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Dauerhafte Archivierung von E-Editionen



Im Rahmen eines Beitrags zu Rechtsproblemen elektronischen Edierens gehe
ich auch auf die Sicherung dauerhafter Archivierung ein. Kommentare und
Ergaenzungen zum folgenden Entwurf sind erwuenscht. Danke!

Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf

***

Wer eine konventionelle Edition erstellt und dafür einen Verlag findet,
muß sich keine Sorgen machen, was die dauerhafte Bewahrung des
Druckerzeugnisses betrifft. Es wird von zahlreichen wissenschaftlichen
Bibliotheken und Institutionen erworben, die bei
geisteswissenschaftlichen Veröffentlichung derzeit noch kaum an eine
Makulierung dieser Exemplare denken. Die Pflichtexemplargesetze der
Bundesländer und das Gesetz über die Deutsche Bibliothek sorgen
darüberhinaus für eine dauerhafte Archivierung der Verlagspublikationen.

Bei elektronischen Publikationen stellt die dauerhafte Sicherung der
abgeschlossenen editorischen Leistung jedoch eines der Hauptprobleme
dar: Internetangebote verschwinden ("404 File Not Found") oder ändern
ihre Adresse und dies öfter, als eifrigen Linksammlern lieb ist [1].
Bedenkenträger haben daher nicht ganz Unrecht, wenn sie vor den Gefahren
des Web-Paradigmas warnen.[2]

Eine privatrechtliche Lösung des Problems sehe ich derzeit nicht. Kein
Internetprovider, keine  Firma (auch kein Buchverlag) kann wirkungsvoll
den dauerhaften Erhalt eines Internetangebots garantieren, denn
dauerhafte Datenträger existieren bekanntlich noch nicht. Es müssen also
regelmäßig Datenbestände kopiert oder sogar konvertiert werden. Auf
alterungsbeständigem Papier ausdrucken und dieses Dokument einer
dauerhaften Aufbewahrung zuführen - das ist derzeit noch der sicherste
Weg, die Arbeitsergebnisse der Nachwelt zu erhalten. Gehen Firmen in
Konkurs - und gerade Internetfirmen sind von Pleitewellen in besonderem
Maße bedroht - so kann eine eingegangene vertragliche
Archivierungsverpflichtung nicht erfüllt werden. Allenfalls in
Kooperation mit der Rechtsform der Stiftung, die den Stifterwillen
verewigt, wäre dergleichen denkbar. Unverzichtbar ist dabei zum jetzigen
Zeitpunkt die staatliche Stiftungsaufsicht, die allein die Ausführung
des Stifterwillens wirksam kontrollieren kann.

Das öffentlichrechtliche Pflichtexemplar ist dagegen ein prinzipiell
gangbarer Weg. Bereits heute gelangen CD-ROM-Publikationen deutscher
Verlage in Die Deutsche Bibliothek und werden dort in einer Weise
archiviert, die nach derzeitigem Kenntnisstand eine langfristige
Erhaltung sicherstellt. Gleiches gilt für elektronische Dissertationen
und Habilitationen. Bei Online-Publikationen ist Die Deutsche Bibliothek
zwar noch nicht so weit, doch ist sie entschlossen, ihren Sammelauftrag
auch in diesem Bereich wahrzunehmen. In anderen Ländern ist man zwar
wesentlich weiter, was Überlegungen und praktische Umsetzung der
Archivierung des Internets angeht [3], doch kann man nicht behaupten,
daß die deutschen Bibliotheken den Problemkreis "elektronisches
Pflichtexemplar" nicht wahrnehmen [4]. Im Augenblick ist diese
Möglichkeit jedoch nur für Verlagspublikationen gegeben, wobei die
Urheber natürlich darauf achten und nötigenfalls vertraglich
festschreiben lassen sollten, daß die Edition tatsächlich den
zuständigen Pflichtexemplarbibliotheken in elektronischer Form
abgeliefert wird.

Viele Hochschulbibliotheken unterhalten inzwischen
Hochschulschriftenserver, auf denen meistens nur elektronische
Dissertationen und Habilitationen veröffentlicht werden können. Einige
Bibliotheken bieten aber darüberhinaus den betreffenden
Hochschulangehörigen die Möglichkeit, weitere wissenschaftliche
Publikationen langfristig der Wissenschaft zugänglich zu machen [5].
Soweit ich sehe, wurden aber bislang keine einschlägigen Editionen
eingestellt. Für die nichtuniversitäre Editionstätigkeit stellen Server,
die für Hochschulangehörige reserviert sind, natürlich keine Lösung dar.

Wird Archiv- oder Bibliotheksgut ediert, so bestehen in Zukunft wohl
nicht selten gute Chancen, die entsprechende Institution zur Übernahme
eines digitalen "Belegexemplars", das dauerhaft der Benutzung zugänglich
ist, zu bewegen. Einen Rechtsanspruch auf Übernahme in maschinenlesbarer
Form sehe ich aber noch nicht.

Für Editionen, die ein "work in progress" darstellen oder laufend
ergänzt werden sollen, sind  andere Modelle zu entwickeln. Ein
nichtkommerzieller Wissenschafts-Server, angebunden an eine Bibliothek
oder eine Stiftung, könnte Editionen dauerhaft verfügbar halten und
durch die Protokollierung von Änderungen die Authentizität der Dokumente
sichern. Durch vertragliche Regelungen wäre ein Ausgleich zwischen dem
Interesse des Editors, sein wissenschaftliches Werk pietätvoll auch nach
seinem Tod bewahrt zu wissen (im Sinne eines "Denkmalschutzes" des
editorischen Nachlasses), und dem Interesse der Wissenschaft, die
bestehende Editionen verbessern und aktualisieren möchte, herzustellen.
Das Urheberrecht an jenen Teilen der Edition, die als wissenschaftliches
Werk (§ 2 UrhG) geschützt sind, endet 70 Jahre nach dem Tod des
Urhebers. Über diese Frist hinaus könnte ein Editions-Server die Edition
in der vom Editor gewählten authentischen Ausgabe "letzter Hand",
vorbehaltlich technisch notwendiger Konvertierungen, dokumentieren und
zugleich das Andenken an den Editor pflegen. Zugleich könnte ein solcher
Archivserver auch solche Editions-Materialien verwalten, die früher
unpubliziert geblieben wären.

[1] Abhilfe versprechen im Fall der Adressenänderung Überlegungen zu
"Persistent Identifier", vgl. Christel Hengel-Dietrich, Persistent
Identifier für digitale Ressourcen, in: Zeitschrift für Bibliothekswesen
und Bibliographie 47 (2000), S. 81-86.

[2] Vgl. Michael Trauth, Das Web-Paradigma. Alte Wissenschaft im Tor zur
schönen neuen Welt, in: "Das Wichtigste ist der Mensch". Festschrift für
Klaus Gerteis zum 60. Geburtstag, hrsg. von Angela Giebmeyer/Helga
Schnabel Schüle, Mainz 2000, S. 181-208 (Wolfgang Schmid danke ich für
die Zusendung dieses Aufsatzes).

[3] Vgl. dazu den aktuellen Überblick von Gail M. Hodge, An Information
Life-Cycle Approach:  Best Practices for Digital Archiving, in: The
Journal of Electronic Publishing 5 (2000), issue 4, online:
http://www.press.umich.edu/jep/05-04/hodge.html (eingesehen 27.7.2000).
Die beste Website mit weiterführenden Links bietet die australische
Nationalbibliothek: PADI - Preserving Access to Digital Information:
http://www.nla.gov.au/padi (eingesehen 28.7.2000).

[4] Vgl. den Vortrag von Harald Müller, Elektronisches
Pflichtexemplarrecht oder das Recht des Bürgers auf ungehinderten
Zugriff zu elektronisch gespeicherten Informationen,  1998, online:
http://www.eblida.org/copenhagen/mullerpa.htm (eingesehen 27.7.2000),
und die Ausführungen des Direktors der Deutschen Bibliothek Klaus-Dieter
Lehmann, Das elektronische Pflichtexemplar - die Rolle der
Nationalbibliothek, 1998, online:
http://archiv.ub.uni-bielefeld.de/veranstaltungen/1998/bielefeld.kolloquium.4/0005.htm
(eingesehen 27.7.2000). Vom Juli 2000 datiert eine Erklärung der
europäischen Nationalbibliotheken über eine freiwillige Abgabe:
International declaration on the deposit of electronic publications,
online: http://www.ddb.de/aktuell/epubstat.htm (eingesehen 27.7.2000).

[5] Vgl. die vorzügliche Übersicht der Düsseldorfer Virtuellen
Bibliothek, online: http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/ulb/univhs.html
(eingesehen 27.7.2000).

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