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Re: [InetBib] Zustimmung des Betreuers bei E-Publikation der Magisterarbeit
- Date: Tue, 15 Nov 2005 10:41:30 +0100 (CET)
- From: Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Zustimmung des Betreuers bei E-Publikation der Magisterarbeit
Liebe Liste,
hier wird ein ziemlich abgründiges Faß aufgemacht. :-)
Beim Betrieb eines Hochschulschriftenservers handelt die Hochschulbibliothek,
soweit nichts anderes bestimmt ist, grundsätzlich öffentlich-rechtlich. Ihre
Tätigkeit ist als Leistungsverwaltung zu beurteilen. Wenn sie diese Leistung
anbietet, so ist sie ohne besondere gesetzliche Ermächtigung befugt, die
Modalitäten der Leistungsinanspruchnahme zu regeln. "Regeln" bedeutet im
Rechtsstaat, daß die Bibliothek nicht machen kann, was sie will. Bestimmte
Standards sind einzuhalten. Diese ergeben sich aus den allgemeinen Grundsätzen
des Verwaltungsrechts. Zu nennen sind: Willkürverbot, Gleichbehandlung,
Beachtung der Grundrechte. Die Entscheidung, ob eine Arbeit auf dem Server
publiziert wird, hat regelnden Charakter. In gleicher Weise ist die Ablehnung
eine regelnde Maßnahme. Es liegen danach Verwaltungsakte vor.
Welchen Anspruch hat nun der Student, der seine Arbeit auf den Server legen
will?
Er hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das bedeutet, er
ist so zu behandeln, wie jeder andere in seiner Situation. Im Falle Göttingens
hat die Bibliothek festgelegt, daß nur mit Zustimmung des Betreuers publiziert
werden darf. Wenn die Bibliothek hier jeden Studenten gleich behandelt, ist das
insoweit rechtmäßig.
Fraglich könnte aber sein, ob diese Beschränkung vielleicht in Grundrechte der
Studenten eingreift UND diese unverhältnismäßig beschränkt. Grundsätzlich gilt:
Wenn der Staat frei in der Entscheidung ist, eine Leistung überhaupt zu
erbingen, was bei Hochschulschriftenservern der Fall ist, dann ist er erst
recht frei, die Modalitäten der Leistungserbringung zu reglementieren. Er darf
dies in den Grenzen der Grundrechte tun.
Hier könnte man an die Wissenschaftsfreiheit denken, aber auch an die
Berufsfreiheit. Es würde den Rahmen sprengen, hier ein ausführliches Gutachten
zu erstatten. Bedenken sollte man aber folgendes. Der Ausschluß vom Server ist
kein Publikationsverbot. Es ist dem Studenten unbenommen, seine Arbeit
anderweitig zu publizieren. Damit ist die Eingriffsintensität recht gering.
Grund für den Ausschluß ist die Sicherung der wissenschaftlichen Qualität. Das
ist ein durchaus zulässiger Grund. Die Frage ist, ob er sich in Abwägung mit
den Rechten der Studenten behauptet. Ich denke: Ja. Es ist durchaus üblich in
der wissenschaftlichen Welt, daß "Genehmigungen" und "Empfehlungen" von
Hochschullehrern über die Frage, inwieweit eine Person Anteil am
Wissenschaftsbetrieb nimmt, erforderlich sind. Man denke etwa an
Habilitationsverfahren. Die Entscheidung der Hochschule und vor allem der
Hochschullehrer in diesem Fall sind durch die Verfassung in der
Wissenschaftsfreiheit garantiert. Dieser Bereich ist nach der
Wissenschaftsseite hin juristisch kaum zu fassen. Das ist eben
WissenschaftsFREIHEIT.
Allerdings, und hier gebe ich Herrn Graf recht, sollte man Vorkehrungen
treffen, einen Gegenstandpunkt des Studenten im Falle der Versagung
verfahrensmäßig zu behandeln. Denkbar wäre, daß der zuständige Fachbereichsrat
über einen Widerspruch gegen die Versagung der Zustimmung durch den Betreuer
entscheidet. Sinnvollerweise sollte man das alles in einer als Satzung zu
erlassenden Publikationsordnung regeln.
Fazit: Die Göttinger Regelung ist nicht willkürlich, sondern
wissenschaftsadäquat. Das Verfahren könnte aber zur "wissenschaftlichen" Seite
hin optimiert werden. Eine Rechtspflicht hierzu besteht nicht. Das regelt die
Wissenschaft autonom. Diese Freiheit gibt die Verfassung. Darüber hinaus ist
Willkürkontrolle im normalen Widerspruchsverfahren immer möglich und
ausreichend, wenngleich in der Praxis ein Obsiegen des Studenten gegen ein
Votum des Hochschullehrers nahezu ausgeschlossen ist. Das ist aber kein
Spezfikum der Hochschulschriftenserver, sondern ein allgemeines Problem. Hier
sei nur Prüfungsrecht als Stichwort genannt.
Zum Schluß noch eine praktische Betrachtung: Der Betrieb von
Hochschulschriftenservern ist eine noch recht junge Dienstleistung. Im Laufe
der Zeit wird sich dieser Bereich als "normaler" Serivce einer Bibliothek
etablieren und auch rechtlich konsolidieren. Es macht zum jetzigen Zeitpunkt
aber keinen Sinn, detailierte Regelungen auszuarbeiten. Hier werden auch die
zuständigen Gremien in der Hochschule überfordert sein, wenn die beteiligten
Wissenschaftler keine Erfahrung mit elektronischem Publizieren haben. Das wird
sich in fünf Jahren sicher ändern. Die Sache bleibt also spannend.
Ganz zum Schluß noch ein Gedanke: Das Einstellen einer Arbeit auf dem Server
ist vergleichbar mit dem Einarbeiten von Buchgeschenken. Im letzten Fall steht
der Bibliothek unbestritten ein Auswahlrecht zu, das ebenfalls nicht
willkürlich sein darf. Im Falle des Servers entscheidet hier nicht der mitunter
nicht sehr kompetende Fachreferent, sondern ein Fachwissenschaftler. Damit gilt
letztlich ein höherer Standard! Der Vergleich zeigt aber auch, daß die hier in
Raum stehende Frage gar nicht neu ist. Man hätte sich schon vor 50 Jahren über
die Frage unterhalten können, ob es eine Pflicht der Bibliothek gibt, ein von
einem Hochschullehrer verfaßtes Buch als Geschenk einzuarbeiten. Tja, gibt's
die? ;-)
Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.