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Re: OT: Homonyme
Liebe Liste,
Kollege Wolber war schneller, aber mit etwas anderer
Schwerpunktsetzung möchte ich doch zur Diskussion
beitragen.
>Wenn ich es richtig verstanden habe verwenden Sie Herr
>Wolber Homonym und Polysem antonym,
>während nach meiner Auffassung Polysemie ein Unterbegriff
>der Homonymie ist, also der Spezialfall, in dem
>etymologisch eine gemeinsame inhaltliche Wurzel zu finden
>ist.
Das ist eine lexikographisch nicht mögliche
Betrachtungsweise. Homonymie und Polysemie sind zwar nicht
antonym, aber die Verwendung der beiden Begriffe auf den
gleichen Fall ist insofern ausgeschlossen, als Homonyme
natürlich polysem sein können, aber immer nur in Bezug auf
den eigenen Wörterbucheintrag, wenn jedem der Homonyme
verschiedene Bedeutungen zugewiesen werden können. Wenn Sie
aber Homonymie annehmen, haben Sie zwei Lemmata im
Wörterbuch und wenn sich die in beiden Wörterbucheinträgen
jeweils genannte Bedeutung unterscheidet, ist das keine
Polysemie, denn diese ist immer nur auf ein Lemma bezogen.
Sonst landete man bei der nicht sehr analytischen Aussage,
die ganze Sprache sei polysem.
>Auch Polyseme haben den gleichen Namen, sind somit
homonym.
Es gibt allerdings Theorien, die davon ausgehen, Wörter
seien nie polysem, sondern jede neue Bedeutung begründe
auch ein neues Lemma (und die Sprache enthalte damit eine
Unmenge an Homonymen). Es ist fraglich, ob eine solche
Sicht der Dinge lexikographisch sehr sinnvoll ist, zumal
die Anzahl der Bedeutungen, die letztlich "Polysemie"
begründen, bis zu einem gewissen Grad willkürlich sind.
>Es ist oft auch nicht einfach zu entscheiden, ob es sich
um
>Polysemie handelt.
Das ist allerdings richtig. Die Grenze zwischen Polysemie
und Homonymie ist nicht immer eindeutig zu ziehen. Deshalb
kann die Frage nach einer Liste der Homonyme auch kaum
abschließend beantwortet werden. Das Aussehen der Liste
hängt von ihrem Zweck (und der zugrundeliegenden
Homonymentheorie) ab. Aus lexikographischer Sicht ist es
aber nicht sinnvoll, die Grenze zwischen Übertragungen uind
Bedeutungsdifferenzierungen und etymologisch echten
Homonymen völlig zu verwischen. Aber für andere Zwecke,
kann es durchaus sinnvoll sein, Fälle zu sammeln, wie sie
auf der hier schon geposteten Teekesselchenliste zu finden
sind. Es muß ja nicht alles nach dem Gusto von
Lexikographen gehen. Aber der Vorschlag von Herrn Wolber,
einschlägige Wörterbücher, die auch elektronisch vorliegen
und eine solche Recherche erlauben, als Grundlage zu
nehmen, könnte ein sinnvolles Verfahren sein.
Ältere Homonymenwörterbücher (aus dem 19. Jahrhundert) und
etwas neuere Forschungsliteratur findet man leicht im KVK
unter "homonym* deutsch*". In der neuesten
Forschungsarbeit
Signifikantgleiche Zeichen : Untersuchungen zu den
Problembereichen Polysemie, Homonymie und Vagheit auf der
Basis eines kommunikativen Zeichenbegriffs am Beispiel
deutscher Substantive, Adjektive und Verben / Sigurd
Wichter. - Tübingen : Narr, [1988]
sollte man auch Hinweise auf entsprechende Wörterbücher
bzw. -listen finden.
>Ich denke hier beispielsweise an das Wort "Stift".
>Ansonsten spielt die Frage der Homonymie bei jeder Frei-
>oder Volltextrecherche (z.B. Google) eine gewichtige
Rolle,
>weil wir Homonyme und auch Homographen (meist) mit einer
>UND-Verknüpfung oder einer Wortgruppe so einschränken
>müssen, dass wir das wahrscheinlich richtige Ergebnis
>erhalten.
>Das ist die eigentliche Kunst des Retrievals.
Tatsächlich sind hier nur die Homographen interessant (die
natürlich auch Homonyme sein können), denn Google weiß nur,
was eine Zeichenkette ist und kennt strenggenommen die
Kategorie "Wort" nicht. Rechercheprobleme werden hier
übrigens oft durch Personennamen verursacht.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Mühlenhort
Albert-Ludwigs-Universitaet Freiburg
Deutsches Seminar I; Belfortstrasse 14
D-79085 Freiburg
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.