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Re: AW: (Fwd) R-Reform: Verschlimmbesserung
- Date: Mon, 10 May 2004 15:42:27 +0200
- From: Uwe Jochum <uwe.jochum@xxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: AW: (Fwd) R-Reform: Verschlimmbesserung
Rohde Bernd wrote on May 10 09:40
> Vielleicht muss man an mancher Stelle wirklich noch/wieder lernen,
> dass der "gemeinsame deutsche Sprachraum" eben doch etwas, nicht nur
> regional (auch ethnologisch unabhaengig von der Region) nicht
> homogenes ist. Der Gedanke, dass ein Regelwerk wie der Duden quasi
> wie ein Gesetz einheitlich die ganze Rechtschreibung bis ins Detail
> festlegt (und alles was nicht da drin steht ist automatisch falsch),
> ist meineserachtens eine Hinterlassenschaft des preussischen
> Staatsdenkens, das politisch und kulturell einmal Deutschland
> dominiert hat. Diese Zeiten sind vorbei! Schliesslich gilt in
> Deutschland heute die Kulturhoheit der Laender und Sprache ist ein
> entscheidendes kulturelles Element.
Die mit dem Namen Duden verbundenen Rechtschreibreformen ums Jahr 1900
hatten nun aber gerade das Ziel, regionale Schreibungen einheitlich zu
standardisieren; so wurde damals preußisch "Möve" und bayrisch "Möwe"
eben zu "Möwe". Man hat also nicht immer "preußisch" normiert, sondern
Kompromisse gesucht --- normiert aber hat man. Man kann dahinter eine
Normiersucht oder sonstwas entdecken wollen, es hat aber schlicht mit
kultureller Identität zu tun, die eben auch eine
sprachlich-orthographische Identität ist. Wie wenig
preußisch-nationalistisch das ist, merkt man spätestens dann, wenn man
im Englischen eben das Oxford English Dictionary ganz
selbstverständlich als maßgebendes Lexikon betrachtet oder in den USA
den Webster. Das sind beidemale keine staatlich lizensierten Lexika,
aber sie haben normsetzende Kraft. Übrigens dadurch, daß beide Lexika
die lebendige Sprachentwicklung beobachten und dann eben auch
orthographisch nachvollziehen, wenn das notwendig erscheint. Genau das
hat der DUDEN einmal fürs Deutsche geleistet, nicht mehr und nicht
weniger. An seine Stelle ist nun die normierende Kraft einer
Rechtschreibkommission getreten, die Willkürschreibungen einführte ---
Willkürschreibungen eben genau deshalb, weil bis dahin niemand auf die
Idee gekommen war, so zu schreiben (aufwändig, Gräuel,
Nussschale). Alles in allem sieht es so aus, als habe die jüngste
Rechtschreibreform den deutschen Sprach- und Schreibraum im
schlechtesten Sinne in Vor-Duden-Zeiten zurückgeworfen.
> Und dass jemand aus Flensburg anders spricht, als jemand aus
> Oberstdorf (um den geographischen Abstand recht weit zu legen) sollte
> ja jedem bekannt sein. Da gibt es andere Woerter und da kann man von
> mir aus auch mal den einen oder anderen Begriff etwas abweichend
> schreiben. Da neben der Bundesrepublik Deutschland auch weitere
> Staaten die deutsche Sprache ihr eigen nennen, ist so eine
> Festlegung, alleinig aus der Sicht des deutschen Sprachraums
> innnerhalb Deutschlands, nationalegoistisch.
Einen solchen Egoismus kann ich auch für die DUDEN-Zeiten nicht
feststellen. Der Duden hat Austrazismen und Helvetizismen immer treu
verzeichnet, d.h. sowohl lexikalische als auch orthographische
Besonderheiten vermerkt und zugelassen. Übrigens auch bayerische und
und und.
> Wenn die NNZ sich an das haelt, was in der Deutschschweiz sprachlich
> gebraeuchlich ist, dann ist das in Ordnung.
Die NZZ schreibt, mit Ausnahme des verschwundenen ß, ein sehr gut
lesbares Hochdeutsch mit gelegentlichen Helvetizismen. "Unterbrechung"
heißt da immer noch "Unterbrechung", auch wenn es guttural
"Unterbrächik" gesprochen wird.
Grüße,
Uwe Jochum
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.