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"Zitierdogmaitk"



Lieber Herr Graf, liebe Liste,

da will ich mich gleich mal "outen": Ich gehöre zu den Leuten, die
LexMA-Zitate anhand der gedruckten Fassung überprüfen. Ja, ich bestelle mir,
wenn es sein muß, sogar eine unveränderte zweite Auflage, um ein Zitat zu
überprüfen. Das liegt wohl daran, daß ich wissenschaftlich bei den Juristen
sozialisiert worden bin, und die sind immer sehr pingelig. Ich habe da eben so
einen bibliographischen Ehrenkodex....

Aber Spaß beiseite. Ich vertrete im Grunde keine Zitierdogmatik. Zitate müssen
in einer wissenschaftlichen Publikation eigentlich nur zwei Kriterien
erfüllen: Sie müssen exakt bzw. eindeutig sein, und sie müssen einheitlich
sein. Der letzte Punkt ist von der Sache, dem Nachweis, her nicht nötig, aber
für den eiligen Leser sehr hilfreich. Alles andere ist Konvention und
Kontingenz. Die ist aber nicht zu verachten. Es ist sicher kein Makel, sich an
gängigen Mustern zu orientieren. Die sind, das mag altmodisch sein, immer noch
buchzentriert. Ich kann als Autor hier Avantgarde sein . Mit den Vorschlägen
von Herrn Graf habe ich daher keine Probleme. Andere sind da nicht so
fortschrittlich. Das dürfte vielleicht die Mehrzahl der Wissenschaftler sein,
jedenfalls in bestimmten Fächern.

Wenn es sich um einen Paralleltext handelt, dann sehe ich eigentlich keinen
Grund, zusätzlich Heterogenität zu erzeugen.  Daher poche ich, vielleicht
etwas altmodisch, auf bibliographische Identität von print und e-Text. Der von
Herrn Graf vorgeschlagene Weg der relativen Zitate ist ein guter Ausweg. Das
von ihm angeführte Beispiel der juristischen Kommentare ist da sehr treffend.
Für die Juristen sind solche Zitate sehr angenehm, da deren Bücher einen
häufigen Auflagenwechsel mit Umfangszuwachs erleben. Auch für die Autoren ist
das praktisch, wenn sie innerhalb eines großen Textes auf andere Abschnitte
verweisen und die Verweise bei neuen Auflagen stimmig bleiben sollen. Leider
sind auch diese relativen Zitate nicht immer konsistent. So kommt es nicht
selten vor, daß die Randnummern in einem Buch neu vergeben werden, daher kann
man auch bei Neuauflagen von Kommentaren die alten Randnummern nicht mit
100%iger Sicherheit übernehmen. Und wo ich bei Konsistenz bin. Ich finde es
günstig, einen Text als den primären zu definieren, damit im Zweifel der Bezug
auf einen konkreten Text möglich bleibt.

Ich will hier niemandem vorschreiben, wie er einen Text publizieren soll. Ich
will hier schon gar kein Regelwerk aufstellen. Allerdings möchte ich hier auf
Kriterien hinweisen, die man sich überlegen sollte, wenn man online
publiziert. Schließlich machen online-Texte durchaus Arbeit, und die sollte
gut angelegt sein. Wenn man sich an einem "Buchmuster" orientiert, dann treibt
man vielleicht nicht das Publikationswesen voran, man hat aber größere Chancen
auf Akzeptanz bei denjenigen, die ihre Ziterweisen an hergebrachten Mustern
orientieren. Für meine eigenen Texte vertrete ich daher einen konservativen
Standpunkt und richte parallele online-Texte ganz auf die Print-Version hin
aus. Das hat freilich einen schönen Vorteil: Der Leser spart sich den Weg in
die Bibliothek und die Kosten für die Fernleihe. :-)

Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.