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Re: [InetBib] Urheberrecht an digitalisierten Werken



Liebe Liste,

es zeigt sich wieder einmal, wie schwierig es ist, mit Nichtjuristen eine sehr spezielle juristische Fragestellung zu diskutieren. Herr Graf, der meines Wissens nach ausgebildeter Historiker und Archivar ist, wirft Fragen der aktuellen Rechtslage mit eher kulturpolitischen Wünschen durcheinander.

>Man darf gern sagen, die Frage ist strittig. Man darf aber
>auch sagen, dass die Herren Mueller und Steinhauer den
>durchsichtigen Versuch unternehmen, durch apodiktische
>Formulierungen den Bibliotheken Rechte an gemeinfreien
>Werken zu sichern, die ihnen nicht zukommen.

Ich vermag einfach nicht zu erkennen, was beim Lichtbildschutz gemäß § 72 UrhG rechtlich umstritten sein soll. Wie Herr Steinhauer ausführlich dargelegt hat, sind rein mechanische erzeugte Abbildungen nicht rechtlich geschützt. Da vertreten wir Bibliotheksjuristen die gleiche Auffassung wie Herr Graf, nämlich eine an der bisherigen Rechtsprechung orientierte Interpretation des Urheberrechtsgesetzes.

Andererseits GIBT § 72 UrhG einen Rechtsschutz, wenn eine gewisse persönliche Leistung (Leistungsschutzrecht !) zur Erzeugung der Reproduktion eingesetzt wird. Dies entspricht nun mal der Rechtslage in Deutschland. Was soll daran strittig sein?

Von dieser juristischen Ebene strikt zu trennen ist die von Herrn Graf heiß geliebte kulturpolitische Diskussion, ob nämlich Bibliotheken und Archive eigene Interessen an ihrem Bestand überhaupt haben dürfen und ob es ihnen deshalb zuzubilligen sei, die Möglichkeiten unserer Rechtsordnung zur Realisierung dieser Ziele einzusetzen. Wie hinreichend bekannt, verneint Herr Graf den Punkt mit aller Entschiedenheit. Ich finde, hier sollte eine breit angelegte Auseinandersetzung beginnen. Warum dürfen Bibliotheken und Archive keine eigenen Interessen haben? Die Anfrage der Kollegin Lübcke an Inetbib läßt doch erkennen, daß es bei der Frage der Digitalisierung von Beständen durchaus auch Interessen und Befürchtungen der besitzenden Institution gibt. Gleiches gilt vermutlich auch für Archive. Deshalb zeigen Herr Steinhauer und ich, welche rechtlichen Möglichkeiten es für Bibliotheken gibt. Das ist unsere Aufgabe als Bibliotheksjuristen.

Herrn Graf möchte ich nun bitten, den Leser/innen von Inetbib einmal ausführlich zu erklären, warum es seiner Meinung nach Bibliotheken und Archive "nicht zukommt" sich "Rechte an gemeinfreien Werken zu sichern".

Mit freundlichen Grüßen

--
Dr. Harald Müller

Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht / Bibliothek
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