[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

DOAJ und Open Access Light



Es wurde neulich hier in INETBIB festgestellt, dass doaj.org in Lund
sehr unvollstaendig ist. Das trifft absolut zu, wobei sich natuerlich
die Fragestellt, wie sich die Liste in Lund zu anderen Listen,
insbesondere der EZB (kostenfreier Teil), die ja auch mit der LoC
kooperiert, verhaelt.

Die auf der Website von DOAJ publizierten Auswahlkriterien:
http://www.doaj.org/articles/about/#criteria

Da ist zum einen das Qualitaetskriterium, das nur
Forschungszeitschriften mit Niveau (Herausgeber oder Peer review buergen
dafuer) gelten laesst, also populaerwissenschaftliche Newsletter oder
dergl. ausschliesst, ebenso natuerlich digitalisierte aeltere
Zeitschriften.

Da ist zum anderen das Kriterium Open Access, bei dem man sich fragt,
wie das in Lund verstanden wird. Ich habe mir eine ganze Reihe von
Copyright-Notizen der Lund-Journale angeschaut und viele Faelle
gefunden, die man beim besten Willen nicht mit den weitgehenden
Definitionen der Open Access-Bewegung vereinbaren kann.

Ein beliebiges Beispiel aus Australien:

http://www.jcu.edu.au/aff/history/about/copyright.htm

"All rights reserved. Reproduction of this material in part or whole is
permitted for non-commercial educational uses, provided that prior
permission is gained from the editor and all copies made acknowledge
original authorship and the Journal as the source of the material."

Auch die Nutzung fuer Unterrichtszwecke ist somit erlaubnispflichtig, es
bleibt also nur der Bereich, der in den USA "fair use", bei uns
Schranken des Urheberrechts heisst.

Ganz selten begegnet man wirklichen Open Access "Labels" wie den
CC-Lizenzen. Extrem weitgehend die Lizenz fuer die PLoS-Zeitschrift zur
Biologie http://www.plosbiology.org/
http://creativecommons.org/licenses/by/1.0/

Man fragt sich also, ob ein Fall denkbar ist, dass ein kostenfreies
Journal, das die Qualitaetskriterien erfuellt, wegen "permission
barriers" ausgeschlossen wuerde. Das ist wohl nicht der Fall. 

Sara Kjellberg von DOAJ schrieb dazu in privater Mail vom 25. Nov.: 

> We do use a defintion of Open Access that states the following:
> We define open access journals as journals that use a funding model that does not charge readers or their institutions for access. From the BOAI definition [1] of "open access" we take the right of "users to read, download, copy, distribute, print, search, or link to the full texts of these articles" as mandatory for a journal to be included in the directory.
> When we select journals in practise we have come to prioritise the >free access (read) and right to personal use as most important. This >should be stated in an updated definiton at our web site.

Meine These lautet nun, dass bei konsequenter Forderung nach Open Access
im Sinne der gaengigen Definitionen
http://archiv.twoday.net/topics/Open+Access/
Anbieter und als Autoren beteiligte Wissenschaftler verschreckt wuerden,
weil OA urheberrechtliche Implikationen mit sich bringt, die derzeit von
den wenigsten unterstuetzt werden.

Open Access heisst ja nicht nur kostenfreier Zugang, es muessen auch
"permission barriers" (vor allem im Sinne urheberrechtlicher
Einschraenkungen) beseitigt werden, wie dies ja die Definitionen
fordern, etwa Berlin (in meiner Uebersetzung):

"Die Urheber und Rechteinhaber sichern allen Benutzern unwiderruflich
den freien weltweiten Zugang zu und erteilen ihnen die Erlaubnis, das
Werk zu kopieren, zu benutzen, zu übertragen und wiederzugeben (und zwar
auch öffentlich), Bearbeitungen davon zu erstellen und zu verbreiten und
dies alles in jedem digitalen Medium und zu jedem verantwortbaren Zweck,
vorausgesetzt die Urheberschaft wird korrekt zum Ausdruck gebracht (die
wissenschaftliche Gemeinschaft wird wie bisher die Regeln vorgeben, wie
die Urheberschaft korrekt anzugeben ist und was eine verantwortbare
Nutzung ist). Darüber hinaus dürfen zum persönlichen Gebrauch eine
kleine Anzahl von Ausdrucken erstellt werden."

Mit einem umfassenden urheberrechtlichen Rechtevorbehalt ist dieser OA
nicht zu vereinen. Es stellt sich auch die Frage, ob Wissenschaftler,
die ja, sofern nichts anderes vereinbart ist, nach einem Jahr ueber
Zeitschriftenartikel anderweitig verfuegen koennen, diese einer
OA-Lizenz unterstellen duerfen.

Ebenso fragt man sich, was denn erlaubte "Bearbeitungen" eines Werks
sein duerfen. Darf dann also ohne Zustimmung des Urhebers etwa eine
miese Uebersetzung ins Estnische (oder so) angefertigt werden?

Oder darf man einen OA-Artikel in ein anderes Repositorium ohne weiteres
uebertragen?

Es gibt auch - anders als in den USA mit CC - hierzulande noch keine
schluessige juristische Formulierung einer Open Access Lizenz, denn etwa
die "Lizenz fuer freie Inhalte" waere viel zu weitgehend:

http://www.ifross.de/ifross_html/art31.html

Am besten vergisst man den Rattenschwanz urheberrechtlicher Probleme,
wenn man OA foerdern will und konzentriert sich auf die Unterstuetzung
von Projekten, die man "Open Access Light" nennen koennte, vielleicht
auch sollte, denn sonst ist "Open Access" nichts anderes als eine
Mogelpackung: es steht OA drauf, aber das, was der Benutzer von Rechts
wegen mit dem Text machen darf, unterscheidet sich gravierend von dem,
was ihm die Definitionen von OA versprechen.

OA Light also heisst nichts anderes, als dass man den entsprechenden
Text kostenfrei im Netz konsumieren darf und auf diejenigen Nutzungen
beschraenkt ist, die ohnehin erlaubt sind (z.B. Kopieren zum eigenen
wiss. Gebrauch). Das ist der Kern der Lund-Praxis. Von hier zu
wirklichem OA (bei dem ich mich frage, ob diesen alle wollen, die das
Schlagwort OA im Munde fuehren) ist noch ein weiter und juristisch sehr
dorniger Weg zurueckzulegen.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.