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RE: Warum reden wir über die Rechschreibreform?



Sehr geehrter Herr Steinhauer,

nach Ihrem Beitrag gibt es wirklich nichts wesentliches mehr zu
ergänzen! Besser kann man die aktuelle Situation wie die Prognose für
die Zukunft nicht auf den Punkt bringen.

Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus

> -----Original Message-----
> From: Eric Steinhauer [mailto:eric.steinhauer@xxxxxxxxx]
> Sent: Monday, June 07, 2004 11:02 AM
> To: Internet in Bibliotheken
> Subject: Warum reden wir über die Rechschreibreform?
>
> Liebe Liste,
>
> jenseits des rein Bibliothekarischen scheint mir ein ganz schlichter
Grund
> für die nicht abreißende Diskussion über die Rechtschreibreform der
Umstand zu
> sein, daß im bibliothekarischen Berufsstand überdurchschnittlich viele
> Menschen mit großer Sensibilität für Sprache und Gedrucktes arbeiten
und von
> daher
> durch die Reform emotional besonders betroffen sind. Solche Menschen,
die
> ihre Persönlichkeit in und durch geschriebene Sprache ausdrücken,
dürfen sich
> mit Recht durch eine einfach von oben verordnete Reform beeinträchtigt
fühlen.
>
>
> Es hat überhaupt nichts mit Konservatismus oder Rückständigkeit zu
tun, wenn
> zwanghaften Aktionen, wie die demokratisch kaum legitimierte Reform
eine
> ist, Mißtrauen entgegengebracht wird. Es geht hier um ein politisches
Prinzip.
> Die Planungsmentalität der sechziger und siebziger Jahre, die alles
vom grünen
> Tisch aus zentral regeln wollte, entspricht nicht mehr dem heutigen
> Empfinden. Sprache und Schreibe werden als etwas Natürliches
wahrgenommen,
> daß zwar
> der Regelung bedarf, aber in Zukunft wohl besser durch schlichte
Beobachtung
> von Gewohnheiten maßgeblicher Kreise (Literatur, etc.)
weiterentwickelt werden
> sollte, nicht aber durch ministeriellen Erlaß. Wer dieses kritisiert,
ist
> nicht engstirnig, sondern einfach liberal.
>
> Verbindlichkeit der neuen Rechtschreibung hin oder her. Die ganze
Sache wird
> durch die normative Kraft des Faktischen entschieden, da noch über
sehr
> lange Zeit alte Schreibgewohnheiten beibehalten und diese dann auch im
Duden
> berücksichtigt werden. Hier sollte man auch bedenken, daß die große
Masse
> unserer
> kulturellen Überliefung in alter Rechtschreibung vorliegt, deren
> Beherrschung für mindestens eine Generation lang zu jeder einigermaßen
soliden
> Lese- und
> Verstehenskompetenz gehören wird. Es ist daher zu erwarten, daß die
Reform
> durch die weiterhin starke Präsenz der alten Schreibe nach einigen
Jahrzehnten
> in weiten Teilen modifiziert, wenn nicht sogar erledigt sein wird.
>
> Und was die Verbindlichkeit der neuen Rechtschreibung betrifft:
außerhalb
> dienstlicher Schreiben oder der Schule gilt das, was das
> Bundesverfassungsgericht einmal ausgeführt hat (1 BvR 1057/96, 1 BvR
1067/96
> vom 21.6.1996):
> "Die Frage, ob eine vom Beschwerdeführer benutzte Schreibweise von der
> Sprachgemeinschaft als falsch angesehen wird, hängt nicht unmittelbar
von
> staatlicher Regelung ab, sondern davon, welche Schreibregeln die
> Sprachgemeinschaft
> als faktisch verbindlich ansieht. Alle, die bereits lesen und
schreiben
> können, haben die bisherige Rechtschreibung verinnerlicht. Sie werden
auch dann,
> wenn der Beschwerdeführer an der bisherigen Rechtschreibung festhält,
nicht zu
> dem Schluß gelangen, daß der Beschwerdeführer "falsch" schreibt.
Vielmehr
> werden sie feststellen, daß er sich an die traditionellen und nicht an
die
> reformierten Rechtschreibregeln hält. Der Beschwerdeführer wird also
nicht
> gezwungen sein, seine Schreibweise der Reform anzupassen, um eine
Blamage
> beim
> Schreiben zu vermeiden."
>
> Kurz: Jeder kann privat schreiben, wie er will. Oder anders gesagt:
die
> Rechtschreibreform hat die Verbindlichkeit von Rechtschreibnormen
insgesamt
> fraglich gemacht. Die Folge müssen dann die Bibliohekare ausbaden,
soweit Titel
> von Bibliotheksgut betroffen sind. Das aber ist Teil der
Fachdiskussion, die
> von den Befindlichkeiten des "Buch- und Sprachmenschen" Bibliothekar
zu
> unterscheiden ist, wenn auch beide Aspekte in der Liste immer
durcheinander
> gehen.
>
> Beste Grüße
> Eric Steinhauer
> http://www.steinhauer-home.de
>
> --
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