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Verfall und Untergang des Dublin Core?
Verfall und Untergang des Dublin Core?
Unter dem unverdaechtig klingenden Titel
"A Metadata Kernel for Electronic Permanence"
hat John Kunze (Univ. of California) am 5.10.2001 ein Papier im
"Journal of Digital Information" veroeffentlicht, das es in sich hat:
http://jodi.ecs.soton.ac.uk/Articles/v02/i02/Kunze/
Dublin Core wird fuer das bleibende Verdienst gelobt, einen
internationalen und interdisziplinaeren Konsensus hergestellt
zu haben, welche Angaben zur Beschreibung von Objekten
notwendig seien. (Kunze gehoerte selber zu den Personen der
ersten Stunde.) Dann aber enthuellt er ERC = "Electronic
Resource Citation", und am Ende bleibt fuer DC scheinbar kein
Argument mehr uebrig, denn ERC ist einfacher und doch
vollstaendiger, kompakter, besser erweiterbar,
viel leichter verarbeitbar und internationaler als DC.
Wie sieht ERC aus? Im einfachsten Fall so:
erc:
who: Gibbon, Edward
what: The Decline and Fall of the Roman Empire
when: 1781
where: http://www.ccel.org/g/gibbon/decline/
mit genau vier notwendigen Elementen, die angeblich fuer eine
"Minimalbeschreibung jedes Objekts im Universum" reichen.
Na? Genau, das sind die Dinge, die meistens in einer OPAC-Kurz-
anzeige stehen, Verfasser, Titel, Jahr und Signatur. Die Moeglich-
keiten der Erweiterung dieser Grundstruktur laufen darauf hinaus,
dass hier die Katalogisierung wiederentdeckt wird.
(Die Wiederentdeckung des Einheitstitels ist noch nicht gelungen!
Der Gibbon-Titel lautet korrekt "The history of the decline and
fall of ...)
ERC verbindet sich eng mit dem ebenfalls neuen Konzept des "Archival
Record Key" (ARK), der auf ein dauerhaftes Identifizieren von
Dokumenten abzielt, und dazu gehoert ein knappes und praezises
Zitat des Dokuments - eben das soll ERC leisten.
Zu ARK: http://ark.nlm.nih.gov
"ARK is a convention for the persistent naming and
retrieval of digital objects"
Es ist nicht so, dass von den 15 DC-Elementen nun 11 abgeschafft
werden, sondern sie werden anders angeordnet und vor allem viel
einfacher und effizienter dargestellt als in allen existierenden
DC-Implementierungen. (Man muss immer daran denken, dass der
DC-Standard NICHTS darueber sagt, wie die 15 Elemente dargestellt
werden sollen! DC befasst sich nur mit der Semantik, es ist kein
Kategorienschema oder Datenformat, die bekannten HTML-Tags
gehoeren nicht zum Standard, sondern man kann und darf es
ganz anders machen.)
In der Beschreibung, die Kunze gibt, wird ein Vorteil nach dem anderen
vorgefuehrt, nebenbei wird auch XML fuer Metadaten-Anwendungen
disqualifiziert. Diese Vorteile, so heisst es am Schluss, "legen es
nahe, dass auf dem Gebiet der einfachen Metadaten solche Strategien,
die sich der Komplexitaet verschreiben - vom Reichtum der
XML/RDF-Modelle zur Vielfalt der neuen Namensraeume, Profile,
Schemata usw. - eine Ergaenzung gut vertragen koennen durch parallele
Strategien (wie ERC), die jede Komplexitaet energisch vermeiden."
Wer am Ende die Wahl hat (und auf's Geld schaut), was wird der wohl
dann machen? Denn DC selber war ja eigentlich angetreten, die Dinge
ganz einfach zu machen.
DC steht nicht auf der Kippe, das muss man wohl betonen. Angegriffen
wird die ausufernde Komplexitaet der *Realisierung* von DC-Metadaten-
Systemen, bei der gleichwohl wichtige Dinge uebersehen oder ignoriert
wurden. Kleines Beispiel: DC sagt bis heute nichts darueber, ob und
wie man die Sortierfaehigkeit von Datenelementen sichern kann:
man findet Beispiele fuer "Nachname, Vorname" und "Vorname Nachname".
Als nur semantischer Standard muss DC dazu auch nichts sagen! Aber
man darf dabei nicht stehenbleiben, man braucht eine Datenstruktur,
und die muss solche Dinge regeln.
ERC bietet eine ganz einfache Methode, die noch dazu auch fuer die
Behandlung von Artikeln am Titelanfang taugt.
Wenn Metadaten ueberhaupt eine Zukunft haben, dann sind dafuer jetzt
die Karten neu gemischt. Auch Kunze gibt aber zu, dass angesichts
der unvorhergesehenen Google-Erfolge die in Metadaten gesetzten
Erwartungen zur Verbesserung der Auffindbarkeit von Netzobjekten
einen schweren Stand haben.
MfG B.E.
Bernhard Eversberg
Universitaetsbibliothek, Postf. 3329,
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