[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Bibliothekswissenschaft



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

eine etwas persönliche Sicht zur Diskussion zum Thema
Bibliothekswissenschaft:

Bei meiner Ausbildung damals am Bibliothekar-Lehrinstitut in Köln in den
60er Jahren war das Institut provisorisch im Kellergeschoß der Universität
untergebracht, quasi als Unterkunft für eine etwas schmalspurige
Hilfswissenschaft. Ich habe immer die Studenten beneidet, die eine
"richtige" Wissenschaft studieren konnten. In der Praxis hörte ich dann oft
den Spruch "Bibliothekare sind nichts anderes als Stallknechte der
Wissenschaft". In der Zwischenzeit hat sich aber glücklicherweise manches
zum Besseren verändert. Anstatt notdürftig untergebrachter Institute gibt es
heute "richtige" Fachhochschulen für das Fach Bibliothekswesen, zudem noch
vielfach eingebunden in die umfassendere Informationswissenschaft.

Die Entwicklung für mich in der Praxis habe ich den letzten Jahren meiner
(nicht überaus erfolgreichen) Berufslaufbahn erleben dürfen. Dank Einführung
des Internet in den Bibliotheken eröffneten sich nun Perspektiven für meine
aktuelle Arbeit (bibliographische Ermittlungen), die mich geradezu
begeisterten und die Niederschlag in meinen Publikationen (Buch und
Aufsätzen) fanden. Die Einbeziehung von Online-Datenbanken wie überhaupt des
ganzen Internet in die bibliothekarische Praxis eröffnet jedenfalls ganz
neue Perspektiven. Andererseits erscheint aber gerade im Internet das
Bibliothekswesen nur als ein Teilbereich anderer Informationsmöglichkeiten,
Bibliothekskunde ist dann nur noch Teilgebiet der Informationswissenschaft
als "Library and Information Science". Dabei besteht die Gefahr, wie es auch
Rainer Kuhlen andeutete ("damit die Themen der (digitalen) Bibliotheken
nicht alleine, wie es ohnehin umfassend im Kontext von BMBF-, DG- oder
EU-Programmen geschieht, durch die Informatik besetzt werden"), daß
schließlich Informatiker auch im Bibliotheksbereich dominieren. Die
Konsequenz daraus ist, daß Bibliothekare in Zukunft auch ein bißchen
Informatiker sein müssen. Dazu gehört eine wesentlich wissenschaftlichere
Ausbildung als es noch zu meiner Zeit der Fall war. Man kann dabei
allerdings auch die Wissenschaftlichkeit übertreiben, indem man etwas zu
sehr in theoretischen Höhen schwebt über dem nüchternen Boden der
alltäglichen Praxis, die zudem von verkrusteten hierarchischen Strukturen
durchsetzt ist. Das hat wohl Herr Hilberer mit seiner Mail kritisieren
wollen.

Mit freundlichen Grüßen
und eine erfreuliche Arbeitswoche

Hans Hehl

Kurt Schumacher Str 25
93049 Regensburg
Tel. 0941 34980
E-Mail: johannes.hehl _at__ bibliothek.uni-regensburg.de




Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.