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AW: Börsenverein gegen Bibliotheken



Sehr geehrter Herr Dr. Müller,

Das scheint mir aber doch über das Ziel hinausgeschossen und nur dazu angetan,
die Fronten zu verhärten!
1. müssten wir- wie ja auch schon von den Kollegen angefragt - wissen - was
der Börsenverein den Bibliotheken vorwirft!
Geht es wieder ums Urheberrecht? Gerade heute sah ich im Börsenblatt (47-2004)
ein Gespräch mit Wulf D. v. Lucius zu den geplanten Neuregelungen, der leider
auch wieder den wachsenden Graben zwischen Börsenverein und Bibliotheken
wiederspiegelt! Es heisst da u. a.:
"Ein wichtiges Thema f. den Börsenverein ist der Dok.versand auf Bestellung.
Sind Sie mit den Regelungen zufrieden?
V. Lucius: Zur Hälfte ja: Der Entwurf verbietet zu Recht den Online-Versand
von Dokumenten, die ein Verwerter selbst online anbietet. Sehr
bedauerlicherweise fehlt die - meines Erachtens zwingend notwendige - analoge
Regelung für den Kopienversnad ursprünglich gedruckter Dokumente.
...   ...

Die Bibliotheken schließen sich nun den Verbrauchern an und treten vehement
für das Recht auf elektronische Privatkopien ein ...
V. Lucius: Das ist genau das Problem. Die Verfielfältigung im elektronischen
Bereich darf einfach nicht stattfinden, weil sie jegliche Verkaufschancen des
Originalwerks mindert, ganz unabhängig davon, ob das Original in
elektronischer Form vorliegt oder erst nachträglich digitalisiert wurde. Die
Frage, wie weit das Recht auf Privatkopie reicht, ist ein zentraler Punkt bei
der Neuregelung des Urheberrechts. Verschlüsselungs- und Digital Rights
Management-Systeme dürfen nicht unter Hinweis auf das Recht auf Privatkopie
einfach ausgehebelt werden.
...   ...
Die Gefahr ist da (weitere Änderungen im UrhG), zumal es auch für die
öffentliche Hand als Unterhaltsträger der Hochschulen und
Bildungseinrichtungen ungeheuer verführerisch ist, Regelungen zum Nachteil der
Urheber und Verwerter zu treffen, mit denen sich eine Menge Geld sparen
lässt."
...   ...

Wieso wird hier von PRIVATKOPIEN gesprochen? Allerdings bringt uns die
Unterscheidung von Kopien für den "wissenschaftlichen/bildenden" Gebrauch
(Bibliotheksprivileg) vielleicht wieder in eine andere "Kampfzone" ... Aber
dem Börsenverein muss doch beizubringen sein, dass es hier auch um einen
"Bildungsauftrag" geht (bei der Fernleihe, dem wissenschaftliche Arbeiten, dem
Lehren, lernen etc. ...)

Bringt uns eigentlich die "Göttinger Erklärung" weiter? Vielleicht habe ich da
wieder mal was verpasst ?

Mit freundlichen und vorweihnachtlichen Grüßen,

Luise von Löw
München




-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: owner-inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:owner-inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Harald Müller
Gesendet: Freitag, 17. Dezember 2004 14:27
An: INETBIB@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Börsenverein gegen Bibliotheken



Liebe Kolleginnen und Kollege!

In den letzten Tagen haben einige öffentliche Bibliotheken von der
Rechtsabteilung des Börsenvereins Post bekommen. Ich will mich hier nicht
ausführlich zu den juristischen Fragen äußern, sondern nur kurz anmerken, daß
die Behauptungen des Börsenvereins absolut unhaltbar sind. Sie widersprechen
dem geltenden Recht. Die Rechtskommission des DBV hilft den betroffenen
Bibliotheken bereits.

Diese erneute Attacke des Börsenvereins sollte für uns alle aber Anlaß sein,
über die Funktion der Bibliotheken bei der Literaturförderung nachzudenken.
Bibliotheken erbringen zahlreiche Dienstleistungen und Maßnahmen, wie
literarische Veranstaltungen, Dichterlesungen, Listen mit
Literaturempfehlungen, Leseförderung mit Kindern, die sich nachweislich
positiv auf den Verkauf von Literatur auswirken. Ich bin der Meinung, daß
Bibliotheken solche Aktionen, die sich eindeutig umsatzsteigernd für
Buchhandel und Verlage auswirken, nicht mehr länger kostenlos anbieten dürfen.
Wie die fortwährenden Aktionen des Börsenvereins gegen deutsche Bibliotheken
eindrucksvoll unter Beweis stellen, wird die Literaturszene nur noch von
ökonomisch orientiertem Denken beherrscht. Da können und dürfen Bibliotheken
sich mit ihrer zentralen Funktion als Vermittler von Literatur nicht abseits
stellen. Ich halte folgende Tarife für angemessen: Für eine Dichterlesung
sollte eine Bibliothek 3000,- Euro verlangen, für die Vorstellung eines Buches
auf einer literarischen Veranstaltung 1000,- Euro und für die Aufnahme eines
Titels in eine Empfehlungsliste 100,- Euro. Die öffentlichen Bibliotheken
sollten sich auf bundeseinheitliche Tarife einigen. Sonstige Maßnahmen zur
Literurförderung sollten entsprechend ihrem verkaufsfördernden Wert für die
Verlage angemessen tarifiert werden. Die durch diese Aktionen eingehenden
Gelder verwenden die Bibliotheken zum Ankauf von neuer Literatur.

Der aktuelle Vorstoß des Börsenvereins ist höchstwahrscheinlich nicht intern
abgestimmt, vor allem nicht mit dem Ausschuß für den Sortimentsbuchhandel.
Ziel der juristischen Attacke ist es nämlich, den Erwerbungsetat, d.h. die
Kaufkraft der Bibliotheken zu schmälern. Der örtliche Buchhandel wird
sicherlich nicht darüber erfreut sein, wenn die von ihm belieferte öffentliche
Bibliothek im Monat z.B. 1000,- Euro weniger ausgibt. Ich gehe davon aus, daß
die Rechtsabteilung des Börsenvereins die Buchhändler vor ihrer Aktion
überhaupt nicht befragt hat. Deshalb sollten die betroffenen Bibliotheken
umgehend ihre örtlichen Buchhändler über diesen Vorgang informieren.

Bibliotheken müssen auf die fortwährenden Attacken des Börsenvereins mit den
gleichen Mitteln reagieren. Bibliotheken müssen noch viel stärker
marktwirtschaftlich agieren!

Mit vorweihnachtlichen Grüßen

Dr. Harald Müller

PS: Ich habe nichts dagegen, wenn jemand diese Mail auch in ForumÖB postet.


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.