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Re: Symposion zum Informationsbegriff
- Date: Wed, 07 Jun 2000 09:43:53 +0200
- From: "Prof. Dr. Walther Umstätter" <h0228kdm _at__ rz.hu-berlin.de>
- Subject: Re: Symposion zum Informationsbegriff
> Bernhard Eversberg wrote:
> > Die Klaerung der Begriffe, mit denen wir umgehen, scheint wohl wirklich
> > dringend. Die Aussichten, dass es gelingt, vermutlich jedoch gering.
> >
> > "Information" wird heute in mindestens drei Bedeutungen verwendet:
> >
> > A Synonym fuer "Daten"
> > Das ist wohl die am wenigsten sachgerechte Verwendung des Wortes.
> > Meistens ist geordnetes, strukturiertes Datenmaterial gemeint, jedoch
> > ohne Zusammenhang mit einem Subjekt.
Das ist bezüglich des häufigen Sprachgebrauchs richtig, aber von der
Informationstheorie her eindeutiger. Daten enthalten neben Information auch
Redundanz und Rauschen. Letztere können bei der sog. Datenkompression reduziert
werden, was bei der Datenübertragung im Internet bekanntlich eine große Rolle
spielt. Unterscheiden sollte man dabei die Datenabstraktion, bei der auch
Information verlorengeht (z.B. bei Bildern JPEG-Bildern).
> > B im subjektiven Kontext steht "Information" fuer etwas, das
> > mich "informiert". Eine japanische Zeitung bietet mir z.B. keine
> > Information, einem Japaner aber sehr viel. Ferner: eine Zeitung
> > von gestern bietet mir heute viel weniger Information, obwohl
> > die Menge an Schriftzeichen dieselbe ist wie gestern.
Auch dies ist ist in der Informationstheorie eindeutig. Wenn Sender und Empfänger
nicht exakt den gleichen Zeichensatz (japanisch bzw. deutsch) verwenden
kommunizieren sie nicht. Auch hinsichtlich der Zeitung von gestern ist der Fall
klar, weil die Information von gestern, heute weitgehend zu Redundanz geworden
ist, wir kennen sie schon.
> > C Die "Informationstheorie" sieht Information schlicht als einen
> > Strom von Symbolen und befasst sich mit der Frage, wie man so etwas
> > messen und mit welchen Prozeduren man es mit hoher Sicherheit
> > durch Kanaele uebertragen kann. Hier laesst sich der Gehalt einer
> > japanischen Zeitung exakt messen, nur was man da misst, ist etwas
> > anderes als der unter B gemeinte Gehalt. Hiermit haengt vermutlich
> > die Vorstellung zusammen, "Information" sei etwas Gleichrangiges neben
> > Materie und Energie.
Der Bezug, das Information etwas Gleichrangiges neben Materie und Energie ist
ergibt sich genauer aus der Feststellung, dass Shannon auf Botzmann (1894)
zurückgegriffen hat, der schon erkannt hatte, dass Entropie einen Mangel an
Information darstellt. Ansonsten hatte Norbert Wiener auf diese Gleichrangigkeit
hingewiesen, weil er die große Bedeutung von Information in der gesamten belebten
Welt erkannt hatte, während J. von Neumann ihre Bedeutung in der Quantenmechanik
und Shannon, die in der Datenübertragung untersuchte.
>
> > A ist demnach ueberfluessig und irrefuehrend, C ist ein Missverstaendnis. In
> > der Tat waehlte Claude E. Shannon, der Begruender der sog.
> > "Informationstheorie", fuer sein beruehmtes Papier 1948 den Titel "A
> > mathematical theory of communication" und meinte nichts anderes als oben
> > unter C ausgedrueckt. Von "Information" sprach er ganz bewusst nicht, das
> > wurde spaeter erst aufgepfropft.
Das ist leider falsch, Shannon spricht durchaus von Information, in dem 1949 und
1963 wiederholt abgedruckten Paper, das eine wichtige Einleitung von W. Weaver
erhielt. Kommunikation ist die Übertragung von Information (und Redundanz), von
einem Sender zu einem Empfänger, bei der durch Störungen auf dem
Übertragungskanal (aus Information bzw. Redundanz) Rauschen entsteht. Es gibt
keine Kommunikation ohne Information, deshalb hat man später immer öfter von
Informationstheorie gesprochen.
> > "Information" als (immer subjektbezogenen) *Vorgang* zu begreifen
> > (Datenaufnahme mit Einordnung in vorhandenes Wissen oder Bildung von neuem
> > Wissen, koennte man z.B. sagen), das waere m.E. sachgerecht. (Das Subjekt,
> > nebenbei, kann auch eine Maschine sein.)
Das ist eine sehr wichtige Feststellung, dass Kommunikation immer Subjektiv ist,
diese Aussage selbst ist aber höchst objektiv, weil sie die Kommunikation von
Molekülen, über Pflanzen, Tiere, Menschen, Gesellschaftsgruppen bis hin zu Welten
exakt gleich beschreibt. Das ist das fundamentale an ihr.
> > Durchsetzen wird sich dies nicht. Wenn wenigstens in unseren Kreisen aber die
>
> > Bedeutungen A B C stets sauber auseinander gehalten wuerden, waere schon
> > was gewonnen.
Genau das ist auch mein anliegen. Dabei scheint mir wichtig, dass wir drei Arten
des Verstehens unterscheiden müssen:
1. Das Verstehen auf der Ebene der Informationstheorie im Sinne des, das habe ich
akustisch verstanden.
2. Das Verstehen auf der Ebene der Bedeutung von Worten. Dieses Verstehen hat
nichts mit der Informationstheorie zu tun, wie schon Shannon und Weaver
feststellten. Dies kann nur durch semiotische Thesauri (Schwarz, I. / Umstätter,
W.: Die vernachlässigten Aspekte des Thesaurus: dokumentarische, pragmatische,
semantische und syntaktische Einblicke. nfd Information - Wissenschaft und Praxis
50 (4) S. 197-203 (1999)) bzw. durch sog. semantische Netze erfolgen. Hier liegen
die häufigsten Missverständnisse, obwohl dies von Anfang an klar war.
3. Das Verstehen auf der Ebene des Wissens, bei dem wir eine Nachricht auf ihren
Zuverlässigkeitsgrad prüfen, in dem wir die Begründung für eine erhaltene
Information nachvollziehen. Z.B. die beiden Sätze: "Information darf nicht mit
Interpretaion verwechselt werden. Haben Sie das verstanden?" kann man auf der
Ebene der Datenübertragung bejahen, auf der inhaltlichen Ebene, wenn man erkennt,
dass Interpretation etwas mit Hermeneutik, mit Semiotik, mit Unschärfe, etc. zu
tun hat, während Information in die Begriffswelt von Redundanz, Rauschen,
Nachricht etc. gehört, und man kann es im Rahmen der Inforamtionstheorie
verstehen
MfG
Umstätter
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