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Euro-Symbol und Microsoft
- Date: Tue, 29 Jan 2002 22:11:03 +0100 (MET)
- From: daniel _at__ roedding.de (Daniel Roedding)
- Subject: Euro-Symbol und Microsoft
Hallo,
Sebastian Wolf schrieb:
> Obwohl ich die Anti-Microsoft-Äußerung von Herrn Rödding in der Form
> nicht unterstütze, sollte man aus kompatibilitätsgründen zumindest auf
> Internet-Seiten eher die Bezeichnung EUR als das ?-Zeichen benutzen.
^ 0x80 :-(
> Nutzer mit Windows95 ohne "Euro"-Packet oder anderen Betriebssystemen
> sehen dann nämlich nur ein leeres Quadrat.
*ARGH* - hier gehen zwei Ebenen durcheinander:
a) es gibt Probleme, die technische Folgen haben
dazu gehört die Übermittlung des Euro-Zeichens mit einem "illegalen"
Zeichencode, wie sie von Microsoft gefördert wird
b) es gibt Probleme bei der Darstellung
das ist allermeist ein Font-Problem
Die beiden Ebenen unterscheiden sich insofern, als daß durch a) echte
Verarbeitungsfehler auftauchen können, während b) "nur" unschön aussieht
aber keine Folgeschäden anrichtet. Wer auf einer ungepatchten Windel
keine Euro-Zeichen sieht, kann aber trotzdem weiterarbeiten und wird
irgendwann die Entscheidung fällen müssen, ob er sich mit den Quadraten
anfreunden kann oder doch lieber neue Fontpakete installieren möchte.
Aber an den verarbeiteten Daten geht nichts kaputt.
Fazit: a) gehört tunlichst von Seiten aller Beteiligten vermieden,
b) ist ein Enduserproblem und im globalen Kontext vernachlässigbar.
Ich sehe das Problem im Fall a) ganz klar bei Microsoft. Es gibt
korrekte Wege der Darstellung (z. B. in ISO8859-15 oder UTF-8), aber
Microsoft macht gezielt Murks. Und da empfinde ich es als Techniker
als blanken Hohn, daß gerade Microsoft sich dann auch noch mit
geschwellter Brust auf die Bühne stellt und postuliert, daß gerade
sie ja schnell das Euro-Problem behoben hätten. Eine Lüge ist das!
Sie haben das Problem erst in die Welt gesetzt. Wären sie nicht
auf die grandiose Idee mit der Neubelegung eines Zeichens gekommen wäre
es bei allen "nur" auf einen Font-Update und eine schleichende
Migration auf ISO8859-15 hinausgelaufen. So haben wir den Salat,
daß im Kontext der Interoperabilität verschiedener Systeme die
Euro-Zeichen noch auf Jahre kaputt gehen werden. Und natürlich
wird niemand schuld sein. Die "ISO-Fraktion" beruft sich auf den
Standard, "Microsoft" setzt kurzsichtige Wildwuchs-Praktiken durch
und deklariert selbige dann zum "Industriestandard".
Übrigens ist die Sache mit dem 0x80-Zeichen *nirgendwo* dokumentiert.
Wir haben das hier im Unternehmen bei internen Tests evaluiert, weil
wir genau das Schnittstellenproblem (Windose und Linux-Kiste
kommunizieren über WWW-Schnittstelle, und in Texteingaben im Browser
sollen Euro-Zeichen erlaubt sein) zu evaluieren hatten.
> Fragt sich noch, warum die ISO das ?-Zeichen nicht in ihren Standard
> aufgenommen hat bzw. wann Sie es zu tun gedenkt.
Es ist in den Standard aufgenommen, nur nicht da wo Sie es erwartet
hätten -> ISO8859-15 oder UTF-8.
> Ich denke, Microsoft
> hat nur eine Notlösung benutzt - schließlich kann eine halbwegs
> ordentliche Textverarbeitung nicht auf das Euro-Zeichen verzichten.
Die Notlösung war schlicht dämlich. Hätten Sie die "Euro-Taste"
als Makro "Font umschalten - Zeichen drucken - Font wieder zurück"
implementiert wäre alles in Butter gewesen. Aber nein, das wäre
ja eine saubere Lösung gewesen. Habe mich zeitweilig schon mal
gefragt ob Microsofts unsinniges Handeln in punkto Euro möglicherweise
sogar US-politisch motiviert war, um dem Euro einfach einen
technischen Bremsklotz gegenüber dem Dollar zu verpassen. Es ist
ja schon für einige ein massives psychologisches Problem, das neue
Währungssymbol nicht darstellen zu können, und das Problem haben
sie der europäischen EDV-Landschaft nun erfolgreich implantiert...
Übrigens kann es selbst der (= fast jeder) WWW-Browser besser:
Dort können Sie - voll portabel und unabhängig vom sonst in der
Seite verwendeten Zeichensatz - mit "&eur;" das Euro-Zeichen
einbinden. Plattformübergreifend verarbeitbar, völlig
unmißverständlich und damit ungefährlich einsetzbar. Lediglich
Fall b) von oben kann auftreten, a) aber nicht.
Meine scharfe Kritik an Microsoft ist einfach nur darin begründet, daß
aus diesem Hause ständig "Lösungen" kommen, die in Kategorie a) passen.
Und der Zoo da draußen merkt es einfach nicht, was da für eine
Sch***** verkauft wird...
Da die Softwarequalität nicht nur im konzeptionellen Bereich, sondern
auch bezogen auf die Realisierungsqualität defizitiär ist, hat es
allein im Laufe des vergangenen Jahres 70 (in Worten: siebzig) Meldungen
zu Sicherheitsdefiziten in den Mainstream-Microsoft-Produkten gegeben,
die das Einspielen von Korrekturständen erforderlich machten.
D. h. statistisch betrachtet durften mehr als einmal die Woche Patches
eingespielt werden. Wenn man sowas als Techniker sieht und mal genauer
hinschaut, *was* die da für Probleme haben, dann kann man einfach nur
noch die Hände überm Kopf zusammenschlagen und versuchen, irgendwie
seine Umwelt vor Software aus Redmond zu warnen. Zum Vergleich:
im Bereich der Linux-Basisinstallationen waren es im gleichen Zeitraum
ungefähr ein Dutzend Meldungen zu vom Schweregrad vergleichbaren
Sicherheitsdefiziten.
Viele Grüße,
Daniel Rödding
--
Daniel Roedding phone: +49 5252 9838 0
daniel _at__ roedding.de fax: +49 5252 9838 20
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