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Re: Neuer § 38 I 3 UrhG? "Hansen-Vorschlag"
Eric Steinhauer schrieb:
Liebe Liste,
in der Zeitschrift GRUR Int. Heft 5/2005, S. 378-388 ist folgender Beitrag erschienen:
Gerd Hansen: Zugang zu wissenschaftlichen Informationen - alternative urheberrechtliche Ansätze.
Der Verfasser setzt sich intensiv und im Ergebnis ablehnend mit
Pflüger/Ertmann: "E-Publishing und Open Access - Konsequenzen für das Urheberrecht im Hochschulbereich"
ZUM Heft 6/2004, S. 436-443, die ein Publikationspflicht für Wissenschaftlern auf Hochschulservern votieren, auseinander.
Volltext: http://www.ub.uni-konstanz.de/v13/volltexte/2004/1337//pdf/Pflueger_2004.pdf
Hansen schlägt demgegenüber einen neuen § 38 Abs. 1 Satz 3 UrhG vor:
„An wissenschaftlichen Beiträgen, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind und in Periodika erscheinen, hat
der Urheber auch bei Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht, den
Beitrag nach Ablauf von sechs Monaten seit Erstveröffentlichung anderweitig öffentlich
zugänglich zu machen, soweit dies zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.“
Das ist eigentlich ganz schön. Allerdings verstehe ich nicht, warum Beiträge in Sammlungen ausgespart werden.
Ich bin mal gespannt, ob es Hansens Beitrag auch "Open Access" gibt ...
Ich habe zu Hansens Vorschlag hier bereits ablehnend Stellung genommen:
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg27508.html
Nach wie vor sehe ich nicht ein, wieso eine Abweichung von der klaren
Regelung in § 38 Abs. 1 UrhG noetig ist:
"(1) Gestattet der Urheber die Aufnahme des Werkes in eine periodisch
erscheinende Sammlung, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber im
Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und
Verbreitung. Jedoch darf der Urheber das Werk nach Ablauf eines Jahres
seit Erscheinen anderweit vervielfältigen und verbreiten, wenn nichts
anderes vereinbart ist."
Da die Internetnutzung der ausgesparten oeffentlichen Wiedergabe
unterfaellt, verbleibt dem Urheber das Recht der Online-Nutzung und zwar
ohne die Jahresfrist.
Abgesehen von den Beitraegen in Sammelbaenden, deren
Nichtberuecksichtigung Herr Steinhauer zurecht moniert, ist es auch
nicht einzusehen, wieso Industrie-Forscher, die ihre Beitraege "Open
Access" zugaenglich machen moechten, dies nicht duerfen sollen.
Der Ansatz von Pflüger/Ertmann begegnet keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken und hat den Vorteil, dass die Betreiber von Eprint-Archiven
aktiv werden koennen. Es liegt eindeutig an den Wissenschaftlern und den
Betreibern, dass "Open Access" kaum genutzt wird. Wiederholt wird darauf
hingewiesen, dass die Verleger durchaus nicht die boesen Buben sind, wie
man meinen koennte, wenn man diese jur. Beitraege liest.
Nochmals: Bereits jetzt koennen Wissenschaftler in den meisten Faellen
ihre Aufsaetze rechtlich problemlos (aufgrund der Haltung der Verlage
UND aufgrund von § 38 UrhG) Eprintarchiven zur Verfuegung stellen.
Alternative Strategien:
1. Bei Drittmittelprojekten (DFG) Open Access in den Auflagen verankern!
2. Bei angestellten Wissenschaftlern die Anbietungspflicht der im Rahmen
der Dienstpflichten erstellten Publikationen (§ 43 UrhG: "in Erfüllung
seiner Verpflichtungen aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis") der
Klarheit halber auch arbeitsvertraglich verankern!
3. Bei Hochschullehrern im Hochschulgesetz (nicht im UrhG!) Pflichten
hinsichtlich der Publikationen und der Forschungsunterlagen statuieren,
"soweit nicht berechtigte Interessen des Hochschullehrers dies
unzumutbar erscheinen lassen". Es geht hier auch um die Frage der
Gelehrtennachlässe und des Eigentumserwerbs. Das BGH-Skandalurteil zu
Grabungsunterlagen muss de lege ferenda aus der Welt!
4. In den Benutzungsordnungen der Hochschulserver die Moeglichkeit
vorsehen, dass der HochschulSCHRIFTENserver auch solche Publikationen
uebernehmen kann, die auf persoenlichen Wissenschaftler-Homepages auf
dem Hochschulserver gelagert sind.
Von solchen Bezuegen hat RA Hansen offenbar keine Ahnung. Der Wert
seines Beitrags ist daher sehr gering.
Dr. Klaus Graf
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.