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Re: Bericht ueber die 7. Sitzung des Standardisierungsausschusses
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit urlaubsbedingter Verspaetung moechte ich auf Frau Henzes Kurzbericht
ueber die letzte Sitzung des Standardisierungsausschusses (Mail vom 17.
Dezember) eingehen, in dem sie auch ueber die an Kienbaum vergebene
Wirtschaftlichkeitsuntersuchung berichtet:
----------- Zitat ------------------
Vertreter der Firma Kienbaum haben in der Sitzung des
Standardisierungsausschusses das Rechenmodell fuer die
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Rahmen des Projektes Umstieg vorgestellt,
die Bestandteil des Antrages an die DFG war. Unter Einbeziehung der
Ergebnisse eines Workshops zum Thema Prozesse mit Vertretern der Sektionen
des DBV, der Verbuende und der nicht im DBV organisierten
Spezialbibliotheken, von Interviews mit 15 repraesentativen Vertretern der
einzelnen Bibliothekstypen und der Verbuende sowie umfangreichem
statistischem Material (DBS, Jahresberichte der Verbuende etc.) hat
Kienbaum die Kosten fuer die verschiedenen Migrationsmodelle errechnet. In
einem zweiten Workshop mit demselben Teilnehmerkreis wurde der qualitative
Nutzen eines Umstiegs ermittelt. In der Gesamtsicht ist festzustellen, dass
die Kosten der Beibehaltung des Status quo ueber den angenommenen Zeitraum
eines Umstiegs innerhalb von 15 Jahren unwesentlich niedriger sind als die
fuer einen Umstieg auf AACR2 und MARC21. Dabei sind die Kosten fuer eine
bei einem Nichtumstieg dringend notwendige Ueberarbeitung der RAK
unberuecksichtigt geblieben.
--------- Zitat Ende -----------------
Einerseits erstaunlich, andererseits vielleicht auch wieder nicht.
In jedem Fall wuesste man gerne etwas mehr darueber, um sich ein eigenes
Urteil ueber die Validitaet der Kienbaumschen Analysen und Prognosen bilden
zu koennen. Hier nur einige der Fragen, die sich mir in diesem Zusammenhang
stellen:
1. Wurden die Kosten-Nutzen-Analysen getrennt fuer die sehr
unterschiedlichen Arten von Bibliotheken angestellt oder wurde alles in
einen 'grossen Topf' geworfen und zusammengerechnet? Fuer eine OPL wird
sich sicher ein ganz anderes Bild ergeben als etwa fuer DDB...!
2. Die Nutzung auslaendischer Fremddaten duerfte entsprechend der
Ausschreibung
(<http://www.ddb.de/professionell/pdf/leistungsverzeichnis.pdf>) fuer das
Gutachten von zentraler Bedeutung sein. Wie gut oder schlecht diese nach
einem Umstieg funktionieren wuerde, haengt freilich davon ab, ob man die
AACR eins zu eins (evtl. sogar inkl. englischer Ansetzungsformen)
einfuehren oder ob man sie - aehnlich wie im Deutschschweizer Verbund - an
unsere Beduerfnisse anpassen wuerde. Welche Szenarien wurden von Kienbaum
durchgerechnet und wie unterscheiden sich die Ergebnisse? (Nebenbei sei an
dieser Stelle auf den lesenswerten Beitrag 'Nutzungsquoten von
Fremdleistungen im Verbund - die RAK-AACR-Diskussion in
Nordrhein-Westfalen' von R. Schmidt, I. Siebert und R. Thiele im
Bibliotheksdienst 11 (2003), S. 1416-1421 hingewiesen, der m.E. recht
deutlich zeigt, dass die Bedeutung einer Fremddatenuebernahme aus
AACR/MARC-Datenbestaenden teils stark ueberschaetzt wird).
3. Mit der ZDB als nationaler Datenbank besitzen wir ein sehr rationelles
und qualitativ hochwertiges Nachweisinstrument fuer dieses schwierige
Material. Die Arbeitsgruppe der ZDB hat festgestellt, dass keines der drei
in der Ausschreibung vorgegebenen Migrationsszenarien zu akzeptablen
Ergebnissen fuehren wuerde
(<http://www.zdb.spk-berlin.de/downloads/pdf/ap3.pdf>). Wie stellen sich
die Kienbaum-Gutachter die
Zukunft der ZDB vor?
4. Welche Szenarien wurden unter der Ueberschrift 'Nicht-Umstieg' genau
untersucht? Gemaess der Ausschreibung waeren nur die "momentanen einmaligen
Aufwendungen und laufenden Kosten" - also der Status quo - zu betrachten
gewesen. Wichtig waere es m.E. jedoch, sinnvolle Alternativen mit zu
untersuchen. Ich denke hier insbesondere an eine verbesserte Kooperation
der Verbuende, wodurch man gleichzeitig den Anteil sacherschlossener Titel
in den Katalogen deutlich erhoehen koennte. Eine weitere ueberdenkenswerte
Variante des 'Nicht-Umstiegs' waere es, die Konsistenz der bisherigen
Kataloge zu erhalten und dennoch gleichzeitig die Kompatibilitaet zu den
AACR deutlich zu erhoehen (vgl. die einschlaegigen Arbeiten von Frau Muennich).
5. Wurde neben den Szenarien zu 'Umstieg' und 'Nicht-Umstieg' auch die u.a.
von Frau Niggemann vorgeschlagene dritte Option, die "Mitentwicklung eines
neuen, modernen, internationalen Wegs" (vgl. meinen Kommentar
<http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg21999.html>; der Text
selbst ist leider immer noch nicht online auf der Homepage des Projekts zu
finden), in die Betrachtung mit einbezogen? Angesichts der juengsten
internationalen Entwicklungen (vgl. die heute von Frau Oelsschlaeger
versendete Mitteilung ueber das neue 'Statement of International
Cataloguing Principles') scheint mir diese Moeglichkeit umso wichtiger und
erfolgversprechender zu sein.
6. Die Kosten eines Umstiegs werden ueber einen Zeitraum von 15 Jahren
betrachtet, wobei der Loewenanteil vermutlich auf die ersten Jahre
entfallen duerfte. In diesem Zeitraum wuerde m.E. der Aufwand fuer die
Migration viele Bibliotheken so sehr in Anspruch nehmen, dass vieles andere
liegenbleiben wuerde. Wichtige Aufgaben wie die Anreicherung der
Online-Kataloge mit zusaetzlichen Informationen oder die
Langzeitarchivierung elektronischer Publikationen koennten allenfalls 'auf
Sparflamme' betrieben werden. Wurde auch der Schaden, der sich durch einen
solchen (womoeglich mehrjaehrigen) Innovationsstillstand ergeben wuerde, in
die Kalkulation mit eingerechnet?
Ueber diese und andere Fragen laesst sich vorerst nur spekulieren. Deshalb
meine herzliche Bitte an die Arbeitsstelle fuer Standardisierung, die
Projektbearbeiterin und den Projektbeirat: Bitte stellen Sie moeglichst
bald das Kienbaum-Gutachten im Volltext auf der Projekthomepage zur Verfuegung!
Mit freundlichen Gruessen
Heidrun Wiesenmueller
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Heidrun Wiesenmueller M.A.
Wuerttembergische Landesbibliothek
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