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Re: Internetarbeitsplätze in Bibliotheken (lange Ant wort)
- Date: Thu, 25 Aug 2005 20:21:40 +0200
- From: "Jonas Fansa" <jonas@xxxxxxxx>
- Subject: Re: Internetarbeitsplätze in Bibliotheken (lange Ant wort)
Lieber Herr Steinmetz, liebe Liste,
in der Tat sind das knifflige Fragen. Ich möchte einerseits direkt darauf
antworten und andererseits darauf hinweisen, dass es für die angesprochenen
Schwierigkeiten bei der Gratwanderung zwischen großzügigem Internetangebot
und großartigem Sicherheitsrisiko und nicht vertretbarem Wartungsaufwand
auch einige Lösungsmöglichkeiten gibt.
ad 1.
PDF-Dateien, die mit dem Acrobat-Reader geöffnet werden, sind neben den
Standard HTML-Seiten wohl eines DER Hauptformate für Text im Internet. Daher
ist es grundsätzlich nicht zweckmäßig, einen Internetarbeitsplatz
anzubieten, auf dem das Lesen von PDFs nicht möglich ist.
Mit DOC-Dateien ist es etwas anders, denn es ist glücklicherweise eher die
Ausnahme, dass Word-Dokumente als online-Quellen zur Verfügung stehen;
gleichwohl kommt es vor, und gerade im eMail-Verkehr dürften sie DAS
Attachement-Format schlechthin sein. Sie ahnen bereits, dass Ihre Frage Nr.
1 die Problematik etwas unscharf angreift, denn während die PDF-Files ein
übliches Format für die Bereitstellung von Bild- und Textmaterial im Netz
ist (frei zugänglich), sind die DOC-Files eher ein Arbeitsmedium vornehmlich
für reine Texte, die häufig als Attachements versendet werden (ist
jedenfalls bei uns im philologischen Betrieb die Regel). D.h. es ist
zunächst einmal eine grundsätzliche Unterscheidung nötig zwischen den
Anwendungen Netzrecherche einerseits und Textverarbeitung andererseits.
ad 2 & 3
Weil es diese unterschiedlichen Anwendungen gibt - und mit jeder dieser
Anwendungen sehr unterschiedliche Implikationen für Nutzungsrechte im
Allgemeinen, für die Sicherheit der Systeme, für ihre Betriebssysteme und
deren Profile und Softwarearchitektur entstehen, ist die Frage 2 nicht mit
einem simplen Ja oder Nein zu beantworten. Wir sind nun eine recht große
Fachbibliothek, die mehrere Institute bedienen wird, wenn sie am 14.
September neu eröffnet. Dennoch halte ich unser Modell in Abwandlung auch
für öffentliche Bibliotheken für gangbar: Wir betreiben mehrere Typen von
Software- und Hardwareausstattungen an den Arbeitsplätzen, die wir unseren
Nutzern zur Verfügung stellen.
- Es gibt pure Internetarbeitsplätze, in denen ein freies Navigieren
gestattet ist unter der Voraussetzung, dass man sich zunächst als
Bibliotheksbenutzer angemeldet hat. Je nach dem, wie Ihre
Benutzungsmodalitäten sind, ließe sich das ja entweder völlig öffnen
einerseits - oder aber durch den Benutzerausweis Ihres Hauses auch durch
eine Authentifizierung sichern (letzteres erfordert aber Know-how und einen
Server im Hintergrund). Auf solchen Systemen ist ein PDF-Reader installiert,
so dass frei verfügbare PDF-Files ohne weiteres gelesen werden können. Es
können auch Mail-Portale annavigiert werden, d.h. der Benutzer ist in der
Lage, seinen Webmail-Account zu checken und auch Attachements
herunterzuladen - das betrifft Attachements jeder Art. Sie können alles
runterladen, aber nicht alles öffnen. Word-Dateien etwa können nicht
betrachtet werden - und das mit gutem Grund. Solche Arbeitsstationen sollen
nicht zu dauerbesetzten Arbeitsplätzen werden. Auf solchen Geräten sind bei
uns ein Internet-Browser mit den nötigsten Plugins (Flash ohne Ton, JAVA)
und ein PDF-Reader aktivierbar. Hardwaregrundlage sind bei diesen
Arbeitsplätzen sogenannte Thin Clients (relativ dumme Terminals, die nur das
nötigste an Bord haben und mit einem herstellereigenen Linux laufen, geht
aber technisch praktisch auch mit jedem Standard-PC).
- Es gibt Internetarbeitsplätze, die wir mit der Hilfe des Rechenzentrums
unserer Universitätsbibliothek über einen sog. Positivlisten-Proxy laufen
lassen. D.h. dass ein Server bei der UB eine Liste derjenigen
Bibliotheksportale und -kataloge bereithält, die annavigiert werden dürfen,
z.B. unser eigener OPAC, dann KVK, KOBV, GBV, StabiKat usw. An solchen
Arbeitsplätzen können Sie NICHTS als Katalogrecherche machen. Diese Plätze
sind frei zugänglich und erfordern kein Passwort. Solche Applikationen
ersetzen beispielsweise den alten offline-Zettelkatalog langfristig und
haben gegenüber anderen Arbeitsplätzen den Vorteil, dass sie von den Nutzern
nicht länger besetzt werden als deren Katalogrecherche dauert, weil ohnehin
nichts anderes geht. Sie erinnern sich sicherlich an die in vielen
Bibliotheken auch sicherlich noch eingesetzten unverwüstlichen
uralt-ASCII-Terminals, die mit umständlichen Tastenfolgen das Recherchieren
des Bestands ermöglichen. Letztlich ist das nichts anderes, nur dass die
heutigen Geräte grafische Oberflächen und modernes look&feel in der
Bedienung bieten. Außer dem Browser (Mozilla) ist alle andere Software
deaktiviert - das gilt auch für den Acrobat Reader. Auch hier ist die
Hardwaregrundlage der o. g. Thin Client.
- Wir bieten zusätzlich zu diesen beiden Arbeitsplatztypen noch ein
Kontingent an Plätzen an, die mit kleinen Workstations ausgestattet sind.
Diese Geräte bieten im Wesentlichen alles, was auch ein normaler Desktop-PC
bietet. Freie Internetrecherche inklusive PDF-Reader, MS Word ist hier
installiert, die von Ihrem Arbeitsplatz-PCs gewohnten Funktionalitäten
finden Sie hier 1:1 wieder. Voraussetzung ist in unserem Hause jedoch, dass
die Bibliotheksbenutzer ein Nutzerkonto beim Hochschulrechenzentrum haben;
über dieses Konto nämlich können Sie sich an einer solchen Station einloggen
und frei über die Rechner verfügen. Die Software wird hier von einem
Softwareverteilungssystem des Rechenzentrums zur Verfügung gestellt. Sowas
lässt sich aber notfalls auch lokal und mit weniger technischem Aufwand
realisieren. Hardwaregrundlage ist in diesem Fall eine micro-Workstation,
also ein vollwertiger PC in besonders kleinem Bauformat.
ad 4.
Die Frage der Speicherung ist äußerst relevant im Zusammenhang mit der
Wartung der Maschinen. Grundsätzlich ist es bei den Rechnern möglich, jede
Datenform auf einem USB-Stick abzulegen. Es ist bei allen unseren Stationen
auch möglich, Dateien während der aktuellen Sitzung auch auf den Rechnern
selber abzulegen. Allerdings gehen die so abgelegten Daten beim Abmelden von
der Maschine verloren - und dafür ist der Systemadministrator dankbar! Mein
Tipp also: Ablegen von Daten auf den Arbeitsstationen: Ja. Ablegen von Daten
auf USB-Sticks: Ja. Aber die User-Verzeichnisse sollten beim Abmelden oder
Runterfahren am Abend automatisch gelöscht werden, damit kein Datenmüll
entsteht.
Sie sehen, die von Ihnen gestellten Fragen führen zu einer ganzen Reihe von
weiteren Fragen und die technischen Lösungen sind nicht immer ganz einfach
umzusetzen. Wir haben für unseren Neubau mit der Planung dieser
Arbeitsplatzarchitekturen bereits vor knapp zwei Jahren begonnen - und also
könnte ich hier noch viele Seiten zu diesem Thema schreiben. Aber angesichts
der Tatsache, dass die Dienstleistungsprofile, Anforderungen und
Infrastrukturen öffentlicher Bibliotheken anders aussehen als die von
wissenschaftlichen Bibliotheken und angesichts der Tatsache, dass Sie sich
vermutlich für andere Aspekte mehr interessieren als ich es in diesem Moment
erraten kann, belasse ich es erstmal dabei - und beantworte gerne weitere
Fragen. ;-)
Herzliche Grüße,
Jonas Fansa.
---
Jonas Fansa
Philologische Bibliothek
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