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Re: [InetBib] Urheberrecht an digitalisierten Werken



On Wed, 28 Sep 2005 16:13:11 +0200 (CEST)
 Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx> wrote:
> Ach ja, es ist
> durchweg anerkannt, daß § 72 UrhG für Scannen und
> digitale Fotographie Anwendung finden kann.

Wer soll das anerkannt haben? Herr Steinhauers Ansicht, der
die digitale Fotografie (die bei dreidimensionalen Vorlagen
nie strittig war) und das Scannen zu Unrecht in einen Topf
wirft, ist nicht in einem einzigen Punkt besser begruendet
als die von Herrn Mueller.

Hoeren wir nur die Ansicht des vehementesten Vertreters des
Rechtsschutzes fuer Reproduktionsfotografien, RA Seiler
2004:

"Gegen die herrschende Meinung ist die Ansicht, dass
derjenige, der ein Gemäldefoto aus einem Katalog
vervielfältigt gegen das Urheberrecht des Gemäldefotografen
verstößt (Rn 86). Während ich mit dem OLG Düsseldorf (Fotos
von Beuys-Zeichnungen) der Meinung bin, dass man derartigen
Reproduktionsfotografien durchaus des Schutz als Lichtbild
nach § 72 UrhG zuerkennen kann, geht die überwiegende
Meinung davon aus, dass Reprofotos weder urheberrechtlich
geschützt sind, noch Lichtbildschutz genießen."
http://www.jurpc.de/aufsatz/20040251.htm

Die ueberwiegende Meinung!

Dass Scannen mit einem Flachblettscanner nicht unter § 72
UrhG faellt, konzediert Seiler auf www.fotorecht.de.

Thomas Dreier 1999: Die Digitalisierung allein begruende
keinen Schutz
http://www.ira.uka.de/~recht/deu/iir/dreier/publications/dreier_Urheberrecht_und_digitale_Werkverwertung.pdf

Fuer die Schweiz RA Kuenzle: "Fotografische Reproduktionen
von Dokumenten aus Bibliotheken tragen in der Regel keinen
Werkcharakter im Sinne des Urheberrechts und geniessen
damit auch nicht dessen Schutz."
http://www.agaltedrucke.zhbluzern.ch/recht.htm

Ein Fotograf formuliert: "Nach überwiegender Meinung der
Juristen auf der Mailing-Liste Urheberrecht (Uni
Saarbrücken) entsteht durch eine zweidimensionale Kopie
eines Werkes mittels Fotografie kein neues Werk, das
eigenen Schutz genießt."
http://groups.google.com/group/de.soc.recht.marken+urheber/browse_thread/thread/3588c1bef9be49fb/fbcc291af0306886#fbcc291af0306886

2005 war eine Anleitung der Deutschen Bibliothek der
Ansicht:
"Ebenso können originalgetreue Reproduktionen
zweidimensionaler gemeinfreier Vorlagen (z.B. historische
Kunstwerke, Gemälde) nach mehrheitlicher Auffassung ohne
weiteres verwertet werden."
http://deposit.ddb.de:8080/cocoon/xml-xsl/homepage/texte-neu/recht_abb.xml

Und zu guter letzt ein renommierter Bibliotheksjurist
Goedan 1994 im BD:
"Zwar unterfällt nach der früheren Rechtsprechung15) die
schrift- und bildgetreue Wiedergabe (Faksimile-Ausgabe)
einer Handschrift dem Schutzrecht von Lichtbildern im Sinne
des § 72 UrhG. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen: Ein
Mindestmaß an persönlicher Leistung ist unabdingbare
Voraussetzung für den Leistungsschutz16). Bei
originalgetreuen, mechanisch hergestellten Ablichtungen
einer Reproduktionsvorlage wie z. B. einer Fotokopie oder
einer "facsimile" erfolgenden Übertragung von Bild und Text
auf Filme fehlt der Spielraum für die individuelle
Gestaltung der Lichtbilder17). Sie sind daher lediglich
Vervielfältigungen im Sinne des § 16 UrhG, die kein eigenes
Leistungsschutzrecht des Kopierenden entstehen lassen."
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/handsch1.htm

Man darf gern sagen, die Frage ist strittig. Man darf aber
auch sagen, dass die Herren Mueller und Steinhauer den
durchsichtigen Versuch unternehmen, durch apodiktische
Formulierungen den Bibliotheken Rechte an gemeinfreien
Werken zu sichern, die ihnen nicht zukommen. Genau das
meint der US-Begriff COPYFRAUD.

Klaus Graf 



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