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Re: Internet-Seiten indexieren
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
>Das manuelle Erschließen von Web-Seiten anhand bibliothekarischer
>Regeln ist allerdings ein - ich muss es auch als Bibliothekar so
>drastisch ausdrücken - nutzloses Unterfangen. Insbesondere wenn dies
>nur auf lokaler oder nationaler Ebene geschieht.
Die kritischen Nachfragen von Herrn Wolf kann ich durchaus nachvollziehen:
Der (schon seit den 1990er-Jahren nicht unbekannte) bibliothekarische
Anspruch, "das Internet katalogisieren zu wollen", hat in der Vergangenheit
fraglos manche obskure Bluete getrieben. Deshalb einige Erlaeuterungen zu
den gerade laufenden Projekten der regionalen Pflichtexemplarbibliotheken
(die sich m.E. durch einen recht realistischen und pragmatischen Ansatz
auszeichnen).
Zunaechst zum Verstaendnis des Hintergrunds: Regelmaessig erleben wir es
beispielsweise, dass Zeitschriften, die wir als Pflichtexemplare seit
Jahren gesammelt, erschlossen und archiviert haben, nicht mehr gedruckt
erscheinen, sondern nur noch als PDF ins Netz gestellt werden. Um unserer
Verpflichtung als Pflichtexemplarbibliothek gerecht zu werden, koennen wir
aber in einem solchen Fall nicht einfach abbrechen (denn die Zeitschrift
existiert ja noch, sie hat nur das Medium gewechselt) - wir meinen
vielmehr, dass wir auch die neuen, nur noch online vorliegenden Hefte
erschliessen und unseren Benutzern zur Verfuegung stellen muessen (in
Baden-Wuerttemberg vertreten wir sogar die Ansicht, dass beides ueber den
OPAC zu finden sein sollte). Ein einfacher Link auf die Ressource waere
dabei nicht befriedigend, denn es gilt ja die Grundregel, dass wir
Pflichtexemplare auf Dauer aufbewahren sollen. Deshalb werden in beiden
genannten Projekten die eingesammelten Objekte auf eigenen Servern
gespiegelt und sollen auch langzeitarchiviert werden (wobei natuerlich noch
laengst nicht alle Probleme geloest sind). Hier sieht man auch einen
deutlichen Unterschied zu http://dmoz.de/ u.ae. (deren Wert keineswegs
geschmaelert werden soll): Dort wird nur verlinkt und nicht archiviert.
Vor aehnlichen Schwierigkeiten stehen immer oefter die Sonderabteilungen,
Fachreferate und auch die bibliographischen Stellen: Die gedruckten
Museumsfuehrer zu Baden-Wuerttemberg sind in der Landesbibliographie
verzeichnet, jedoch nicht das Online-Aequivalent www.netmuseum.de? Das kann
auf Dauer doch wohl nicht befriedigen. Nicht mehr ignorieren kann man auch
zahlreiche inhaltlich sehr ergiebige thematische Websites (wieder ein
Beispiel aus Baden-Wuerttemberg: http://www.literaturland-bw.de) sowie
Websites wichtiger Institutionen der jeweiligen Pflichtexemplarregionen. Da
von vorneherein klar ist, dass wir nur selektiv sammeln koennen, muessen
dafuer natuerlich sinnvolle Auswahlkriterien entwickelt werden (im
Novemberheft des Bibliotheksdienstes erscheint ein Beitrag zu diesem
Thema). Grundsaetzlich aber scheint uns klar, dass - trotz aller
Schwierigkeiten, die damit verbunden sind - auch Netzpublikationen ins
Sammelspektrum von Bibliotheken gehoeren (die regionalen
Pflichtexemplargesetze sollen deshalb auch entsprechend erweitert werden).
U.E. hat also das Sammeln, Erschliessen und Dauerarchivieren ausgewaehlter
Netzpublikationen, wie wir es in den Projekten BOA und edoweb praktizieren,
durchaus seine Berechtigung. Noch keineswegs abschliessend geklaert ist
dabei die Frage, wieviel Aufwand man in die Erschliessung stecken soll: Im
BOA-Projekt erhalten die Netzpublikationen eine vollwertige Formal- und
Sacherschliessung, bei edoweb setzt man auf eine "abgespeckte" manuelle
Erschliessung und die Bregenzer Kollegen, die ebenfalls an der Sache
arbeiten, setzen auf eine weitgehend automatische Indexierung. Dass in
verschiedenen Regionen unterschiedliche Ansaetze ausprobiert werden, hat
m.E. durchaus sein Gutes - man kann die Ergebnisse im Praxistest
vergleichen und sehen, was sich bewaehrt. Vielleicht kommt man am Ende
sogar zu einer Mischloesung: Ein Kernbereich von besonders qualitaetvollen
Netzpublikationen wird intellektuell erschlossen, randstaendigere
Materialien hingegen automatisch indexiert.
Darueber hinaus ist es natuerlich keineswegs so, dass jeder alleine vor
sich "hinwurstelt". Zum einen stehen die regionalen
Pflichtexemplarbibliotheken bei diesen Thema in regem Austausch
miteinander, zum anderen gibt es auch enge Kontakte zwischen den
Regionalbibliotheken und Der Deutschen Bibliothek. Das gemeinsame Ziel
dabei ist, in sinnvoller Kooperation ein Netzwerk fuer das Sammeln,
Erschliessen und Langzeitarchivieren von Netzpublikationen aufzubauen.
Technische und organisatorische Vorgaben für einen wechselseitigen
Austausch von Metadaten und Archivobjekten sind bereits erarbeitet und
werden in Kuerze in einem Probebetrieb getestet.
Gerne greife ich aber noch Herrn Wolfs Hinweis auf www.archive.org auf (das
ich selbst auch schon haeufig gewinnbringend genutzt habe): Es waere sicher
sinnvoll, das deutsche WWW in Form eines umfassenden, ueber
Suchmaschinentechnologie zugaenglichen Web-Archivs zu dokumentieren. Das
waere dann aber eher eine Ergaenzung als ein Ersatz fuer das gezielte
Sammeln einzelner Netzpublikationen, wie ich es oben beschrieben habe.
Mit freundlichen Gruessen
und der obligatoruschen Entschuldigung fuer die lange Mail
Heidrun Wiesenmueller
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Heidrun Wiesenmueller M.A.
Wuerttembergische Landesbibliothek
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