion diskutiert.

In diesem Zusammenhang habe ich behauptet: 

Prüfungsarbeiten "stehen inhaltlich und von ihrem Umfang her
Dissertationen des frühen 20. Jahrhunderts nicht nach. Diese Arbeiten werden 
aber aufgehoben. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, daß zur damaligen Zeit 
die Dissertation die einzige Form der universitären Abschlußarbeit war.
Funktional ersetzt wurde sie erst Ende der 60'er Jahre durch Magisterarbeiten 
und in bestimmten Fächern auch durch die Diplomarbeiten."
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg27827.html [28. Juni 2005]

Also: Die Abschlußarbeit als verkannte Dissertation.

Es geht aber auch umgekehrt. 

In Drucksache 5459/02 "Empfehlungen zur Doktorandenausbildung" vom 15.11.2002 
des Wisseschaftsrates ist zu lesen (S. 59 f.):

In der Medizin findet sich eine spezifische Tradition der Titelvergabe. Neben 
wissenschaftlich
anspruchsvollen, auf umfangreicher Forschungstätigkeit beruhenden Dissertationen
gibt es einen quantitativ weit überwiegenden Teil an Dissertationen, die nach 
Umfang und wissenschaftlicher Qualität eher einer Studienabschlussarbeit 
gleichen. Der Wissenschaftsrat spricht sich dagegen aus, den Doktortitel 
aufgrund von
Dissertationen mit reduziertem Anspruchsniveau zu verleihen. 
...
Für eine Promotion auf dem Niveau einer Studienabschlussarbeit
vermag der Wissenschaftsrat keine Rechtfertigung zu erkennen. Sie
...
Der Wissenschaftsrat setzt sich dafür ein, dass auch in der Medizin der 
Doktorgrad
lediglich für solche Dissertationen verliehen wird, die einen substanziellen 
Beitrag
zum wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt leisten. Die wissenschaftliche 
Qualität,
die eine Dissertation erreichen sollte, wird in den Disziplinen gewiss nicht 
einheitlich
beurteilt. Doch sollte ihr Ergebnis wissenschaftliches Neuland beschreiben und 
in
einer anerkannten Zeitschrift publizierbar sein. "

http://www.wissenschaftsrat.de/texte/5459-02.pdf

Bedenkt man, daß ein großer Teil der online-Hochschulschriften medizinische 
Disserationen sind, so haben wir, vom Niveau her, die Abschlußarbeiten schon 
längst auf unseren Servern. :-)

Zudem relativiert die Aussage des Wissenschaftsrates den Erfolg der 
Hochschulschriftenserver. 
Es ist leider immer noch so, daß von der Tendenz her zweitklassige Texte dort 
eine Ablage finden. Texte eben, die "in einer anerkannten Zeitschrift" nicht " 
publizierbar" wären, um es mit den Worten des Wissenschaftsrates zu sagen.

Ich denke, daran wird sich solange nichts ändern, als es nicht mit dem Server 
vebundene Hochschulverlage gibt, die zu günstigen Preisen parallele 
Buchversionen anbieten. Das freut den Leser, der einen Text intensiv studieren 
möchte und auch den Autoren, der als Ergebnis jahrelanger Arbeit nicht bloß 
einen Link zu einem pdf "in der Hand halten" (das eben nicht!) möchte. Das 
derzeit noch vorherrschende Publikationsdesign von Hochschulschriftenservern 
ist zwar auf die Informationsversorgung hin optimiert, vernachlässigt aber die 
spezifischen Lesegewohnheiten vor allem der "Buch"disziplinen und auch die 
emotionalen (Prestige)Wert des gedruckten Buches. 

Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de




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