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Re: Urheberrecht fuer Autoren - Eigene Arbeiten im Netz



On Wed, 4 Feb 2004 13:05:41 +0100
 Jörg Prante <prante@xxxxxxxxxx> wrote:

> Sehr geehrter Herr Graf,
> 
> die Novellierung des UrHG bezüglich der "öffentlichen
> Zugänglichmachung" 
> erfolgte insbesondere, um die Vorgaben der 96er
> WIPO-Konferenz umzusetzen. 
> Dort heisst es: "Article 8 - Right of Communication to
> the Public - Without 
> prejudice to the provisions of Articles 11(1)(ii),
> 11bis(1)(i) and (ii), 
> 11ter(1)(ii), 14(1)(ii) and 14bis(1) of the Berne
> Convention, authors of 
> literary and artistic works shall enjoy the exclusive
> right of authorizing 
> any communication to the public of their works, by wire
> or wireless means, 
> including the making available to the public of their
> works in such a way 
> that members of the public may access these works from a
> place and at a time 
> individually chosen by them."
> 
> Im englischen Sprachgebrauch wird deutlicher, was gemeint
> ist. Nicht die 
> öffentliche Wiedergabe eines Werkes ist gemeint, sondern
> diejenige 
> Kommunikation über ein Werk, die an eine breite
> Öffentlichkeit gerichtet ist. 
> Die WIPO-Konferenz diskutierte eifrig über Hyperlinks,
> d.h. wer einen Link 
> worauf setzen darf und warum dies erlaubt sein soll.
> Insbesondere gab es 
> zwischen global agierenden Verlagen immer wieder
> Streitigkeiten wegen 
> angeblich unerlaubter Verlinkung.
> 
> Das bedeutet, dass ein Autor, der Verwertungsrechte
> exklusiv an einen Verlag 
> abgetreten hat, auf seiner Homepage etwa ein Abstract,
> eine Rezension, oder 
> ein Link auf die Verlagsseite setzen darf. Vielleicht
> noch eine Leseprobe. 
> Mehr ist bedauerlicherweise wohl nicht drin. An eine
> Zurverfügungstellung 
> einer Kopie über das Internet  - sozusagen als
> "öffentliche Wiedergabe" - ist 
> nicht gedacht. Denn auch eine Kopie im Browser fällt
> unter Vervielfältigung 
> gemäß UrHG. 
> 

Es tut mir leid, aber mit dieser Wortmeldung kann ich
leider ganz und gar nichts anfangen.

Im deutschen Recht gab es vor der Novelle des Jahres 2003
im Urheberrecht das Recht der oeffentlichen Wiedergabe
(Verwertung eines Werks in unkoerperlicher Form). Dann
wurde  die EU-Richtlinie umgesetzt und mit dem § 19a das
neue Recht der oeffentlichen Zugaenglichmachung
eingefuehrt.

http://www.urheberrecht.org/law/normen/urhg/2003-09-13/text/bgbl_I_1774_01_04_p11-27.php

Dieses zaehlt in der Systematik des UrhG gemaess § 15 Abs.
2 UrhG zum Recht der oeffentlichen Wiedergabe.

§ 38 UrhG ueber Beitraege zu Sammlungen (Zeitschriften,
Sammelbaende), der unveraendert blieb, spricht aber nur von
einem im Zweifel von den Verlegern erworbenen
ausschliesslichen Nutzungsrecht fuer "Vervielfaeltigung und
Verbreitung", was sich auf eine Verwertung in koerperlicher
Form (vulgo Buchdruck) bezieht, aber nicht auf eine
unkoerperliche oeffentliche Wiedergabe bzw. oeffentliche
Zugaenglichmachung in Netzen (Intranet, Internet).

Es wird zwar meiner Erinnerung nach in keinem Kommentar so
thematisiert, aber vielleicht ist das folgende
konventionelle Beispiel geeignet, den Unterschied zwischen
Vervielfaeltigung und Verbreitung und oeffentlicher
Wiedergabe zu verdeutlichen: Ein Dramatiker stellt "Theater
heute" ein unveroeffentlichtes Dramolett zur Verfuegung.
Die Zeitschrift darf den Text beliebig nachdrucken
(vervielfaeltigen und verbreiten), erwirbt damit aber nicht
das (buehnenmaessige) Auffuehrungsrecht gemaess § 19 UrhG.
Die Auffuehrung zaehlt zur oeffentlichen Wiedergabe. Nun
ist die Frage, ob die Zeitschrift den Text im Internet
zugaenglich machen darf?

Wenn man der in URECHT von einem Listenmitglied
begruendeten Auffassung folgt, dann meint Vervielfaeltigung
und Verbreitung in § 38 UrhG nicht die fuer die
Internetnutzung erforderliche oeffentliche
Zugaenglichmachung. Im Rechtsfall REMUS "Die
Online-Bibliothek" war aber VOR der Novelle die
Online-Nutzung der Vervielfaeltigung und Verbreitung
subsummiert worden (weil es noch kein eigenes Recht der
oeffentlichen Zugaenglichmachung gab).

> Mit anderen Worten: "Open Access" ist nicht mehr als ein
> Schlagwort für die 
> Auffassung, dass Verlinkungen auf Verlagsseiten immer
> erlaubt sein dürfen. 
> Selbst das war ja einmal rechtlich umstritten. In
> Anbetracht des eigentlichen 
> Ziels, nämlich den freien und ungehinderten Zugang zu
> wissenschaftlichen 
> Erkenntnissen zu sichern, bietet der "Open Access"-Ansatz
> nur wenig wirklich 
> neues.

Ich sehe darin nicht mehr als ein groteskes und bewusst
irrefuehrendes Missverstaendnis des Open Access Ansatzes,
der ja mit einer Hydra von Vorurteilen zu kaempfen hat, wie
Peter Subers Weblog tagtaeglich belegt.

Ich darf auf die klaren Ausfuehrungen unter
http://edoc.mpg.de/doc/help/copyright.epl
hinweisen und feststellen:

1. Niemand zwingt einen Wissenschaftsautor, einem Verlag
exklusive Rechte zu uebertragen. Er kann sich entscheiden,
wo er publiziert.

2. Auch wenn Verlage exklusive Rechte haben, gestatten
viele Verlage die Einstellung des Textes in einem OA
Eprint-Archiv (oder auf der Homepage des Autors)

3. In den Geisteswissenschaften gibt es nach wie vor eine
Fuelle von Zeitschriften, bei denen keinerlei schriftliche
Vertragsvertraege geschlossen werden. Fuer solche Faelle
ist die Auslegungsregel ("im Zweifel") des § 38 UrhG
gedacht, die bei Zeitschriftenveroeffentlichungen eine
Jahresfrist vorsieht. Wenn aber die Internetpublikation gar
nicht von "Vervielfaeltigung und Verbreitung" abgedeckt
wird, hat der Autor das Recht der oeffentlichen
Zugaenglichmachung gar nicht aus der Hand gegeben (in dubio
pro auctore), kann also ohne Einhaltung der Jahresfrist
seinen Beitrag ins Internet stellen.

4. Ich habe noch nichts von einer Klage eines Verlags gegen
einen Autor auf Entfernung eines Textes gelesen.

Sind noch Klarheiten uebriggeblieben?

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.