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Nochmals zur R-Reform



Die Aktion "Bibliothekare zur R-Reform" ist ja inzwischen abgeschlossen.
Bei der FAZ wurde der Brief verwertet, bei der Nds. Staatskanzlei ist er
angekommen und harrt seiner Verwertung.

Allen denen, die ausdruecklich oder stillschweigend zugestimmt haben, hier
noch
eine vielleicht noch unvollständige, kommentierte Liste der Argumente, mit
denen
noch immer hier und da für die Reform plädiert wird.

Damit soll's denn für's erste gut sein, denn jeder hat offenbar seine Meinung
und
wird sich nun nicht mehr bewegen.

MfG
B.E.

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Argumente, zusammengestellt nach Lektüre vieler einschlägiger Publikationen.

"Man muß doch endlich zu einer Versachlichung kommen!"
Genau das wurde immer wieder den Reformern abverlangt und nicht eingelöst.
Die
Kritiker legten Fakten vor, die Kommission nahm sie nicht zur Kenntnis oder
nahm
dazu nicht Stellung, ging auf Fragen nicht ein oder behauptete ohne Beweise
das
Gegenteil. Wo war da Sachlichkeit? Empirische Erkenntnisse, die den Erfolg
der
Reform stützen und die Verbindlichkeit rechtfertigen könnten, fehlen.

"Warum kommen erst jetzt auf einmal die Kritiker aus dem Sommerloch?"
Das falscheste und unpassendste aller Argumente. Wer es äußert, kann die
Sache
nicht verfolgt haben.
Kritik wurde von Anfang an geübt, auch konstruktive, und nicht nur Kritik:
Die
Sache ging bis vor das Bundesverfassungsgericht! Dieses hielt das Verfahren
für
rechtens, war aber (zusammen mit den Kultusministern! Urteil vom 14.7.98) der
Meinung, die endgültige Einführung solle nur bei angemessener Akzeptanz
erfolgen.
Haben wir die? Genau dazu sagen jetzt die Befürworter rein gar nichts.

"Aber wir haben viel wichtigere Probleme!"
Sicher, also warum dann nicht eines aus der Welt schaffen, das gar nicht
hätte
sein müssen, und einen Schaden begrenzen, der absehbar immer weiter wachsen
wird?
"Das ist jetzt nicht mehr möglich!" ist ein Killerargument, es stimmt einfach
nicht. (S. den Beitrag von H.H. Munske am 17.7. im Feulleton der FAZ. Auch
Verleger Klett ist der Meinung, ein Rückbau sei möglich.)

"Dass oder daß - wen schert's?"
Das ist ein oberflächliches und sachfremdes Augen-zu-und-durch-Argument, das
sich
nicht auf das Grundproblem einlassen will: die Reform ist miserabel gemacht
und
wurde in unakzeptabler Weise durchgepaukt, deshalb haben wir die geringe
Akzeptanz und in der Folge die galoppierende Gleichgültigkeit und
Beliebigkeit.
Dies haben auch die Reformer natürlich nicht gewollt, warum schweigen sie
dazu?
Nirgends als bei diesem Thema würde ein solches Vorgehen durchkommen, warum
also
hier? Eine Mehrheit, wie man jetzt weiß, akzeptiert es ja eben nicht.

"Das Problem der Suche läßt sich doch technisch lösen, Google hat ja auch
schon
eine Rechtschreibkontrolle!"
Google hat keine Rechtschreibkontrolle, sondern etwas ganz anderes: Geprüft
wird,
ob das gesuchte Wort selten oder gar nicht vorkommt, dann wird eine
Alternative
vorgeschlagen. Tippt man "Brennnessel" ein, wird auf "Brennessel"
hingewiesen,
denn ersteres kommt sehr viel seltener vor. Umgekehrt wäre es wichtiger, aber
da
gibt's keinen Hinweis, z.B. von "bibliographie" zu "bibliografie". Die Sache
greift auch nur bei wirklich hochfrequenten Wörtern, z.B. schon nicht bei
"nationalbibliografie".

"Das Gute an der Reform ist aber, daß es jetzt mehr Freiheit gibt."
   1. Das gehört eher zu den größten Nachteilen: man muß MEHR wissen als
vorher,
um die Freiheit zu nutzen. Das Ergebnis sind sonst ganz neue Fehler, indem
Freiheiten herausgenommen werden, wo keine vorgesehen sind.
   2. Zu den ursprünglichen Zielen der Reform gehört dies nicht, es scheint
sich
vielmehr um eine nachträglich erfundene Ausrede zu handeln, die der Reform
eine
positive Aura verleihen soll - denn wer hätte was gegen Freiheit?
   3. Zeitungen und andere müssen interne Festlegungen treffen, weil sie sich
kein
inkonsistentes Erscheinungsbild leisten können. Es werden also weitere
"Hausregeln" entstehen, einige gibt es ja schon. Ist das ein Vorteil?
   4. Kulturgeschichtlich ist es eine Innovation! Warum hat noch
keine andere Schriftsprache solche Freiheiten? Das Englische hat sie nicht:
die
britische und die amerikanische Variante sind in sich jeweils konsistent und
gegenseitig nicht tolerant - es sind im Grunde zwei Schriftsprachen.

"Wer soll denn noch eine neue Variante ausarbeiten, und wie lange soll
 das dauern?"
Die billigste, schnellste und effektivste Lösung ist die völlige Aufgabe der
Reform. Es brauchen dann keine neuen Wörterbücher gedruckt zu werden, denn
die
vorhandenen haben ALLE die bewährte Schreibung als gemeinsamen Nenner, denn
die
steht ja noch mit drin, sie sind also dann alle weiter benutzbar. Jede neue
Variante macht sie wieder ALLE ungültig. Viele noch nicht veraltete
Schulbücher
können wieder aktiviert werden. Aber besonders der langfristige Schaden wird
auf
diese Weise am besten begrenzt. Anschließend muß beobachtet werden, ob sich
bestimmte Änderungen von selber etablieren, diese sind dann im Konsens zu
sanktionieren, wie es früher der "Duden" gemacht hat und wie es viele
Jahrzehnte
akzeptiert wurde.

"Man kann eine nochmalige Änderung den Kindern nicht zumuten!"
Zuerst fand man aber nichts dabei, der gesamten Schriftgemeinschaft an aller
Demokratie vorbei eine Reform zu diktieren. Ist es redlich, jetzt die Kinder
als
Geiseln zu nehmen, um die gescheiterte, von breiter Mehrheit abgelehnte
Reform
doch noch zu retten? Kinder lernen schneller als alle anderen. Die
Kultusminister
sollten sich aber bei ihnen entschuldigen und ihnen was spendieren.

"Aber verbindlich ist die Reform doch nur für Schulen und Behörden!"
Ist es aber fair gegenüber den Schülern, ihnen eine Schreibung beizubringen,
die
im realen Leben weithin gar nicht verwendet wird? Eine
Zweiklassen-Orthographie
kann niemand wollen und sie kann nicht funktionieren. Haben die Reformer am
Anfang
nicht vorgehabt, möglichst bald eine neue Einheitlichkeit zu erreichen? Das
ist
nicht gelungen, und die geringe Akzeptanz läßt nicht auf einen späteren
Erfolg
hoffen, sie läßt nur weitere Verwilderung befürchten. Denn jetzt hat's jeder
schriftlich, daß er sich nicht drum kümmern muß, wenn er kein Schüler und
kein
Behördenbediensteter ist.

"Die Schüler lernen doch damit problemlos!"
Gibt es objektive Studien, die das belegen? In den niedrigen Klassen ist
zudem
nur ein geringer Teil des Wortschatzes betroffen. Als tragendes Argument für
die
Reform wäre dies ohnehin, auch wenn es stimmte, vollkommen unzureichend!

"Rückkehr zur alten Orthographie würde die Verwirrung nur vergrößern"
Das glatte Gegenteil ist der Fall. Die große Mehrheit würde sich wieder
besser
auskennen und sicherer fühlen, 90% der Bücher (oder mehr) wären auf einmal
wieder
gültig - jetzt sind sie ungültig und stiften Verwirrung. Das völlige
Einstellen
der Reform verursacht insgesamt, sofort und auf Dauer, die geringste
Verwirrung.

"Dieses Thema ist hier OFF-Topic"
Überall da, wo mit Geschriebenem umgegangen und Textdaten verarbeitet werden,
ist
es und bleibt es relevant.



Bernhard Eversberg
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