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Re: Dissertationen Online und/oder Printexemplar?



Sehr geehrter Herr Umstaetter,

am Mon, 21 Feb 2000 06:48:33 +0100 antworteten Sie mir

> Um es kurz zu sagen. Die Verwissenschaftlichung unserer Gesellschaft (die
> Big Science) führt immer stärker dazu, dass wir Probleme wissenschaftlich
> lösen. Lediglich die Probleme die trotzdem offen bleiben, müssen
> demokratisch entschieden werden.

Ihre Aussage koennte so verstanden werden, dass Problemloesung auf wissenschaftlicher Grundlage unvermeidlich zu Ergebnissen fuehre, die unbestreitbar seien, so dass eine demokratische Legitimation dieser Loesungen nicht mehr notwendig sei, waehrend demokratische Entscheidungen zunehmend marginale Bedeutung erlangten.

In "Eine neue wissenschaftliche Basis für die Digitale Bibliothek. W. Umstätter; Password 10/94 S.16-17 (1994)" schrieben Sie:

> Man kann Wissen nicht durch mehrheitlichen Dilettantismus ersetzen.
> Das ist auch nicht der Sinn einer demokratischen Entscheidung, die
> lediglich dazu dient festzustellen, welche Interessen mehrheitlich
> vorherrschen. Um aber ein Interesse bekunden zu können, fehlt es
> uns im ABD-Bereich nicht selten an Kenntnissen darüber, welche
> Möglichkeiten und Gefahren die Digitale Bibliothek und ihre
> Informationslogistik mit sich bringt.

Ihren Worten entnehme ich, dass Interesse nur auf der Basis von Wissen bekundet werden kann, das nur vom Gegenpol des Dilettantismus, naemlich der Wissenschaft zu erwarten ist. En passant verknuepften Sie die (demokratische) Mehrheit mit dem Dilettantismus, so dass die demokratische Legitimation eines wissenschaftlich begruendeten Interesses zur absurden Vorstellung wird.

Klingt wie das Plaedoyer fuer eine "benevolent dictatorship" der Wissenschaft, auf die ich jedoch angesichts der unbestreitbaren "Loesungen", an denen Wissenschaftler in der Geschichte schon mitgewirkt haben, gern verzichte.

Mit Ihrer pauschalen Formulierung

(weil das Bibliothekswesen in Deutschland zu wenig von der
Wissenschaft und zu stark von Demokratie bestimmt ist)

trafen Sie nicht nur das wissenschaftliche Bibliothekswesen, sondern ebenso die oeffentlichen Bibliotheken, von denen ich in den letzten Jahrzehnten allerdings nur gelegentlich den Eindruck hatte, dass sie sich auch als Ort demokratischer Auseinandersetzung und kontroverser Meinungsbildung zu Gegenwarts- und Zukunftsfragen der Gesellschaft verstehen. Es wuerde allerdings zu weit fuehren, an dieser Stelle darueber zu streiten, ob das deutsche Bibliothekswesen eher zu schwach als zu stark von Demokratie bestimmt ist.

mfG
Michael Motylewski



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