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Re: [InetBib] Zweiter Korb Urheberrecht
- Date: Mon, 30 Jan 2006 00:49:54 +0100
- From: "Walther Umstaetter" <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Zweiter Korb Urheberrecht
Sehr geehrter Kollege Kuhlen,
zunächst besten Dank dafür, dass Sie auf die Pressemitteilung vom 24.1.06
hier hingewiesen haben.
Dass den "Verlagen ohnehin irgendwann die Autoren aus"gehen,
bezweifle ich allerdings. Dass wir das wollen eigentlich auch.
So gut und wichtig der Open-Access-Ansatz ist, er wird aus meiner Sicht
früher oder später eine Napsterisierung erfahren.
Mir scheint eine Einflussnahme auf die momentane Fehlentwicklung des
Urheberrechts
auf längere Sicht nur über eine wissenschaftliche Begründung wirklich
sinnvoll zu sein.
Auch wenn ich mir darüber im klaren bin, dass dies im Moment keine Mehrheit
findet,
so ist es für mich völlig eindeutig, dass die herkömmliche Marktwirtschaft
Information und Wissen nicht mehr wie Waren aus der Agrar- und
Industriegesellschaft
behandeln kann. Das lässt die Informationstheorie nicht zu.
Versuche Information und Wissen mit allen Mitteln zu verknappen, nur damit
sie
in eine veraltete Wirtschaftstheorie passen, lassen sich auf Dauer nicht
realisieren.
Wir brauchen neben der bisherigen Betriebs- und Volkswirtschaft eine neue,
auf die Realität bezogene Theorie der "Nationalökonomie des Geistes" und
der "Wissens-Wirtschaft". Um so rascher und billiger es täglich möglich ist,
aus Information Redundanz zu machen, um so absurder werden Copyrights,
die essbare Äpfel mit der darin enthaltenen Information verwechseln.
Informationsmedien bestehen immer aus Information und ihrem
Informationsträger,
beide können immer leichter entkoppelt werden.
Wie sagte Prof. Saur vor einigen Jahren so richtig, Verleger sind keine
Papierhändler.
Dass Wissenschaft sehr teuer ist und bezahlt werden muss steht außer
Zweifel.
Ihre Ergebnisse aber über Absatzzahlen verkaufter Kopien zu vermarkten,
ist ein Pseudoleistungsprinzip, das man nur als absurd bezeichnen kann.
Das kann bei Amüsement, Unterhaltung oder Nonstop Nonsens greifen, aber
nicht bei Wissenschaft.
Gute Wissenschaft zeichnet sich weder durch Auflagenzahlen noch durch
Zitationsraten aus.
Wenn die Bildzeitung ihre Auflage steigert ist das auch kein Zeichen von
Qualität.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann das Verlagswesen sinnvolle
Leistungskriterien
anzustreben beabsichtigt. Tatsache ist doch auch, dass das Verlagswesen
immer weiter auseinander bricht,
in dem einige Verlage auf Kosten der vielen kleinen immer mächtiger werden.
Dass uns allerdings die Zeit davon läuft, und die volkswirtschaftlichen
Schäden
immer größer werden, muss man als dramatisch bezeichnen.
Ansonsten bin ich der Meinung, dass Politiker, Wirtschaftswissenschaftler
und Verleger
Bibliothekswissenschaft als "Nationalökonomie des Geistes" und als
"Wissens-Wirtschaft"
nach über 75 Jahren langsam etwas ernster nehmen sollten.
MfG
W. Umstätter
----- Original Message -----
From: "Rainer Kuhlen" <rk_iw@xxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Sunday, January 29, 2006 9:23 PM
Subject: Re: [InetBib] Zweiter Korb Urheberrecht
klar, Herr Graf, wie immer haben Sie weitgehend recht: unterzeichnen
hilft nur symbolisch. Alle Kanäle müssen benutzt werden.
Pressemitteilungen, derzeit recht erfolgreich, auch in der Resonanz.
Kontakte zu den Hochschulen, eine Aktion an alle Rektoren und Asten ist
in der Mache, Plaktate, Abgeordnete etc. - für Hinweise sind wir immer
dankbar; aber sicher müssen sich die Bibliothekare/innen selber aktiver
einschalten und dafür sich qualifizieren; auch auf dem BibTag wird dazu
Gelegenheit sein. Auch Frau Beger (wie auch ich und Sie) ist/sind nicht
von einem Tag zum andern Experti/en in Sachen UrhR geworden.
Im übrigen wird realistischerweise das BMJ kaum zu Veränderungen zu
bewegen sein. Immanent ist über das UrhR mittelfristig nicht viel zu
erreichen (obwohl international z.B. mit der Development Agenda bei det
WIPO sich einiges tut). Zumindest für Bildung und Wissenschaft ist das
jetzige UrhR eine durchweg obsolete Angelegenheit - schon alleine der
Begriff des geistigen Eigentums. Die Lösung, und das wissen Sie ja
besser als jeder andere, kann nur im Open-Access-Ansatz liegen - dann
gehen den Verlagen ohnehin irgendwann die Autoren aus.
RK
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.