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Re: Rechte an Arbeiten (Re: Diplomarbeit "Sicherheit durch Medienmanagement")



Hallo,

Karl Dietz schrieb:

> zB der hier:
> 
> Meldepflicht für Geistesblitze

Die Formulierung, daß Patente die Hochschulen "überfordern" könnten,
kann man als noch zu milde und gleichzeitig polarisierend bewerten.

Nüchtern betrachtet ermöglicht es das Patentrecht, die Wertschöpfung
von der Ebene der konkreten Handlung ("ich baue eine Anlage, mit der
ich etwas produziere und am Markt verkaufe") zu verlagern auf die
Ebene geistiger Vorstellungskraft ("ich möchte an einer Anlage, die
so und so funktioniert, verdienen"). Dieses Kalkül war historisch
als Innovations- und Investitionsschutz gedacht. Derjenige, der viel
Zeit, Geld und Mühe in eine Anlage steckt, sollte auch das Recht
bekommen, adäquat von seiner Erfindung profitieren zu können.
Gleichwohl sollte das Patentwesen sicher stellen, daß in einem
entkoppelten Szenario, in dem Anlagenkonstrukteur und -nutzer
wirtschaftlich voneinander unabhängig sind, dem Konstrukteursgenie
auch ein angemessener Teil der Wertschöpfung zukommt.

Dieses Kalkül des Patentwesens hat genau so lange funktioniert, wie
sich das ganze auf einem relativ begrenzten (noch nicht "globali-
sierten") Markt abgespielt hat, wo Forschung und technische
Realisation quantitativ und geschwindigkeitsmäßig in einem Gleich-
gewicht zueinander standen.

In dem Moment, wo einmal erkannt wird, daß mehr Forschung möglich
ist, als konstruktiv umgesetzt werden kann, werden die theoretischen
Ideen zu Verfahren zum verselbständigten Gut. Wer heute mit
Ingenieursblick in einer gut mit Information durchflossenen Gesellschaft
mit offenen Augen durch die Welt geht, wird jeden Tag aufs neue
konstruktive Ideen für neue Dinge bekommen. Ein heller Kopf könnte
Tag für Tag Dutzende von Patenten anmelden.

Das passiert aber nicht, weil das Patentwesen selbst kein kosten-
loses Vergnügen ist, sondern jede Patentanmeldung Geld und Aufwand
kostet.

Ebenfalls ist es ziemlich sinnlos, denn ein denkender Mensch wird
sich in den allermeisten Fällen überhaupt nicht daran stören, ob
die Idee, die er gerade auf der Fahrt in der Stadt hatte, von jemand
anderem genutzt werden könnte oder nicht.

Faktisch läuft es also darauf hinaus, daß von den bereits erdachten,
"erfundenen" Dingen nur ein Bruchteil in den Patentschriften landet,
es damit also systemtechnisch betrachtet ziemlich zufällig ist,
welche Ideen mit welchem konkreten Realisierungshintergrund von wem
in die Patentrolle eingebracht wurden. Schaut man genauer hin
stellt man fest, daß der "Zufall" nicht ganz so zufällig ist, sondern
durchaus eine Korrelation zur Verfügbarkeit finanzieller Mittel
besteht: Wer die Taschen voll Geld hat, kann auf Verdacht die
Landschaft zupatentieren, während der "arme Erfinder", der eigentlich
zu schützen ist, leer ausgeht, weil er es sich nicht leisten kann,
jeden Tag ein paar tausend Euro Richtung Patentamt zu verschieben.

Eine Hochschule kann man angesichts unserer Staatsfinanzen
wohl guten Gewissens auf eine Ebene mit einem "armen Erfinder"
setzen. Das Ergebnis der Entwicklung ist damit vorprogrammiert.

> ...und auch die leute von swpat at ffii.org

Im Software-Bereich kommt erschwerend hinzu, daß dem "Erfinden"
eines Verfahrens kein nennenwerter technischer Realisationsaufwand
gegenüber steht. Das Argument eines Investitionsschutzes, wie es
gern von Patentbefürwortern vorgebracht wird, zieht nicht in einem
Bereich, wo der Stoff für neue Patente morgens unter Dusche ent-
stehen und mittags am Schreibtisch in Software gegossen werden kann.
Während wir in der aktuellen Gesetzgebung noch ein explizites
Patentierungsverbot für Software stehen haben, werden Anmeldungen
zu Softwarepatenten munter von den Ämtern angenommen und es wurde
bereits eine fünfstellige Zahl an Patenten erteilt, die nach
heutigem Stand gegen die Gesetze verstoßen.

Viele dieser Patente sind "Trivialpatente". Die Kombination einfacher,
vorhandener Verfahren wird so in Patentschriften verpackt, daß
da z. B. Dinge wie das Amazon'sche 1-Click-Patent oder ein Schutz
für irgendein Warenkorbsystem herauskommt - Dinge, die aber schon
millionenfach "erfunden" wurden. Binsenweisheiten der Internet-
Evolution werden plötzlich als schützenswert angesehen, einfache
Schleifenkonstrukte, die ein Informatik-Erstsemester für einen
Übungszettel rechnet, können zu einem Patentverstoß werden, wenn
sich Student erdreistet, sein nachmittags zusammengeschmissenes
Progrämmchen nicht nur für die Lehre, sondern auch noch für andere
Dinge einzusetzen.

Durch die Abstrahierung technischer Vorgänge in den Patentschriften
wirken Patente ferner nicht punktförmig auf genau einen
Realisationsweg, sondern sie decken zumeist gleich eine ganze
Problemklasse ab. Bezogen auf Software-Entwicklung führt die
Zulässigkeit von Patenten dazu, daß innerhalb kürzester Zeit keine
Neuentwicklung mit Rechtssicherheit mehr möglich ist. Das Ergebnis
ist eine Verschärfung der "Kungelwirtschaft" und der Ausschluß
gerade kleinerer Marktteilnehmer (nämlich derjenigen Unternehmen,
die es sich finanziell nicht leisten können, jeden Tag ein
Dutzend neuer Allgemeinplätze zum Patent anzumelden).

Als beruflicher Software-Entwickler komme ich zu dem Schluß, daß
Softwarepatente letztendlich eine geistige Enteignung darstellen
und damit empfindlich das Grundrecht auf freie Entfaltung der
eigenen Persönlichkeit einschränken.

Man stelle sich nur einmal vor, es wäre im Bereich der Literatur
zulässig, Handlungsschemata von Romanen schützen zu lassen. Dann
könnte sich z. B. jemand den Archetyp "Krimi" schützen lassen und
es dürften nie wieder fremde Kriminalromane in die Läden kommen,
wenn ein einziger Autor ein Patent anmeldet und keine Lizenzen an
andere Romanautoren vergibt.

Völlig undenkbar, werden viele sagen, weil man die literarische
Entfaltung als ein Grundrecht ansieht. Oder ein Anwalt, der eine
Argumentationlogik patentieren läßt (ist ja auch nur ein gewerb-
liches Verfahren aus seiner Perspektive). Können dann plötzlich
logische Gedankenwege in Plädoyers lizenzpflichtig werden?

Das klingt natürlich alles nach völligem Humbug. Aber im EDV-Bereich
(wo letztendlich auch nur Text niedergeschrieben wird, nämlich
maschinenverarbeitbarer Programmtext) sollen derartige Abgrenzungen
möglich sein, und zigtausende Patente dererlei Machart warten
bereits in der Patentrolle und werden verhindern, daß selbst
einfache, selbst gefundene Gedanken oder Zusammenhänge in der
Zukunft noch frei eingesetzt werden dürfen.

Eine derartige geistige Enteignung ist Mord auf intellektueller Ebene.

Würde man jedem geistigen Mord einen Politikermord gegenüberstellen,
wäre der Spuk vermutlich sehr schnell vorbei.

Angesichts der verfahrenen Politsituation wird man einen deutlich
schärferen Kurs gegen die Verantwortlichen in der Politik fahren
müssen. Die Abwehr geistiger Enteignung könnte evtl. unter
das grundgesetzlich garantierte Widerstandsrecht fallen, man wird
den kompletten Handlungsrahmen ausschöpfen und die Register in allen
Tonlagen ziehen müssen, um das abzuwenden.

Auf jeden Fall gibt es keinen Grund mehr, weiter ruhig und
freundlich zu bleiben. Entweder die hohen Damen und Herren in der
Politik merken allmählich, was sie dort anrichten, oder man wird
gelegentlich diejenigen, die Freiheit und Zukunft in diesem
Lande zu gefährden drohen, aus dieser Welt stoßen müssen. Der
Wunsch, Blut von Politikern fließen zu sehen, wird bald unbezähmbar.

Viele Grüße,
Daniel Rödding


-- 
Daniel Roedding                                 phone: +49 5252 9838 0
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