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[InetBib] OAI und Urheberrecht



Mit zunehmender Verbreitung des OAI-Protokolls, das dem
Datenaustausch dient zwischen OAI-Data Providers (DP), also
Repositorien, und OAI-Service Providers (SP), also
Suchmaschinen (Harvestern), die Metadaten aus Repositorien
regelmaessig einsammeln und - ggf. in angereicherter Form
oder in Auswahl - Dritten verfuegbar machen, stellt sich
die Frage nach der Rolle von "Open Access", genauer nach
dem Urheberrecht an den ausgetauschten Metadaten.

Da die Open Archives Initiative haeufig mit der Open Access
(OA) Bewegung verwechselt wird, weil in Repositorien
ueblicherweise kostenfrei nutzbare Dokumente eingestellt
werden und das OAI-Protokoll fuer die OA-Bewegung ein
zentrales Instrument darstellt, liegt es nahe, hier einen
OA-Mythos zu etablieren, den man wie folgt beschreiben
kann:

Jeder OAI-SP darf sich ohne zu fragen, nach dem
Http-Protokoll an der OAI-Schnittstelle eines DP bedienen,
sofern diese nicht besonders gesichert ist.

Niemand kann bestreiten, dass diese Regelung den groessten
Nutzen fuer die OA-Community stiften wuerde und in vollem
Einklang mit den Forderungen der Berliner OA-Erklaerung
stuende. OAI-Metadaten sind wichtige Informationen (fast
ausschliesslich) des oeffentlichen Sektors, die
grundsaetzlich frei sein sollten. 

Dieser Mythos ist aber Teil einer von den
wissenschaftlichen Bibliotheken forcierten OA-Heuchelei,
einer Strategie, die eine OA-Fassade etabliert, hinter der
fiskalische und Informationsherrschaftsinteressen verborgen
werden. Da die Bibliotheken mehr und mehr kommerzielle
Angebote machen, ist es rational, konkurrierende
kommerzielle Anbieter durch den Ausschluss kommerzieller
Nutzung von OA-Angeboten wegzubeissen. Einflussreiche
Propagatoren der Creative-Commons-Bewegung im
deutschsprachigen Bereich (Kuhlen u.a.) pflegen durch
forcierte Verwendung von CC-NC-Lizenzen gleichfalls die
OA-inkompatible Attitude des "Kommerz ist baeh".

Wichtige Beispiele fuer OA-Heuchelei sind etwa
DigiZeitschriften oder die Bildrechte-Tyrannei der
deutschen Bibliotheken.

OAI ist ein rein technisches Protokoll, das es dem
einzelnen Repositorium ueberlaesst, Zugang und vor allem
Nutzung der  Metadaten zu regeln:
"We expect that some repositories that adopt the protocol
will permit more or less unrestricted access to their
metadata, while others may use various methods to restrict
access (e.g., by IP address of origin)."
http://www.openarchives.org/documents/FAQ.html#What%20about%20intellectual%20property%20issues

Wenn ich
http://www.google.de/search?num=100&hl=de&q=%22metadata+policy%22+oai&btnG=Suche&meta=
richtig definiere, haben nur sehr wenige Respositorien eine
"Metadata Policy", die die Nutzungsbedingungen klar angibt.

Einige Beispiele fuer Policies von 2001:
http://www.ldc.upenn.edu/sb/oai/rights.html

Es ist inakzeptabel, dass diese Regeln nicht sofort ueber
einen Link im offiziellen Register
http://www.openarchives.org/Register/BrowseSites
abrufbar sind. Dort erfaehrt man nicht, was auf
http://edoc.hu-berlin.de/oai/HUBerlin.html
steht: "Metadata policy Noncommercial use only, metadata
harvesting permitted through OAI interface only."

Ist diese Ausgrenzung kommerzieller Nutzer durch
Bibliotheken rechtmaessig? Angesichts der Tatsache, dass
Bibliotheken an das oeffentliche Recht und die Grundrechte
gebunden sind und damit auch gemaess Art. 3 GG an den
Gleichbehandlungsgrundsatz habe ich erhebliche Zweifel.

Wie steht es um den Urheberrechtsschutz von Metadaten? 

Die einschlaegige Studie
http://eprints.rclis.org/archive/00001429/
betrifft allzu sehr das britische Recht und ist daher
weitgehend wertlos. Absurde Behauptungen, dass der einzelne
Metadatensatz urheberrechtlich geschuetzt sei (also auch
Autor, Titel, Jahr usw., nicht etwa Zusammenfassungen),
tragen nicht dazu bei, dieser Arbeit zu vertrauen.

Wann sind einzelne Metadaten urheberrechtlich geschuetzt?
  Bei normalen Katalogisaten ist eine Schoepfungshoehe i.
S. von § 2 UrhG mE nie gegeben. Dies betrifft normalerweise
auch die Vergabe von Schlagworten.

Wie hat man daher den folgenden ueber OAIster gefundenen
Metadaten-Satz zu beurteilen?
                      Title             Eines erbarn Rhats der Stadt
Rostock newe Gerichtsordnung
        Author/Creator          Anonym
        Publisher               Universitätsbibliothek Bielefeld
        Year            2005-06-28T09:27:59Z
        Resource Type           Books, Monographs
        Resource Format         text/html
        Language                ger
        Source          Anonym : Eines erbarn Rhats der Stadt Rostock newe
Gerichtsordnung . - Rostock 1586
        URL             
http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/anonyma/erbarn/rhats/
        Rights          Copyright der Metadaten: Universitätsbibliothek
Bielefeld
        Institution             Bielefelder Text Archiv Server, Universitat
Bielefeld

Es ist offenkundig, dass es sich dabei nicht um einen
urheberrechtlich geschuetzten Metadatensatz handelt. Indem
die UB Bielefeld den Eindruck erweckt, das Copyright (das
es bekanntlich im deutschen Recht nicht gibt) beziehe sich
auf den einzelnen Datensatz, liegt eine unzulaessige
Schutzrechtsberuehmung vor, siehe 
http://de.wikipedia.org/wiki/Schutzrechtsber%C3%BChmung
oder griffiger COPYFRAUD.

Bei Zusammenfassungen/Abstracts ist unbestritten, dass
diese Urheberrechtsschutz geniessen koennen. Um eine solche
Zusammenfassung Dritten im Internet zugaenglich machen zu
 duerfen, bedarf es urheberrechtlicher Nutzungsrechte
seitens des Erstellers der Zusammenfassung. Handelt es sich
dabei um den Autor - und dies duerfte bei Dissertationen
 die Regel sein - so ist es natuerlich eindeutig
rechtswidrig, die Zusammenfassung auch nichtgewerblichen
OAI-SP zur Verfuegung zu stellen, es sei denn, man hat dies
ausdruecklich vereinbart. Das zur Einstellung auf den
Dokumentenserver erforderliche einfache Nutzungsrecht
reicht nicht aus, beliebigen Dritten, die OAI-Harvester
betreiben, die Nutzung der Zusammenfassung zu gestatten.
Ueblicherweise bezeichnet  Copyright bei Institutionen die
Inhaberschaft ausschliesslicher Nutzungsrechte. Ein
Bielefelder Doktorand, der seine Dissertation mit Abstract
der UB Bielefeld fuer BIESON ueberlaesst, muss es unter
keinen Umstaenden dulden, dass sich die UB mittels des
Vermerks "Copyright der Metadaten: Universitätsbibliothek
Bielefeld" ein Schutzrecht anmasst, dass ihr vertraglich
nicht zusteht.

Bei groesseren OAI-Metadatensets liegt ein sich nicht auf
das einzelne Element, sondern auf die Datenbank als Ganzes
bezueglicher besonderer Leistungsschutz vor, das EU-weite
Datenbankschutzrecht sui generis § 87a ff. UrhG.
                 (In der Regel kann ausgeschlossen werden,
dass OAI-Metadatensets Datenbankwerke, also persoenliche
geistige Schoepfungen sind). Voraussetzung dieses Schutzes
ist eine wesentliche Investition, was man bei groesseren
Repositorien auf jeden Fall bejahen kann.

Sofern der einzelne Datensatz nicht geschuetzt ist, kann er
von OAI-SP ohne weiteres uebernommen werden, waehrend das
Harvesten des ganzen verfuegbaren Bestands an sich durchaus
einen Eingriff in das Recht des Datenbankherstellers, also
der Bibliothek darstellt, da die Datenbank ganz oder im
wesentlichen vollstaendig vervielfaeltigt wird.

Der OAI-SP bedarf also aus urheberrechtlichen Gruenden -
zumindest bei groesseren Repositorien und solchen, deren
Metadaten Werkcharakter haben (also v.a. Zusammenfassungen)
- zum Harvesting grundsaetzlich der Erlaubnis des
Repositoriums-Betreibers, es sei denn er findet eine
"Metadata Policy", die es ihm pauschal erlaubt. Verfuegt
der Betreiber nicht ueber die erforderlichen Rechte etwa an
den Zusammenfassungen, um Dritten die Uebernahme erlauben
zu duerfen, kann eine Haftung des Betreibers gegenueber dem
OAI-SP gegeben sein, wird dieser von einem Rechteinhaber in
Anspruch genommen.

Grundsaetzlich sollte es OAI-SP erlaubt sein, beliebige
Auswahlen aus Metadaten-Sets anzubieten und die einzelnen
Datensaetze zu bearbeiten, etwa mit weiteren Informationen
anzureichern, doch beduerfte dieser Punkt naeherer
Eroerterung. Hinsichtlich des Leistungsschutzrechts aus §
87a UrhG ist zumindest zweifelhaft, ob die
deutschsprachigen CC-Lizenzen (einschliesslich SA, also
Copyleft) darauf anwendbar sind.

Oder kurz und knapp: Schluss mit der OA-Heuchelei! Gebt die
Metadaten frei!

Klaus Graf
    



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