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Urheberrechtsfrage bei Online-Bibliothek



An INETBIB, CC: URECHT

Ich habe hier in INETBIB in der Docster-Diskussion neulich ausgefuehrt: 

> Die (Zeitschriften-)Verlage sind in aller Regel nicht legitimiert, eine
> Urheberrechtsverletzung zu verfolgen, da sie ueber eine wirksame
> Uebertragung der Nutzungsrechte seitens der Erben NACH 1995 verfuegen
> muessen.

Nun liegt eine hervorragende Eroerterung der Frage durch den Juristen M.
Junker vom 3.9.2001 vor:

http://remus.jura.uni-sb.de/faelle/onlinebibliothek.html

"Zusammenfassung 

Möchte Professor P die Online-Bibliothek einrichten, so sollte er
im Vorfeld den Verlag informieren, um späteren Streit zu
vermeiden und das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Autor
und Verleger nicht zu belasten. Aus rechtlicher Sicht muss er
Folgendes beachten: 

Sofern es sich um Publikationen aus den siebziger
Jahren handelt, muss er nicht um Zustimmung bitten.
Gleiches gilt nach der hier vertretenen Ansicht für
Publikationen in den achtziger Jahren und zu Anfang
der neunziger Jahre. Bis dahin war die Publikation von
Texten eine unbekannte Nutzungsart i.S.v. § 31 Abs. 4
UrhG. 

Für Publikationen ab Mitte der neunziger Jahre kommt es
auf die vertragliche Regelung an. Diese muss nicht
schriftlich erfolgt sein. Das gilt beispielsweise für die
Zeitschriftenbeiträge, die Professor P dem V-Verlag
Ende der neunziger Jahre überlassen hat. Soweit ein
Verlag bekanntermaßen bereits im Online-Publishing aktiv
war, ist davon auszugehen, dass der Urheber nicht mehr
Inhaber der Rechte zur Publikation im Internet ist. Soweit
nichts anderes vereinbart ist, gilt dies aber nur bis zum
Ablauf eines Jahres seit Erscheinen der Zeitschrift. 
Dasselbe gilt für Beiträge in Festschriften, soweit
Professor P hierfür kein Honorar erhalten hat.
Freiexemplare und Sonderabzüge gelten nicht als
Honorar. 
Anders ist die Rechtslage bei Zeitungsartikeln: Hat
Professor P nichts anderes vereinbart, so darf er von
Anfang an den Artikel im Internet veröffentlichen. Nur
wenn er dem Verlag ein ausschließliches Nutzungsrecht
eingeräumt hat, muss er bis zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung damit warten. 
Für Bücher gibt es - so sei ergänzend angemerkt - keine
vergleichbaren Regelungen. Sofern Professor P dem
V-Verlag ein ausschliessliches Nutzungsrecht zur
Publikation eines Buches im Internet eingeräumt hat, darf
er das Buch auch nach Ablauf der Jahresfrist nicht selbst
im Internet zur Verfügung stellen."

Offen bleibt die Frage, wie es sich bei bezahlten Festschriften- oder
Sammelband-Beitraegen verhaelt. Fuer sie gelten die allgemeinen
Auslegungsregeln (Schricker in Schricker, ²UrhR § 38 Rdnr. 4), wobei die
allgemeine Zweckuebertragungsregel in § 31 Abs. 5 UrhG zu beachten ist.
"Der Urheber räumt im Zweifel keine weitergehenden Nutzungsrechte ein,
als es der Zweck der Verfügung erfordert: "in dubio pro auctore""
(Junker). Ist also ueber die Online-Nutzung nichts ausdruecklich
vereinbart worden, so gilt fuer die "Altfaelle" vor 1995 sicher auch der
Vorbehalt der unbekannten Nutzungsart. Danach kommt es auf die
Vertragsformulierung an. Aber grundsaetzlich ist davon auszugehen, dass
der Zweck der Ueberlassung des Manuskripts die Veroeffentlichung in dem
gedruckten Sammelband ist (sofern der Verlag keine Online-Aktivitaeten
unterhaelt) und die Online-Rechte beim Autor verbleiben. Es empfiehlt
sich jedoch in jedem Fall eine Notifikation des Verlags, wobei Autoren
ja die Formulierung "Ich gehe, wenn ich nichts weiter von Ihnen hoere,
davon aus, dass Sie ... einverstanden sind" gebrauchen koennen.

Einen Hinweis, dass auch Verlagsvertraege nach dem Gesetz ueber die
Allgemeinen Geschaeftsbedingungen ueberprueft werden koennen (Schricker
aaO, vor §§ 28 ff. Rdnr. 10-16), vermisst man bei Junker. So waere
beispielsweise die Frage nach der wirksamen Einbeziehung eines
Impressumvermerks einer Zeitschrift zu stellen gewesen. Dies aendert
aber nichts daran, dass den Einschaetzungen von Junker weitestgehend
zugestimmt werden kann.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.