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Re: Rechtssituation fuer E-Dokumente



graf wrote:
> 
> Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen,
> 
> in letzter Zeit wird im Rahmen der Reform des Urheberrechtes immer
> wieder diskutiert, dass fuer Bibliotheken, Wissenschaftler und
> Privatpersonen moeglicherweise das Recht, (digitale) Kopien anzufertigen
> 
> und zu verbreiten, beschnitten oder zumindest sehr verteuert wird. Dies
> wird meist im Kontext Dokumentlieferdienste angesprochen.
> 
> Daneben laufen verschiedene Projekte zur Einrichtung von
> Multimedia-Servern an Bibliotheken, die einerseits Archivzwecken,
> andererseits auch der Bereitstellung aktueller Lehr- und
> Studienmaterialien dienen sollen. Diese Materialien koennen einerseits
> digitalisierte Text-Publikationen oder aber eigens fuer den
> Multimedia-Server erstellte Dokumente sein, die auch
> urheberrechtlichen Schutz geniessen (duerften). Diese Dokumente sind
> ueber Internet zumindest in der Hochschule, moeglicherweise auch einem
> weltweiten Benutzerkreis verfuegbar.
> 
> Kennt jemand von Ihnen die Rechtslage und/oder hat bereits Erfahrungen
> mit derartigen elektronischen Dokumenten und ihrem Urheberschutz?
> Duerfen Hochschullehrer Material, das (auch) in einem Verlag erscheint
> oder erschienen ist, einem Multimedia-Bibliotheks-Server zur Verfuegung
> stellen? Wieweit duerfen diese Materialien verbreitet werden, muessen
> Abgaben gezahlt werden, gibt es Pauschal-Vertraege wie den
> Gesamtvertrag zur Kopiendirektlieferung, und in welcher Form
> (Bibliothekstantieme/Kopien-Verguetung)?
> 
> Ein Ansatz koennte sein, die digitalen Dokumente im Rahmen
> wissenschaftlichen Arbeitens als Zitate anzusehen.Wie weit geht dieses
> Zitierrecht? Sind einzelne kopierte
> (digitalisierte) Seiten noch als Zitate zu werten? Wie steht es z.B. mit
> 
> Semesterapparaten, die ja üblicherweise auch Kopien von Teilen von
> Veröffentlichungen enthalten? Dürfen sie als Sammelwerke
> "Semesterapparate" digitalisiert im Hochschulnetz oder im Internet
> zeitlich begrenzt angeboten werden, moeglicherweise mit auf
> Kursteilnehmer beschraenktem Zugriffsrecht?
> 
> An einer Klaerung dieser Fragen bin sicherlich nicht nur ich
> interessiert - mit freundlichen Gruessen aus dem winterlich-kalten
> Essen,
> Dorothee Graf.

Ohne Rechtsberatung geben zu wollen, darf ich folgende Hinweise zur
Diskussion stellen:

Ob Hochschullehrer Material aus Printpublikationen erneut verwerten
duerfen, haengt von den vertraglichen Regelungen ab. Es gilt genau das
Gleiche wie bei einem konventionellen Nachdruck. Bei Materialien, die
vor 1995 publiziert wurden, spricht alles dafuer, dass die Rechte der
Onlinenutzung noch beim Autor liegen, da zuvor das Internet eine
unbekannte Nutzungsart war. Wenn bei Zeitschriftenartikeln nichts
anderes vereinbart ist, duerfen diese nach einem Jahr vom Autor erneut
publiziert werden. Ansonsten gilt genau das Gleiche wie bei einer
konventionellen Publikation. Es handelt sich bei der Einstellung in
einen Hochschulschriftenserver ja nicht um eine verguetungspflichtige
interne Vervielfaeltigung, sondern um eine "Zweitpublikation".

Einer Ausweitung des Zitatrechts, wie vorgeschlagen, werden
Urheberrechtler, die der herrschenden Meinung verpflichtet sind, 
entschieden entgegentreten wollen. Es scheitert im vorliegenden Fall
bereits daran, dass der Semesterapparat kein eigenstaendiges Werk
darstellt. Sie als Sammmelwerk anzusehen, duerfte hoechst problematisch
sein.

Wenn Semesterapparate Kopien enthalten, so stellt sich die Frage, ob
dies ueberhaupt nach herrschender Lehre zulaessig ist ...

Ich waere sehr dafuer, die herrschende Verkrustung des Urheberechts
aufzubrechen. Einen in diese Richtung argumentierenden Aufsatz-Torso
kann ich privat bei Bedarf zumailen.

Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf/museumr.htm


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.