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Rechtschreibreform und Sacherschließung



Liebe INETBIB-Leser,

Herr Eversberg hatte uns hingewiesen auf seine Web-Seite 
http://www.biblio.tu-bs.de/allegro/formate/rref.htm , die interessante
Anmerkungen zur Indexierung allgemein und gute Lösungswege zum
"rechtschreibrefomverschärften" Sachtitelproblem in Katalogen enthält.

Der Sachtitel ist eben doch in erster Linie für die formale Recherche
gedacht. Eine inhaltliche Suche per Titelstichwort kann immer nur ein
schwacher Ersatz sein für eine echte inhaltliche Suche. Die setzt
natürlich eine umfassende inhaltliche Erschließung der Bestände voraus
(am besten mit Verschlagwortung und klassifikatorischer
Sacherschließung). 

Natürlich muss auch eine Schlagwortdatei und der verbale Anteil einer
Klassifikation Rechtschreibvarianten berücksichtigen. Das ist aber durch
die Begrenztheit eines kontrollierten Wortschatzes (selbst bei der
umfangreichen SWD) viel leichter möglich, als alle Wörter zu
berücksichtigen, die im Sachtitelfeld auftauchen können. 
Daher sind die Beiträge zum Orthograpie-Problem in Katalogen auch als
Plädoyer für die Sacherschließung und die sachliche Recherche zu
verstehen.

Die Redaktion der SWD sollte auch bald damit beginnen, die
orthographischen Varianten, die durch die Rechtschreibreform
hinzukommen, in den Datensätzen der Sachschlagwörter zu berücksichtigen.
Beispiele von älteren Varianten gibt es schon, z.B. SWD-Nr. 4045893-3 s
"Photograph", benutzt für "Fotograf".

Bibliothekarisch sollte man jedenfalls zweigleisig fahren: zum einen die
sachliche Recherche im Sachtitelfeld durch die Vorschläge von Herrn
Eversberg verbessern, zum anderen aber die Verschlagwortung und
klassifikatorische 
Sacherschließung ausweiten und optimieren.

Zur Diskussion auf der Seite
http://www.biblio.tu-bs.de/allegro/formate/rref.htm :

Die Frage von Klaus Heller, "Ist die Verschlimmerung - abgesehen von der
Zweigleisigkeit der Übergangszeit - wirklich so schlimm?", finde ich
aber nicht so abwegig. Auch in den Geisteswissenschaften ist die
Halbwertzeit von Veröffentlichungen fast proportional zum Ansteigen der
Literatur- und Datenflut immer kürzer geworden. Lothar Kalok schrieb:
"Die neuere Schreibweise erleichtert eine zeitlich geschichtete Suche
(pointiert formuliert)." Aber die meisten Benutzer wollen in der Regel
doch nur die neueste Literatur haben. 

Die Datenbestände wachsen zwar gigantisch an, sie interessieren aber
"nur noch" Historiker (auch Literarhistoriker usw.), sobald sie erst mal
das eine oder andere Jahr auf dem (Buch-)Rücken haben. Das kann nicht
das Problem der dauerhaften Archivierung von Internet- oder anderen
digitalen Publikationen herunterspielen. Es handelt sich dabei aber fast
ausschließlich um eine Serviceleitstung für Historiker späterer
Generationen, nicht um einen Beitrag zu heutigen "Wissengesellschaft".

Bleibt es von staatlicher Seite bei der Rechtschreibreform und kann sich
diese durchsetzen, so werden sich die Probleme nach einer Übergangszeit
relativieren. Es wird ein sehr begrenzter Personenkreis sein, der sich
nach zwanzig Jahren etablierter neuer Orthographie (also gegebenenfalls
im Jahre 2025), noch für Veröffentlichungen des vergangenen Jahrhunderts
interessieren wird. (Wer, außer Historikern, liest schon heute noch
Bücher aus den 70er oder gar aus den 60er Jahren?!) Und dieser begrenzte
Personenkreis wird auch in der Lage sein, vergangene Schreibungen bei
der Sachtitel- oder Volltextsuche zu berücksichtigen. 

Viele Grüße

 
 Dr. Klaus Makoschey

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