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Re: [InetBib] Medienausleihe durch private Firmen



Liebe Frau Munz,

warum sollten diese Anbieter mit Bibliotheken zusammenarbeiten? Es
glaube nicht, dass Bibliotheken in diesem Zusammenhang gebraucht werden.

Die von Ihnen angesprochene Entwicklung halte ich für bedeutend. Einer
der ersten, der einen solchen Service anbot, war Reed Hastings mit
Netflix http://www.netflix.com/ . Anlass für ihn waren die hohe
Mahngebühren bei seinem Videoshop. Er hat sich darüber so geärgert, dass
er ein neues Geschäftsmodell erfand. Mehr darüber hier:
http://www.usatoday.com/tech/techinvestor/2004-03-01-reed-hastings_x.htm

Dieses Modell funktioniert wirtschaftlich vermutlich so, dass der
Service an bereits bestehende "Barsortimenter" angekoppelt wird und
deren Datenbanken mitgenutzt werden. Es wird also offenbar das genutzt,
was sowieso schon vorhanden ist. Im Effekt kann, und das ist für
Bibliotheken wichtig, nahezu das komplette Marktangebot dem einzelnen
Kunden offeriert werden - das sind bei Netflix über 50.000 Titel(!). So
etwas wie Bestandsaufbau ist dabei selbstverständlich überflüssig.
Kulturell ist das von enormer Bedeutung, da jeder zu günstigen Preisen
anspruchsvolle Filme, Experimentelles und dokumentarische Genres nutzen
kann, also alles, was nicht im Mittelpunkt der Bestseller-Promotion
steht und damit die Öffentlichkeit dominiert. 

Für gemeinnützige Einrichtungen wie Bibliotheken bleiben m.E. 2
Aufgabenfelder übrig:
1. Die Archivierung - also das zu bewahren, was nicht mehr lieferbar
ist.
2. Das Angebot aus anderen Ländern, also Erwerbung weltweit (d.h. "World
Cinema" wörtlich genommen) - solche neuen Dienste wie Netflix bieten aus
rechtlichen Gründen nämlich immer nur die Medien des einheimischen
Markts an.

Interessant zu beobachten wäre, ob sich solche Modelle auch auf dem
Buchmarkt durchsetzen. Mit den dünnen Scheiben der DVD-Videos waren sie
jedenfalls leicht zu realisieren, da man nur Briefumschläge zu
verschicken brauchte. Kombiniert werden können solche Modelle auch mit
Online-Diensten, was bei Texten z.Zt. noch einfacher zu realisieren ist
als bei Filmen. Modelle wie Netflix zeigen auch, das nicht nur virtuelle
Medien, sondern auch physische Medien online angeboten werden können,
ohne sie teuer erwerben zu müssen, und zwar in einer Vielfalt, wie das
bei virtuellen Medien möglich ist. 

Wie dem auch sei: Leute wie Reed Hastings bewirken, dass sich die Welt
der bürokratisierten Kultur(versorgungs)einrichtungen mit ihren
administrativen Strukturen (Mahngebühren etc.) ihrem Ende zuneigt, und
ich möchte hinzufügen: ... und das ist auch gut so. Bibliotheken müssen
sich in dieser Umgebung neu positionieren, also anspruchsvoller werden
(s.o. Stichwort "World Cinema", Archiv, Filmotheken zur komfortablen
Präsenznutzung etc.)

Herzliche Grüße
Peter Delin/Videolektorat

Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Videolektorat
Blücherplatz 1
10961 Berlin

Tel.: 030/90226-198
Fax.: 030/90226-290
email: delin@xxxxxx
http://www.zlb.de/index.html 

 

Frank Schwemlein schrieb:
> 
> Liebe Listenteilnehmer,
> 
> Amazon bietet ja seit einiger Zeit die Moeglichkeit gegen eine Abogebuehr
> DVDs auszuleihen.
> 
> Die Firma www.booksfree.com leiht Bücher via Internet und Post aus; neue
> gibt es erst, wenn die alten wieder zurückgegeben wurden. www.netflix.com
> macht das Ganze mit Videos. Diese Firmen sind jedoch nur im amerikanischen
> Raum aktiv.
> 
> Gibt es eigentlich (neben Amazon) weitere private Medienausleiher im
> europäischen bzw. deutschsprachigen Raum? Sind Ihnen Planungen diesbezüglich
> bekannt?
> 
> Wenn ja, gibt es hier bereits Kooperationen mit Bibliotheken oder sind dies
> nur "ungeliebte Konkurrenten"?
> 
> 
> Vielen Dank für Ihre Hilfe.
> 
> Susanne Munz
> 
>


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.