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Re: [InetBib] Diplomarbeit=Hochschulschrift?



Es wäre vermutlich sinnvoll zu unterscheiden zwischen einer Hochschulschrift
im bibliothekarischen Sinne,

zu denen nur publizierte und damit auch nachgewiesene Schriften (s. Pflug)
rechnen

und beispielsweise einer Hochschulschrift im archivalischen, juristischen
oder sonstigen Sinne.

Ob eine Diplomarbeit als publiziert bezeichnet werden kann, wenn sie in
einer einzigen Bibliothek dieser Welt,

dort zur Benutzung freigegeben ist, würde ich bezweifeln - im juristischen
Sinne verlegt ist sie sicher nicht.

Hier unterscheidet man ja auch noch die Graue Literatur von der im
Verlagswesen.

Wenn eine Diplomarbeit veröffentlicht wird, kann es interessant sein zu
wissen,

dass diese Arbeit aus einer bestimmten Hochschule stammt,

es ist aber damit nicht automatisch eine Hochschulschrift.



Bezüglich des Unterschieds von "Katalogregeln und Allgemeiner Bibliographie"
ist zu sehen:

"Ein Bibliothekskatalog ist ein nach bestimmten Gesichtspunkten geordnetes
und

bestimmte bibliothekarische Bestände möglichst vollständig verzeichnendes
System

von Informationen über publizierte Werke (Metainformationen). "Ordnungen"
können in vielfacher Form vorliegen,

z.B. implizit durch räumliche Anordnung von Objekten oder durch explizite
Zuschreibung von Merkmalen,

die in einer Datenbank abgefragt und geordnet ausgegeben werden können."

 (Einführung in die Katalogkunde. Umstätter/Wagner-Döbler))

Ein solcher Katalog kann, eben aus dem Besterben der Vollständigkeit, sich
den nachzuweisenden Diplomarbeiten

nicht einfach verschließen, auch wenn diese z.B. in einer Bibliographie
(Einführung in die Bibliographie. Nestler)

nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht als Publikationen allgemein
zugänglich sind.



Das eigentliche Problem liegt darin, dass Diplom- und Magisterarbeiten
nicht, wie Dissertationen,

einer Publikationspflicht unterliegen und es sehr umstritten ist, ob man das
will oder nicht.

In der Zwischenzeit können die Autorinnen und Autoren dieser
Prüfungsarbeiten, ohne jede Einflussnahme der Hochschule,

versuchen damit im Internet Geld zu verdienen, können ihr Wissen zu
Renommeezwecken nutzen, können es für sich behalten,

in einzelnen Aufsätzen verändert oder auch im Selbstverlag gedruckt
publizieren.



Die Frage wird sich aber rasch lösen, wenn sich herumspricht, dass man damit
Geld verdienen kann,

z.B. Diplomarbeiten zur Wiederverwendung in den geschlossenen Netzen des
deep net anzubieten.

In Schulen soll dieser Gedanke ja nicht ganz neu sein.



Und der Hinweis von Frau Dr. Trott, dass es Bereiche gibt, in denen der
Ausstoß an sehr ähnlichen Themen rasch wächst, muss alarmieren.



Daher mein Hinweis, wir sollten vermutlich nicht warten, bis es in
bestimmten Bereichen usus wird, Diplom- und Magisterarbeiten unter der Hand
zu verhökern.

Hunderte von Arbeitsstunden durch cut and paste zu ersetzen kann sehr
verführerisch sein.





MfG



W. Umstätter





----- Original Message -----
From: "Eric Steinhauer" <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Wednesday, September 07, 2005 9:20 AM
Subject: [InetBib] Diplomarbeit=Hochschulschrift?


> Liebe Liste,
>
> eine kleine Beobachtung aus dem Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Aufl.
Das Lemma "Diplomarbeit" fehlt. Im Lemma "Hochschulschriften (HSS)" von G.
Pflug, Bd. 3, S. 490 ist zu lesen: "Völlig fehlen in den HSS-Verz. die
bibliographischen Angaben von schriftlichen Examensarbeiten, die nur zu den
Prüfungsakten genommen werden wie Staats-, Diplom- oder Magisterarbeiten.
Diese Arbeiten sind daher nicht als HSS anzusehen."
>
> Pflug benennt damit den zutreffenden Sachverhalt, daß Arbeiten, die "nur"
zu den Akten genommen wernde, keine Veröffentlichungen sind. Der letzte Satz
freilich geht darüber hinaus. Auch wenn diese Arbeiten publiziert werden,
sind sie wohl keine Hochschulschriften und werden auch nicht in HSS-Verz.
nachgewiesen. So jedenfalls lese ich das.
>
> Das ist freilich falsch, zumindest mißverständlich! Zum einen finden sich
in den von Universitäten herausgegebenen HSS.-Vert. sehr wohl
Examensarbeiten. Zum anderen qualifizieren die RAK-WB publizierte (!)
Examensarbeiten ausdrücklich als HSS und schreiben sogar einen HSS-Vermerk
vor. Ich zitiere § 162 Nr. 6 RAK-WB: "Bei Hochschulschriften
(Dissertationen, Habilitationen, Diplom-, Magisterarbeiten und dgl.)."
> Zu einschränkend sind Haller/Popst, Katalogisierung nach den RAK-WB, 5.
Aufl., München [u.a.] 1996, S. 247: "Zu den Hochschulschriften gehören
Dissertationen, Habilitationsschriften, Diplom- und Magisterarbeiten. Es
handelt sich dabei um wissenschaftliche Abhandlungen, die zur Erlangung
eines akademischen Grades verfaßt werden." Der zweite Satz stimmt, weil der
erste unvollständig ist. Staatsarbeiten vermitteln keinen akademischen Grad,
gehören aber nach RAK-WB ausdrücklich zu den HSS. Die Definition bei
Haller/Popst ist an die Preußischen Instruktionen angelehnt, die auch auf
die Erlangung des akademischen Grades abstellen, vgl. Fuchs, Kommentar zu
den Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der Preußischen
Bibliotheken, 5. Aufl., Wiesbaden 1973, S. 123.
>
> Die enge Auffassung von Pflug im LGB(2), die Examensarbeiten ausschließt,
findet sich auch im bibliographischen Schrifttum, so bei Bartsch, Die
Bibliographie, München [u.a.] 1979, S. 109 f.
>
> Das ist allerdings nur insoweit richtig, als Examensarbeiten nicht
publiziert sind und wenn man sich darauf verständigt, nur publiziertes
Material in einer Bibliographie nachzuweisen. Sobald eine Examensarbeit aber
veröffentlicht wird, was schon durch eine mit Zustimmung des Kandidaten
erfolgte Einstellung in den Bibliotheksbestand gegeben ist, wird man sie
redlicherweise als Hochschulschrift behandlen müssen. Die RAK-WB sind hier
sehr pragmatisch: entsprechende Arbeiten müssen ja katalogisiert werden
können.
>
> Vollkommen richtig werden im hervorragenden "Reclams Sachlexikon des
Buches" in dem Lemma "Hochschulschrift" die Diplom-, Staats-, und
Magisterarbeiten ausdrücklich als HSS. bezeichnet. Ebenso Hiller, Wörterbuch
des Buches, Lemma Hochschulschrift: "Diplom- und Magisterarbeiten", wobei
die Staatsarbeiten leider fehlen. Wie so häufig, ist Reclams Sachlexikon
auch hier die erste Wahl!
>
> Fazit: Es gibt eine begriffliche Unklarheit zwischen Katalogregeln und
Allgemeiner Bibliographie über die Einordnung der Prüfungsarbeiten. Diese
Unklarheit setzt sich in den Schwierigkeiten fort, die Bibliotheken mit der
Verwaltung des entsprechenden Schrifttums haben. Aus Sicht der Katalogregeln
freilich ist die Antwort einfach: Examensarbeiten, die publiziert sind, sind
wie Dissertationen als Hochschulschriften zu behandeln. Damit wären wir
wieder am Anfang der Diskussion, ob und wie Examensarbeiten publiziert
werden sollen und können.
>
> Eric Steinhauer
> http://www.steinhauer-home.de
>
>
>
>



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.