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Re: [InetBib] Zustimmung des Betreuers bei E-Publikation der Magisterarbeit



Liebe Liste,
hier wird ein ziemlich abgründiges Faß aufgemacht. :-)

Beim Betrieb eines Hochschulschriftenservers handelt die Hochschulbibliothek, 
soweit nichts anderes bestimmt ist, grundsätzlich öffentlich-rechtlich. Ihre 
Tätigkeit ist als Leistungsverwaltung zu beurteilen. Wenn sie diese Leistung 
anbietet, so ist sie ohne besondere gesetzliche Ermächtigung befugt, die 
Modalitäten der Leistungsinanspruchnahme zu regeln. "Regeln" bedeutet im 
Rechtsstaat, daß die Bibliothek nicht machen kann, was sie will. Bestimmte 
Standards sind einzuhalten. Diese ergeben sich aus den allgemeinen Grundsätzen 
des Verwaltungsrechts. Zu nennen sind: Willkürverbot, Gleichbehandlung, 
Beachtung der Grundrechte. Die Entscheidung, ob eine Arbeit auf dem Server 
publiziert wird, hat regelnden Charakter. In gleicher Weise ist die Ablehnung 
eine regelnde Maßnahme. Es liegen danach Verwaltungsakte vor. 

Welchen Anspruch hat nun der Student, der seine Arbeit auf den Server legen 
will? 

Er hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das bedeutet, er 
ist so zu behandeln, wie jeder andere in seiner Situation. Im Falle Göttingens 
hat die Bibliothek festgelegt, daß nur mit Zustimmung des Betreuers publiziert 
werden darf. Wenn die Bibliothek hier jeden Studenten gleich behandelt, ist das 
insoweit rechtmäßig. 

Fraglich könnte aber sein, ob diese Beschränkung vielleicht in Grundrechte der 
Studenten eingreift UND diese unverhältnismäßig beschränkt. Grundsätzlich gilt: 
 Wenn der Staat frei in der Entscheidung ist, eine Leistung überhaupt zu 
erbingen, was bei Hochschulschriftenservern der Fall ist, dann ist er erst 
recht frei, die Modalitäten der Leistungserbringung zu reglementieren. Er darf 
dies in den Grenzen der Grundrechte tun. 

Hier könnte man an die Wissenschaftsfreiheit denken, aber auch an die 
Berufsfreiheit. Es würde den Rahmen sprengen, hier ein ausführliches Gutachten 
zu erstatten. Bedenken sollte man aber folgendes. Der Ausschluß vom Server ist 
kein Publikationsverbot. Es ist dem Studenten unbenommen, seine Arbeit 
anderweitig zu publizieren. Damit ist die Eingriffsintensität recht gering.

Grund für den Ausschluß ist die Sicherung der wissenschaftlichen Qualität. Das 
ist ein durchaus zulässiger Grund. Die Frage ist, ob er sich in Abwägung mit 
den Rechten der Studenten behauptet. Ich denke: Ja. Es ist durchaus üblich in 
der wissenschaftlichen Welt, daß "Genehmigungen" und "Empfehlungen" von 
Hochschullehrern über die Frage, inwieweit eine Person Anteil am 
Wissenschaftsbetrieb nimmt, erforderlich sind. Man denke etwa an 
Habilitationsverfahren. Die Entscheidung der Hochschule und vor allem der 
Hochschullehrer in diesem Fall sind durch die Verfassung in der 
Wissenschaftsfreiheit garantiert. Dieser Bereich ist nach der 
Wissenschaftsseite hin juristisch kaum zu fassen. Das ist eben 
WissenschaftsFREIHEIT.

Allerdings, und hier gebe ich Herrn Graf recht, sollte man Vorkehrungen 
treffen, einen Gegenstandpunkt des Studenten im Falle der Versagung 
verfahrensmäßig zu behandeln. Denkbar wäre, daß der zuständige Fachbereichsrat 
über einen Widerspruch gegen die Versagung der Zustimmung durch den Betreuer 
entscheidet. Sinnvollerweise sollte man das alles in einer als Satzung zu 
erlassenden Publikationsordnung regeln.

Fazit: Die Göttinger Regelung ist nicht willkürlich, sondern 
wissenschaftsadäquat. Das Verfahren könnte aber zur "wissenschaftlichen" Seite 
hin optimiert werden. Eine Rechtspflicht hierzu besteht nicht. Das regelt die 
Wissenschaft autonom. Diese Freiheit gibt die Verfassung. Darüber hinaus ist 
Willkürkontrolle im normalen Widerspruchsverfahren immer möglich und 
ausreichend, wenngleich in der Praxis ein Obsiegen des Studenten gegen ein 
Votum des Hochschullehrers nahezu ausgeschlossen ist. Das ist aber kein 
Spezfikum der Hochschulschriftenserver, sondern ein allgemeines Problem. Hier 
sei nur Prüfungsrecht als Stichwort genannt.

Zum Schluß noch eine praktische Betrachtung: Der Betrieb von 
Hochschulschriftenservern ist eine noch recht junge Dienstleistung. Im Laufe 
der Zeit wird sich dieser Bereich als "normaler" Serivce einer Bibliothek 
etablieren und auch rechtlich konsolidieren. Es macht zum jetzigen Zeitpunkt 
aber keinen Sinn, detailierte Regelungen auszuarbeiten. Hier werden auch die 
zuständigen Gremien in der Hochschule überfordert sein, wenn die beteiligten 
Wissenschaftler keine Erfahrung mit elektronischem Publizieren haben. Das wird 
sich in fünf Jahren sicher ändern. Die Sache bleibt also spannend.

Ganz zum Schluß noch ein Gedanke: Das Einstellen einer Arbeit auf dem Server 
ist vergleichbar mit dem Einarbeiten von Buchgeschenken. Im letzten Fall steht 
der Bibliothek unbestritten ein Auswahlrecht zu, das ebenfalls nicht 
willkürlich sein darf. Im Falle des Servers entscheidet hier nicht der mitunter 
nicht sehr kompetende Fachreferent, sondern ein Fachwissenschaftler. Damit gilt 
letztlich ein höherer Standard! Der Vergleich zeigt aber auch, daß die hier in 
Raum stehende Frage gar nicht neu ist. Man hätte sich schon vor 50 Jahren über 
die Frage unterhalten können, ob es eine Pflicht der Bibliothek gibt, ein von 
einem Hochschullehrer verfaßtes Buch als Geschenk einzuarbeiten. Tja, gibt's 
die? ;-)

Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de



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