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Donaueschingen: dies ater
Mit deutlichen Worten geisselt aus Anlass der heutigen Versteigerung
Donaueschinger Buecher in Koenigsstein Volker Schupp die Versaeumnisse
der Stuttgarter Landesregierung.
Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf/#kulturgut
***
Aus der Badischen Zeitung vom 20.10.1999
Die Hofbibliothek Donaueschingen wird versteigert - Unterlassene
Hilfeleistung von der Landesregierung?
Niederlage im Kampf um ein Kulturgut
Heute um 9.30 Uhr beginnt in Königstein im Taunus die Auktion 68 "Aus
einer süddeutschen Fürstenbibliothek Teil I". Und
während die Universität die Eröffnung des Akademischen Jahres feiert,
schwimmen ihr die Felle davon. Es handelt sich um
den historischen Bestand der F. Fürstenbergischen Hofbibliothek
Donaueschingen. Damit endet wieder einmal ein Kapitel
im Kampf um ein Stück des Kulturgutes in Baden-Württemberg ? als
Niederlage. Die Landesregierung hat nichts getan, den
Schaden abzuwenden. Unterlassene Hilfeleistung?
Der Versteigerungskatalog umfaßt 1101 Nummern, gegliedert in Kapitel
wie Alte Drucke, Literatur-Philosophie, Geographie,
Naturwissenschaften, Deutschland, darunter auch Landeskun-de,
Geschichte et cetera. Als Prachtstück ist mit Bild hervorgehoben der
?Theuerdank?, die Brautfahrt des Kaisers Maximilian zu Maria von
Burgund, als allegorischer Versroman von ihm, dem ?letzten Ritter?,
selber entworfen, und mit Holzschnitten von Hans Burgkmair und andern
bekannten Künstern der Zeit geschmückt, gedruckt 1519.
Es ist eines der wenigen Exemplare, die auf Pergament gedruckt sind
und nimmt so eine interessante Stellung ein in der Ablö-sung
des mittelalterlichen Handschriftenbetriebs durch den Druck. Von 300
000 Mark an kann man mitbie-ten. Dergleichen Zimelien, mögen
sie auch im Katalog besonders hervorgehoben werden, kennzeichnen aber
nicht allein den wissenschaftlichen und kulturellen Wert der
Bibliothek.
Über sie gab es unterschiedliche Einschätzungen. Während der Katalog
von der ?Vielfalt einer über Jahrhunderte hinweg gewachsenen
Adelsbibliothek? schwärmt, war in der Presse, der
Hofber-ichterstattung der Fürstenberger und des Ministeriums für
Wissenschaft und
Kunst von einem ?Schriften-Sammelsurium? die Rede, das seit den 20-er
Jah-ren nicht mehr systematisch gepflegt worden sei. Viele
Bücher wären im Besitz des Landes zu Duplikaten geworden. (Wie viele
Unikate dabei waren, weiß allerdings niemand.) Das Land hat
also den Erwerb, für den angeblich knapp acht Millionen hätten
aufgebracht werden müssen, abgelehnt.
Die beiden Argumente mögen sogar stimmen. Was in Donaueschingen seit
Beginn des Jahrhunderts angeschafft wurde, mag so
sensationell nicht sein, aber bei den Duplikaten hätte man
be-rücksichtigen können, daß öffentliche Bibliotheken wie die
Landesbibliothek Karlsruhe große Kriegsverluste erlitten haben und daß
es neugegründete Universtätsbibliotheken mit geringen
histo-rischen Beständen gibt wie Konstanz. Eine Dublette kann
langfristig billiger sein als der auswärtige Leihverkehr.
Aber darum geht es ja nicht eigentlich. Es geht um die Sicherung einer
Sammlung die (in Teilen) eine Kontinuität von Jahrhunderten
aufzuweisen hat, einen gewachsenen Bestand, der im südwest-deutschen
Raum verwurzelt ist, wie es im Geleitwort des
Ministerpräsidenten zur Handschriftenausstellung ?Unberechenbare
Zinsen? von 1993 hieß. Diese Verwurzelung gilt auch für die Drucke.
Der Umgang mit dieser Bibliothek war von Anfang an durch
Merkwürdigkeiten gekennzeichnet und stellt kein Ruhmesblatt für die
Kulturpolitik dar. Es begann 1982 mit einer Versteigerung von 20
kostbaren Handschriften aus der Fürstenberg-Bibliothek, die für
berechtigte Aufregung sorgte und die Ministerien mit der Sicherung
beweglicher Kulturdenkmäler konfrontierte. Dem Drängen nach
besseren gesetzlichen Regelungen begegnete der damalige
Wissen-schaftsminister mit dem Glauben, dass auf lange Sicht der Appell
an das Verantwortungsbewußtsein wirksamer ist als gesetzliche und
administrative Regelungen.
Immerhin konnte das Land die noch in Donaueschingen verbliebenen
Handschriften kaufen, angesichts unterbliebener rechtlicher
Schritte eine Notwendigkeit, die seither (mit einigem Recht) als
Großtat zu rühmen die Politiker nicht müde werden.
Um so ärgerlicher war das eklektische Verhalten bei der Versteigerung
der Inkunabeln (1994). Auch damals hat man Duplikate
vermieden und nur Lücken in anderen Bibliotheken gefüllt. Man hat in
Kauf genommen, dass etwa der ge-schlossene Bestand des
Franziskaner-klosters Villingen aufgelöst wurde. Bemerkenswert daran
ist, dass dieser aus der josephinischen Aufhebung des Klosters
stammte. Hätte es da nicht einen anderen moralischen Anspruch gege-ben
als bei einer selbst angelegten Sammlung? Hätte sich nicht
jemand als Treuhänder (für Villingen) fühlen sollen? Die Stadt
Villingen, die sich durch das Verfahren brüskiert fühlt, hat zu einer
Spendensammlung aufgerufen.
Als nun der Verkauf der restlichen Bücher bekannt wurde, waren die
Packer schon an der Arbeit. Die Öffentlichkeit hat nichts davon
gewußt, es hat keine Diskussion stattgefunden. Die Geheimniskrämerei
wurde durch Plazebos unter-stützt. Das Land wollte die
Musikalien ankaufen und opferte deswegen den Rest. Bis heute ist
unklar, worin diese bestehen, ob Autographen (Mozarts und
Konradin Kreutzers) dazugehören oder nicht. Da kaum einer die
Bedeutung der Donaueschinger Musikalien einschätzen kann und den
Bestand wirklich kennt, auch niemand etwas gegen die Rettung der
Zeugnisse einer nun vergangenen Musikkultur in Donaueschingen
einzuwenden hat, fiel es leichter, den Druckschriftenbestand madig zu
machen; das ?Sammelsurium?, das auch noch von kaum jemand
benützt wurde.
Vor allem dazu musste ein Gutachten zweier Beamter der
Württembergischen Landesbibliothek herhalten, das die Sammlung Laßberg
nicht erwähnte. Freilich hat dieses Gutachten kein Außenstehender
gesehen. Überdies stammt es aus der Zeit, als noch die
Handschriften und Inkunabeln in der Bibliothek waren. Niemand sagt,
welches die Gesichtspunkte der Bewertung waren.
Wahrscheinlich solche des Antiquariatsmarktes, aber nicht die der
Verwurzelung im Lande, der Provenienzen, der Wissenschaft.
Erst durch die Diskussion in der Zwischenzeit, in der die einen
bedauerten, dass es hier nicht die sozialistische Lösung durch
Verstaatlichung gegeben hat, die andern eine Not-Inventarisierung
forderten, ist der besondere Status dieses ?Sammelsuri-ums? in der
Öffentlichkeit etwas deutlicher geworden. Dabei hätte man nur im
Ausstellungskatalog ?Unberechenbare Zinsen? den Artikel von Felix
Heinzer zu lesen brauchen ?Zur Geschichte der F.F.
Handschriftensammlung?; das dort Ausgeführte gilt auch für die
gedruckten
Bücher.
Demnach ist die Donaueschinger Bibliothek zusammengewachsen aus den
Beständen der übrigen Residenzen der Fürstenberger und
der in ihnen aufgegangenen Linien. Eigentlich ist die Hofbibliothek in
den älteren Beständen die Landesbiblio-thek des katholischen
Südwestens. Sie enthält nicht nur aus bibliophilem oder literarischem
Interesse entstandene Sammlungen, sondern auch die
Verwaltungsbibliotheken der betreffenden Territorien. Sie sind, wie
dann später die 11 000 Bände der Sammlung Laßberg, in der
Systematik der Hofbibliothek aufgegangen, das heißt nicht nach ihrer
Herkunft aufgestellt, sondern nur im Gesamtkatalog (und im
Stuttgarter Zentralkatalog für den auswärtigen Leihverkehr)
nachweisbar.
Für die Einzelbibliotheken bestehen zum Teil die sogenannten ?Alten
Kataloge?, in Wahrheit ungenaue und sicher nicht komplette
Inventarverzeichnisse in Donaue-schingen. Für die Sammlung Laßberg gab
es nur ein Handschriften-Verzeichnis, aber die gedruckten
Bände hatten charak-teristische Signaturen auf Buch-rücken oder im
Deckel. Das Sammelsurium war also je nach Forschungsvorhaben
mit einiger Mühe durchschaubar. Man konnte mit Hilfe der
Inventarlisten zusammen mit Besitzereinträgen in den Büchern die
betreffende Teilbibliothek zum Sprechen bringen. Solche Forschungen
sind zur Personengeschichte und zum inneren Landesausbau
Für-stenbergs für die Juridica in eine m Sonderforschungsbereich der
Universität Tübingen gelei-stet worden, in Ansätzen auch bei
Laßberg zur Geschichte der frühen Germanistik.
Es ist leicht einzusehen, dass derglei-chen nach Auflösung des
Bestandes nicht mehr möglich ist. Der Wert der Bücher lag also nicht
in ihrem Markt-wert als antiquarische Exemplare, sondern in ihrem
erschließbaren wissen-schaftlichen Zusammenhang. Den hätte eine
Digitalisierung, wie von Klaus Graf gefordert (BZ vom 4.8.99), retten
können, vielleicht ist es für die erreichbaren Be-stände noch
möglich. Daß dies kein Hirngespinst ist, bestätigt eine Meldung, die
gerade dieser Tage durch die Presse ging, dass die Bibliothek des
Her-zogs von Ratibor in Korvey, eine der größten Privatbibliotheken,
durch Wissenschaftler der Universität Paderborn aufgenommen und
damit gesichert wurde.
?Nicht ohne Bedauern? stellt Felix Heinzer 1993 in seinem Artikel
fest, dass 1576 ein bedeutender Teil der Bücherbestände und 70
Handschriften an Erzherzog Ferdinand von Tirol nach Schloss Ambras
gingen. ?Zum Glück!? muß man schon heute sagen, denn diese
Handschriften und die 293 alten Drucke sind nun in der
Österreichischen Nationalbibliothek und durch ein Register durchaus
bekannt.
Ach, wären es doch noch mehr, oder hätte ein reicher Nabob alle
Druckschriften erworben und wo auch immer, im In- oder Ausland
aufgestellt.
Durch die öffentliche Diskussion in den letzten Wochen hat sich der
Eindruck festgesetzt, die Bücher Laßbergs seien, offenbar weil er
sie besessen und gelegentlich sein Wappen eingetragen hat, besonders
wertvoll. Nichts ist falscher, genau wie die anderen sind sie nur
bedeutender als andere Bücher, wenn sie in den einstigen Zusammenhang
auch mit den Handschriften eingefügt werden können. In der
Vereinzelung haben sie den üblichen Antiquariatswert.
Hat man das in Stuttgart nicht gewußt? Die Aussage, man habe eben kein
Geld, ist deswegen nicht akzeptabel, weil man sich offenbar
auch nicht bemüht hat, die Mittel anderweitig aufzutreiben. Man hat
wohlweislich den Deckel auf den Verhandlungen gehalten, damit
solche Forderungen erst gar nicht erhoben werden konnten. Für andere
Dinge hat man durchaus Mittel bereitstellen können,
beispielweise für die ?Geißelung Christi?, die dem Altar von 1450 in
der Karlsruher Kunsthalle gefehlt hat.
Jedermann sieht ein, dass ein Altar ein Ganzes darstellt, sollte man
nicht auch einsehen können, dass ein historisch gewordener
Bibliotheksbestand ein Ganzes ist und beieinanderbleiben muß? Die
Zerstreuung ist fast so, wie wenn die Nibelungenhandschrift C,
deren Erwerb sich offenbar auch keiner allein zumuten kann,
zer-schnitten und die Blätter einzeln ver-kauft würden. Sie wären
einzeln
teurer, aber erschwinglich, und sogar noch alle vorhanden, aber
niemand wüsste mehr, wo er sie suchen muß.
Während anderweitig verschleppte Bibliotheken zurückgebracht werden,
läßt man diese hier wegziehen. Man muß sich einmal
vorstellen, die Donaueschinger Bibliothek sei unter der sowjetischen
Kriegsbeute in Minsk ent-deckt worden. Was würden unsere
Landespolitiker sagen, um die Notwendigkeit ihrer Rückführung zu
begrün-den . . .
Auf den Vorwurf, mit veralteteten Gutachten gearbeitet zu haben, hat
der Wissenschaftsminister kürzlich verlautbart, das stimme nicht,
das Land habe 1998 ein Gutachten erstellen lassen, aus ihm gehe auch
hervor, daß 25 000 der Bände ?über ihren Marktwert hinaus von
wissenschaftlichem Interesse und großer Bedeutung für die
Landesgeschichte? seien. Man traut seinen Augen nicht. Davon war bisher
nicht die Rede, daß das Sammelsurium aus Dubletten so hoch taxiert
wurde. Wo war dieses Gutachten bisher? Hat es bei der
negativen Entscheidung denn keine Rolle gespielt? Warum hat der
Minister nie davon Gebrauch gemacht? Hat er es nicht gekannt oder
hinter dem Berg gehalten, um weniger unter den Druck der öffentlichen
Meinung zu geraten? Hier tut sich eine Glaubwürdigkeitslücke
auf.
Auf einen Antrag des SPD-Abgeordneten Herbert Moser unter anderem, die
Landesregierung möge eine Kommission von Fachleuten
bilden, um die Teile der Hofbibliothek zurückzuerwerben, die von
wissenschaftlichem Interesse sind, und dafür Mittel zur Verfügung
stellen, hat der Wissenschaftsminister geantwortet, die Kommission von
Fachleuten habe sich erübrigt, da die Landesregierung längst
Maßnahmen in die Wege geleitet habe. Die Details werden hinter der
notwendigen Diskretion verborgen. Eine große Zahl von
Wissenschaftlern der Universität Freiburg, aber auch anderer
Baden-Württembergischer Universitäten und Pädagogischer Hochschulen,
Historiker aus aller Welt, besonders auffallend auch tschechische
Historiker, die wissen, was die Fürstenbergische Bibliothek für die
böhmischen Lande bedeutet, und von regional Betroffenen aus der Baar,
die in der Lage sind abzuschätzen, was ein historisch
gewordener Bibliotheksbestand ist, hat sich einer Petition an den
Ministerpräsidenten angeschlossen, hier noch he lfend einzugreifen.
1680 wollten die Konstanzer Domherren eine Trinkstube einrichten. Es
bot sich an, dazu den oberen Stock der Sakristei zu verwenden.
Dort befand sich die Dombibliothek. Da man (wie in Donaueschingen)
auch kein Geld mehr ausgeben wollte, die Handschriften und
Bücher zu pflegen, die Bibliothek ohnehin im Wege war, wurde sie
verkauft. Wer heute wissen will, was die Domherren der größten
deutschen Diözese gelesen haben und was sie meinten, am Ausgang des
17. Jahrhunderts nicht mehr zu benötigen, braucht seine
Frage nicht mehr zu stellen. Von den Handschriften sind einige ans
Kloster Weingarten und von dort (durch die Säkularisation) in die
Württembergische Landesbibliothek gekommen wie die
Minnesingerhandschrift (B). Einen Kodex hat Joseph von Laßberg 150 Jahre
später bei einem Konstanzer Antiquar entdeckt. Er wurde 1982 bei der
ersten Fürstenberg-Versteigerung angeboten. In seinem Deckel
hatte man die Vetus-Latina-Fragmente aus dem 5. Jahrhundert gefunden,
Prophetentexte des Alten Testamentes vor der Über-setzung
des Hieronymus (Nr. 1 des Auktionskataloges).
Wo mögen sie hingekommen sein? Von den Druckschriften wird es wohl nur
noch Spuren geben. Wir haben keinen Grund, uns über
das Unverständnis der Domherren zu erheben; sie hatten kein
historisches Bewusstsein. In Donaueschingen sollen Wohnungen in den
Bibliotheksräumen eingerichtet werden, und die gesparten acht
Millionen mag die Landesregierung in die Trinkstube der Berliner
Landes-vertretung investieren.
Volker Schupp
Volker Schupp ist Ordinarius für Germanische Philologie und Altrektor
der Universität Freiburg.
Quelle: http://www.badische-zeitung.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.