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[Fwd: Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen (4)]



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[Es folgen vier Antworten. R. Wolz]


1)
Datum:   	Mon, 12 Mar 2001 11:41:43 +0100
Von:            	andreas oennerfors <andreas.onnerfors _at__ kult.lu.se>
Betreff:        	Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen


Lieber Kollege auf der gruenen Insel!

Zwar betrachten wir Schweden nicht als Teil Kontinentaleuropas, aber von
der Halbinsel im hohen Norden kann ich Sie jedenfalls beruhigen:

Das, was von schwedischen Geisteswissenschaftlern produziert wird, ist ihr
eigenes geistiges Eigentum!!! Etwas anderes wird ueberhaupt nicht
diskutiert und man wuerde eine "Publikations-output-Maximierung" als einen
Eingriff in die Autonomie schwedischer Magisterarbeits- und
Dissertationsautoren ansehen.

Meiner Meinung nach waere soetwas in Schweden voellig undenkbar. Vielleicht
mal bei dem einen oder anderen Artikel, aber bei ganzen Arbeiten??? Das
klingt einfach absurd.

Vielleicht ist aber die von Ihnen beschriebene Tendenz, das moechte ich als
Ideen- und Wissenschaftshistoriker anmerken, ein Schritt zurueck in ein
vorromantisches Danken, in dem die Originalitaet des Autoren nicht im
Vordergrund stand.

Die meisten Dissertationen des 18. Jahrhunderts verfasste der Professor
selber und der Respondens setzte seinen Namen darunter. Hier ist der
Publikationsoutput auf der anderen Seite wesentlich legitimer. Umgekehrte
Faelle gibt es genauso: ein Respondens verfasste seine eigene Arbeit und
sie wird in allen Bibliotheken unter dem Praeses verzeichnet. Damals war
das ja auch eine Art Qualitaetsstempel, kannte man den Praeses, konnte man
sich schon ein Bild davon machen wie die Arbeit aussah. Aber heutzutage???


Das Internet stellt sowieso einiges an der Originalitaet wieder in Frage.
Wer weiss schon, woher die Texte kommen die bearbeitet werden? Genauso wie
im 18. Jahrhundert die Druckpresse und gelehrte Zeitschriften staendige
"Reprints" ohne Quellenangabe verbreiteten, gibt das Internet nun die
schier unbegrenzte Moeglichkeit auf Textzugriff. Die Nennung des Namens des
Betreuers der Arbeit und die Auflistung einer Arbeit in seinem Werkregister
macht ihn jedenfalls mitverantwortlich fuer die Qualitaet/Originalitaet der
Arbeit seines "Respondenten" . Wer will schon Plagiate verbreiten?

Mit freundlichen Gruessen aus Londini Gothorum, dem London der Gothen
(Lund),
Andreas Oennerfors


2)
Datum:   	Mon, 12 Mar 2001 12:00:21 +0100
Von:            	Georg Gresser <georg.gresser _at__ mail1.rrz.uni-koeln.de>
Betreff:        	Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen


Sehr geehrter Herr Lerchenmueller,

als wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universitaet
zu Koeln und gleichzeitig im Fakultaetsvorstand der derzeit groessten
Philosophischen Fakultaet in Deutschland (ca. 150 ProfessorInnen) kann ich
nur sagen, dass dieses Vorgehen zu keiner Zeit und in keinem Fach
vorgekommen oder auch nur als Moeglichkeit diskutiert worden ist. Die
Staatexamensarbeiten, sowie die Magister- und Diplomarbeiten enthalten ja
gerade eine eidesstattliche Versicherung, dass niemand daran mitgearbeitet
hat. Aber auch bei anderen Arebiten (Aufsaetzen, Miszellen oder
Festschriftenartikeln) ist ein solches Vorgehen bisher noch nicht
beobachtet worden.

Etwas anders sieht dies offenbar bei unseren Freunden bei der WiSo-
Fakultaet aus, wo mir der eine oder andere Mitarbeiter Ansaetze solchen
Verhaltens schon einmal mitgeteilt hat. Gang und Gaebe ist dies natuerlich
bei den Medizinern, wo man ohne dieses Verhalten so gut wie keinerlei
Veroeffentlichungen mehr bekommen kann.

In der Hoffnung, Ihnen damit gedient zu haben verbleibe ich mit
freundlichen Gruessen

Dr, Georg Gresser
Universitaet zu Koeln
Historisches Seminar
Abteilung Mittelalter


3)
Datum:   	Mon, 12 Mar 2001 15:19:04 +0100
Von:            	Viktor Otto <viktorot _at__ zedat.fu-berlin.de>
Betreff:        	Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen


Sehr geehrter Herr Lerchenmueller,

in der Folge des groessten Betrugsfalles in der deutschen Wissenschaft
(Herrmann/Brach) hat die DFG eine Kommission "Selbstkontrolle in der
Wissenschaft" eingesetzt, welche im Januar 1998 ihre Empfehlungen
publizierte (www.dfg.de/aktuell/download/empf_selbstkontr.htm). In diesem
Richtlinienpapier wird die von Ihnen beanstandete sog. "Ehrenautorschaft"
eindeutig abgelehnt (Punkt 11).

Auch das 185. Plenum der Hochschulrektorenkonferenz verabschiedete im Juli
1998 eine Entschliessung, in der die gaengige Praxis der Mit-Autorschaft
kritisiert wird (www.hrk.de).

Im November 2000 hat die MPG "Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher
Praxis" vorgelegt (www.mpg.de/pri00/hg_regeln.htm), in denen
"Ehrenautorschaft" ebenfalls eindeutig verworfen wird (Punkt 5).

Anschliessend an diese Bemuehungen haben einzelne Universitaeten ihrerseits
Richtlinienpapiere erarbeitet (so an den Universitaeten Heidelberg,
Konstanz und Mannheim), in denen auch die "Ehrenautorschaft" als
unwissenschaftlich sanktioniert wird (siehe Freiburger Empfehlungen zur
"Verantwortung in der Forschung").

In Grossbritannien hatte sich bereits im April 1997 ein Committee on
Publication Ethics (COPE) konstituiert (www.bmj.com/misc/cope), das sich
u.a. ebenfalls mit Fragen der Autorschaft beschaeftigt.

Es darf nicht uebersehen werden, dass "Ehrenautorschaften" vornehmlich an
solchen Fakultaeten inflationaer sind, an denen die Anzahl der
Publikationen von eminenter Bedeutung fuer die Bewilligung von
Forschungsgeldern ist. Diese Praxis ist in den Geisteswissenschaften
bislang nicht allzustark ausgepraegt, doch wird die Gefahr groesser werden,
falls existierende Plaene eine Umsetzung erfahren sollten, die vorsehen, im
Rahmen der Evaluation von Forschung und Lehre Publikationen rein
quantitativ nach Punkten zu bewerten.

Ein entscheidender Schritt waere getan, wenn sich Herausgeber
wissenschaftlicher Periodika dazu entschliessen koennten, in ihren
Richtlinien festzuschreiben, dass als Autor eines Beitrages nur gelten
kann, wer zur Erarbeitung, Analyse, Interpretation und Formulierung des
Themas wesentlich beigetragen und der Veroeffentlichung zugestimmt hat.

Mit freundlichen Gruessen

Viktor Otto
viktorot _at__ zedat.fu-berlin.de


4)
Datum:   	Mon, 12 Mar 2001 17:59:39 +0100
Von:            	Klaus Graf <graf _at__ uni-koblenz.de>
Betreff:        	Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen


Joachim.Lerchenmueller <Joachim.Lerchenmueller _at__ ul.ie> fragt nach
kontinentaleuropaeischen Parallelen zu Bestrebungen in Irland:

"An den nicht-naturwissenschaftlichen Fakultaeten irischer Universitaeten
wird die Tendenz offensichtlich staerker, die Publikationspraxis
naturwissenschaftlicher Forschungsgruppen und -labors zu kopieren, d.h. von
Magistranden und Doktoranden wird verlangt, den/die Supervisor(s) als Mit-
Autor(en) zu nennen, auch wenn kein (nennenswerter) intellektueller Input
dieser Person(en) vorliegt."

Solche Bemuehungen im geisteswissenschaftlichen Bereich sind mir aus
Deutschland nicht bekannt. Vor allem bei den Dissertationen ist mir
dergleichen noch nicht begegnet.

Hilfreich sind aber vielleicht einige Saetze zur Frage, ob dem Betreuer
einer universitaeren Abschluss- oder Pruefungsarbeit
(Magister/Magistra-, Diplomarbeiten usw.) Rechte an dieser zustehen.

Ein online zugaengliches Merkblatt der Univ. Karlsruhe zu "externen"
Diplomarbeiten (von 1998) stellt dazu zutreffend fest:

"Die von allen einschlaegigen Pruefungsordnungen geforderte selbstaendige
Bearbeitung des Themas einer Diplomarbeit schliesst das Entstehen eines
Miturheberrechtes des betreuenden Professors selbst dann aus, wenn
von diesem (wesentliche) Anregungen fuer die Arbeit gegeben wurden. Eine
Betreuungsleistung, die einen urheberrechtlich relevanten Beitrag
darstellte, waere mit dem Wesen einer Diplomarbeit als Pruefungsleistung
nicht vereinbar."

http://www.verwaltung.uni-karlsruhe.de/abt/h1/extdipl.htm#D

Siehe auch das Muenchner Merkblatt:
http://www.e-technik.fh-muenchen.de/studium/diplomarbeit/

Zur gedruckten Literatur sei verwiesen auf:
Winfried Veelken: Schutzrechtsfragen im Hochschulbereich - Studien- und
Diplomarbeiten, in: Wissenschaftsrecht 26 (1993), S. 93-134
Peter W. Heermann: Der Schutzumfang von Sprachwerken der Wissenschaft
und die urheberrechtliche Stellung von Hochschulangehoerigen, in: GRUR
1999, S. 468-476

Natuerlich steht der Kandidat (die Kandidatin) in einem schwierigen
Abhaengigkeitsverhaeltnis, das ihn fuer solche unberechtigten
Forderungen gefuege machen kann. Aber von der deutschen Rechtslage
(Hoschschul- und Urheberrecht) her sind solche Zumutungen klar
abzuweisen. Abschlussarbeiten sollen selbstaendig erstellt werden, und
jeder Kandidat muss das Recht haben, ein Thema zu erhalten, bei dem er
ueber seine eigene Leistung uneingeschraenkt verfuegen kann. Er darf in
keinem Fall gezwungen werden, eine privatrechtliche Vereinbarung ueber
die Abtretung von Nutzungsrechten an den Lehrstuhl (diskutiert bei
Veelken aaO) unterzeichnen zu muessen.

Dr. Klaus Graf, Universitaet Freiburg
http://www.uni-koblenz.de/~graf



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 Email: hsk.redaktion _at__ geschichte.hu-berlin.de
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