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Re: Bibliothekare sind auch als Moerder leise
Also Hans-Peter Kunisch von der SZ hätte sich ruhig etwas mehr Mühe
geben können. Die bloße Paraphrase einer Polemik macht noch keine gute
neue Polemik. Ich bin enttäuscht, daß die etwas schlappe Behauptung, die
Library of Congress werde in Deutschland "üblicherweise" "unterwürfig"
als Vorbild erwähnt, der einzige Bezug auf deutsche Verhältnisse ist.
"Die Mörder sind unter uns" - und wo bleiben die beharrlich (statt nicht
existenten Bücherstaubs!) unter den Tisch gekehrten Horrorgeschichten
aus dem Zentrum für "Bucherhaltung" in Leipzig (gewiss ein Euphemismus
Orwell'schen Kalibers, wenn man der Überschrift des Artikels trauen
mag), auf deren Aufdeckung wir so gehofft hatten? Als leuchtendes
Vorbild kommt uns da die FAZ und ihre verdienstvolle Aufdeckung des
"Skandals" um die "Mazeration Goethe" im Goethejahr 1999 in den Sinn.
Interessant ist es aber schon, daß die nicht nur in den USA allseits
beliebten Verschwörungstheorien inzwischen offenbar auch bei Germanisten
Widerhall finden, ob es nun um verblichene Dichterfürsten oder
zerfallende Bücher geht. Es erscheint mir äußerst naiv anzunehmen,
Bibliotheken könnten mit der Entsäuerung und Digitalisierung ihre Etats
aufbessern. Über die "beachtenswerten Summen" können Bibliotheken wie
die Bayerische Staatsbibliothek mit ihren 3,5 Millionen "Problemfällen"
und einem geschätzten Sanierungsaufwand von 130 Millionen Mark nur müde
lächeln, wenn die ihr tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel 1999
nur 1 Million Mark betrugen (Zahlen entnommen aus einer Presseschau von
Bibliomaniac, "Der Zahn der Zeit: Bücherverfall/Konservierung,
http://www.dostoevskij.purespace.de/news/topic/verfall.htm
Die Medien haben auch schon anders berichtet. Aber offenbar waren
Schriftsteller wie Hans Magnus Enzensberger und Günter Grass, die im Mai
2000 in der ZDF-Dokumentation "Bücher sterben langsam" zur Rettung des
kulturellen Erbes aufforderten, damals bloß willige und ahnungslose
Handlanger der gezielten Desinformation von "Bibliotheksfunktionären".
"Uncle Frank" meint dazu mit einem Seufzer
"Those librarians! They're always ending up on someone's liste de
merde."
Man lese "Uncle Frank"'s (durchaus auch selbstkritisches) Diary Number
Two aus NewPages.com, To Breath Is to Judge: An Attempt to Think Calmly
about Nicholson Baker's Book, Double Fold
http://www.newpages.com/unclefrank/Number02.htm
Klaus Graf hat in dieser Liste übrigens schon am 28. April Auszüge aus
der Liste ExLibris gebracht, die ausführlich über die aktuelle
amerikanische Debatte zu Nicholson Bakers Buch informiert. Nachzulesen
im Inetbib-Archiv unter
http://www.hbz-nrw.de/mlist/inetbib/200104/20010428.html#0
Gruß,
Bernd-Christoph Kämper
Michael Mandelartz wrote:
>
> Liebe Listenmitglieder,
>
> nach Lektuere des Artikels in der SZ wuerde mich brennend
> interessieren, ob einer der in der Liste versammelten
> Bibliothekare zu Staub zerfallene Buecher schon einmal gesehen,
> oder gar mit Handfeger und Schaufel beseitigt hat, wie es in der
> Presse oefters zu lesen war? Schliesslich werden auch in
> Deutschland beachtenswerte Summen in die Entsaeurung und die
> Digitalisierung gesteckt. Ein Hoax? Public Relations fuer die
> Etatbeschaffung?
>
> fragt
>
> Michael Mandelartz
> _____________________________________________________
> On Wed, 6 Jun 2001 15:11:51 +0200
> "Marianne Saule" <Marianne.Saule _at__ bibliothek.uni-regensburg.de> wrote:
>
> >
> > Bibliothekare sind auch als Moerder leise ... so steht es heute in
> > der Sueddeutschen Zeitung im Feuilleton - nachzulesen unter
> > http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel48407.php
> > Peter Kunisch: Kein Buch zerfaellt zu Staub
> >
> > Beste Gruesse
> >
> >
> >
> > M a r i a n n e S a u l e
> > Universitaetsbibliothek, 93042 Regensburg
> > Tel. 0941/943-3952 Fax -1958
>
> _____________________________________________________
> Dr. phil. Michael Mandelartz
> Ueda 3-13-15-201
> 020-0066 Morioka / Japan
> E-Mail: michael.mandelartz _at__ epost.de
> Literaturrecherche, Goethe, Japan u.a.:
> http://www.biblint.de/ - Bibliographieren im Internet
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Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.