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URECHT Web-Dok. 17/1999
Klaus Richter
Rechtsschutz für Internet-Domains
1. Einleitung
2. Domain-Namen
3. Vergabe von Internet-Domains
4. Wie erfährt man, ob ein Domain-Name bereits
vergeben ist?
5. Domain Grabbing
6. Rechtsschutz
7. Was tun im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung?
8. Links
1. Einleitung
Der Gebrauch des Internet steigt weltweit explosionsartig an, und je
größer die Zahl derer wird, die das Internet nutzen, desto mehr
werden auch Konflikte zwischen den einzelnen Benutzern entstehen. Bisher
sind Streitigkeiten und Dispute im Netz auf informellen Wege mit Hilfe
der sogenannten Netikette
gelöst worden. Doch diese Netikette sind von den Leuten aufgestellt
worden, die das Internet entwickelt haben, einem relativ kleinen Kreis
von Wissenschaftlern, Ingenieuren und auch Militärs. Mit der zunehmenden
Verbreitung des Internet über diese Personengruppen hinaus wird es
sich nicht mehr vermeiden lassen, Konflikte im Internet auch auf formalem
Wege, beispielsweise vor Gericht, auszutragen. So hat sich zum Beispiel
ein zunehmender Mißbrauch von Marken, Geschäftstzeichen, Namen
und anderen Kennzeichen als Internet-Domains eingestellt, so daß
inzwischen sogar Privatpersonen und Unternehmen versuchen, sich durch die
Registrierung von Internet-Domains wirtschaftliche Vorteile zu erlangen.
Der Beitrag wurde für die Zeitschrift Web-Master
geschrieben und wendet sich in erster Linie an juristische Laien.
2. Domain-Namen
Damit das Internet richtig funktionieren kann, müssen die zahlreichen
Benutzer oder Computer nicht nur lokalisierbar, sondern auch unterscheidbar
sein. Diesem Zweck dienen die "Internetworking Protocol Addresses"
(IP addresses), die aus einer längeren Ziffernfolge bestehen, beispielsweise
134.96.181.62. So praktisch IP-Adressen
sein mögen, sie sind ganz und gar nicht benutzerfreundlich, so daß
sie symbolische Anschriften als Synonym erhalten haben. Diese symbolischen
Anschriften nennt man Internet-Domains, Domain-Namen oder einfach nur Domains.
Ein Beispiel: http://www.flightsim.com.
Von rechts nach links gelesen, werden hier der Top-Level-Domain, der
Second-Level-Domain, der Server und das Übertragungsprotokoll ("Hyper
Text Transfer Protocol") bezeichnet. Der Top-Level-Domain zeigt dabei
an, zu welcher Organisation, Firma oder zu welchem Land die Adresse gehört.
Der Second-Level-Domain kann beliebig bezeichnet werden und gibt oft Hinweise
auf das, was man unter dieser Adresse findet ("flightsim" indiziert
beispielsweise eine Site zum Microsoft
Flight-Simulator). Die oben genannte Domain-Adresse ist nicht kommerziell,
doch es gibt Unternehmen, die durch eine ihrem Firmennamen entsprechende
Domain-Adresse im Internet Präsenz zeigen und im Internet Werbung
mit ihren Produkten machen. Um so mehr liegt es diesen Unternehmen daran,
ihren Firmennamen vor dem unberechtigten Zugriff durch Dritte - Privatpersonen
oder Konkurrenzfirmen - zu schützen.
3. Vergabe von Internet-Domains
Das Internet kennt, anders als Online-Dienste wie Compuserve und AOL,
keinen zentralen Betreiber, auch wenn die Internet Society (ISOC) in bestimmten
Umfang administrative Aufgaben wahrnimmt und verschiedene Aufgaben auf
andere Institutionen delegiert hat. So ist für die Vergabe von Internet-Adressen
die Internet Assigned Numbers Authority
(IANA) zuständig. Für die USA vergibt das Internet
Network Center (InterNIC) IP-Adressen und Domains, die gleiche Aufgabe
wird in Europa von RIPE-NCC und in Asien
von APNIC wahrgenommen. Network Solutions Inc. (NSI) vergibt im Auftrag
von InterNIC Top-Level-Domains nach dem Prioritätsprinzip und jeweils
nur einmal. Die Vergabe von Domain-Adressen durch NSI hat vorallem nach
der Einführung der NSI
Domain Name Dispute Policy zu mehreren Rechtsstreitigkeiten geführt.
Second-Level-Domains mit dem Country-Code "de" werden durch das
DE-NIC der Universität Karlsruhe verwaltet,
das im deutschsprachigen Raum eine Monopolstellung einnimmt - sicher nicht
immer zum Vorteil derer, die einen Domain-Namen beantragen wollen.
4. Wie erfährt man, ob ein Domain-Name
bereits vergeben ist?
Wenn man herausfinden möchte, ob ein Domain-Name bereits anderweitig
vergeben ist, kann man sich darüber bei dem WHOIS-Server
oder bei DE-NIC informieren.
Wer auf dem allerneuesten Stand sein will, dem sei empfohlen, durch Eingabe
einer URL die Homepage unter einer bestimmten Anschrift einfach probeweise
anzuwählen.
5. Domain Grabbing
Da NSI einen Domain-Namen nur einmal vergibt, kam es in den USA zum
sogenannten "Domain-Grabbing":
Privatpersonen und Firmen versuchten gezielt, durch Registrierung von Firmennamen
als Domain-Adressen wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. In manchen Fällen
wurden die Domains dann auch verwendet, in anderen hingegen nur reserviert
und damit für die Nutzung durch andere blockiert. Presseberichten
zufolge soll in den USA der Privatmann Jim Cashel insgesamt 18 Namen von
Zeitschriften und Firmen als Domains registriert haben. Dennis Toppen soll
es sogar gelungen sein, mehr als 200 Domains zu registrieren, darunter
so prominente wie lufthansa.com.
Dies zog zahlreiche Rechtsstreitigkeiten nach sich, zum Beispiel MTV
Networks vs. Curry oder McDonalds
Corp. vs. Quittner. Hierzulande zeichnet sich eine ähnliche
Entwicklung ab. Sogenannte "Domain-Börsen" verlangen unter
Hinweis auf den angeblich rechtsfreien Raum eine Abstandssumme für
die Überlassung einer Domain-Bezeichnung, die Zahlung von Lizenzgebühren
für die Nutzung von Internet-Adressen oder die Vergabe von Aufträgen.
Ein zusätzliches Angebot macht der "Domain-Markt":
ähnlich wie bei einer Börse kann der Nutzer eine Domain, die
er sich hat reservieren lassen, aber nicht benutzen möchte, zum Kauf
anbieten. "Domain-Markt" bietet dabei seine Vermittlung an und
erhebt bei erfolgreichem Verkauf Vermittlungsgebühren. Die Reservierung
einer Domain war bei DE-NIC bis
zum Februar 1997 möglich, die Reservierungsfrist betrug dabei sechs
Monate. "Domain-Markt" ermöglichte die Verlängerung
der Frist um zwölf Monate durch die Einrichtung eines rein technischen
Name-Servers. DE-NIC nimmt wegen zahlreicher Mißbrauchsfälle
seit Februar 1997 keine Reservierungen mehr vor, bisher bestehende aber
bleiben bis zum Ablauf der Reservierungsfrist wirksam bestehen. Auch wenn
"Domain-Markt" auf seiner Begrüßungsseite
meint "Aussagekräftige Domain-Namen werden immer knapper,
denn viele Domains sind bereits reserviert - und werden doch nicht benutzt"
und damit suggeriert, man könne sich noch Domains reservieren lassen:
es ist nicht mehr möglich !
Daß es sich hier keineswegs um einen rechtsfreien Raum handelt,
wie manche meinen, beweisen zahlreiche Gerichtsentscheidungen. Eine der
wichtigsten stammt vom Landgericht
Mannheim ("heidelberg.de", Az: 7 O 60/96; NJW 1996,
2736-2737), zahlreiche weitere Entscheidungen sind seitdem ergangen, von
denen hier nur einige genannt werden können:
Landgericht
Köln, Az: 3 O 477/96 ("kerpen.de"); Landgericht
Lüneburg, Az: 3 O 336/96 ("www.celle.de", "www.celle.com");
Landgericht Frankfurt,
Az: 2-06 O 633/96 ("das.de").
Die Entscheidungen der Gerichte fielen unterschiedlich aus: bis auf
das Urteil des Landgerichts Köln ordneten die Gerichte den Verzicht
auf die Domain-Adressen unter Berufung auf § 12 BGB (Namensrecht)
oder § 249 BGB (Schadensersatz) an. Dabei ist die Rechtsprechung
der Gerichte nicht einheitlich, manchesmal erscheint sie sogar geradezu
hahnebüchen (Beispiel: Urteil des Landgerichts
Bochum vom 24. April 1997 - "krupp.de").
6. Rechtsschutz
Wie kann man sich gegen die Verwendung seines Namens als Adresse für
eine www-Homepage zur Wehr setzen? Diese Frage ist äußerst komplex
und unmöglich auf dem knappen Raum, der hier zur Verfügung steht,
detailliert zu beantworten. Daher sollen kurze Stichworte genügen.
Ein erstes Problem ist die Internationalität des Internet.
Es stellt sich also beispielsweise die Frage, ob McDonalds in den USA sich
dagegen zur Wehr setzen kann, wenn sich jemand hierzulande die Homepage
"www.mcdonalds.com" und die email-Adresse "ronald _at__ mcdonald.com"
zulegt (so geschehen in dem Rechtsstreit McDonalds Corp. vs. Quittner).
Wenn ja - welches Gericht wäre zuständig? Wie ist die Zuständigkeit
zu beurteilen, wenn eine Webseite im Ausland gewerbliche Schutzrechte im
Inland verletzt? Kann man hier vor einem deutschen Gericht einen Prozeß
führen, weil die Webseite im Inland abrufbar ist? Und welches Recht
ist überhaupt anwendbar? Diese Fragen lassen sich - in Kürze
- wie folgt beantworten:
Für die Zuständigkeit eines Gerichts in Zivilsachen
gilt grundsätzlich § 12 ZPO: "Das Gericht, bei
dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle
gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine
Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist".
Werden gewerbliche Schutzrechte durch Internet-Domains verletzt, ergibt
sich die Zuständigkeit des Gerichts aus § 32 ZPO: "Für
Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen
Bezirk die Handlung begangen ist". Das gilt auch dann, wenn sich
eine Web-Site, die mit deutschem Markenrecht kollidiert, im Ausland befindet,
denn diese Sites können in aller Regel im Inland abgerufen werden.
Voraussetzung ist allerdings auch, daß die Web-Site für den
deutschen Markt bestimmt ist. Ist das nicht der Fall, bleibt in aller Regel
nur die Klage vor einem Gericht im Ausland. Ist eine Klage eingereicht
worden, stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Recht. Hier sollen
in aller Kürze die möglichen Anspruchsgrundlagen genannt werden.
Aus dem Markenrecht kommen § 14 II MarkenG und § 15
II, III MarkenG in Betracht. Eine unbefugte Verwendung von Namen durch
Internet-Domains kann durch § 12 BGB (Namensrecht) rückgängig
gemacht werden - manche der oben genannten Gerichtsurteile stützen
sich auf diese Norm. Kennzeichen, die nicht unter den Schutz des MarkenG
und des § 12 BGB fallen, sind zwar grundsätzlich frei
verwendbar, doch können unter bestimmten Voraussetzungen wettbewerbsrechtliche
Ansprüche (§§ 1, 3 UWG) in Betracht kommen. Ist der
Anspruchsgegner eine Privatperson, bleibt zuletzt noch ein deliktsrechtlicher
Anspruch aus § 826 BGB. Dieser setzt jedoch nicht nur einen
Verstoß gegen die "guten Sitten", sondern auch Vorsatz
voraus. Und gerade dieser dürfte in aller Regel nur schwer nachweisbar
sein. Die Umstände des Einzelfalles entscheiden, ob der Anspruchssteller
auch gegen den rechtlich vorgehen kann, der die Domain-Adressen vergeben
hat, also beispielsweise InterNIC
oder NSI. Die Vergabestellen haften jedenfalls dann, wenn ihnen die Rechtsverletzung
bekannt war oder sie sie hätten erkennen müssen. Letzteres ist
in aller Regel dann der Fall, wenn bekannte Marken oder Geschäftsbezeichnungen
vergeben werden (beispielsweise "McDonalds"). NSI hat
mit seiner Domain
Name Dispute Policy versucht, die Verantwortung für die Kenntnis
einer Rechtsverletzung auf denjenigen abzuwälzen, der eine Domain-Adresse
anmeldet: er muß erklären, daß die beantragte Domain-Adresse
nicht in Rechte Dritter eingreift und er keine gesetzeswidrigen Zwecke
verfolgt. Die Verantwortung für die Wahl einer Domain liegt beim Antragsteller,
und er muß die Vergabestelle von Schadensersatzansprüchen Dritter
freistellen. In die gleiche Richtung gehen übrigens auch die Vergaberichtlinien
von DE-NIC.
7. Was tun im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung?
Für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung empfiehlt der
Frankfurter Rechtsanwalt Thomas Ubber: "Der Anspruchssteller sollte
neben der Unterlassung der Domain-Nutzung auch die Einwilligung in die
Löschung der eingetragenen Domain gegenüber dem Vergabeinstitut
verlangen. Eine derartige Erklärung gilt dann als mit Rechtskraft
abgegeben. Im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens empfiehlt es sich, vom Anspruchsgegner
eine Zustimmungserklärung gegenüber der Registrierungsstelle
dergestalt zu verlangen, daß die Domain-Adresse auf den Anspruchsteller
"übertragen" werden kann oder eine entsprechende Löschungsbewilligung
erst zeitgleich mit dem eigenen Registrierungsantrag einzureichen. Dies
ist erforderlich, um Zwischeneintragungen zu verhindern; ansonsten besteht
die Gefahr, daß der Anspruchsgegner auf die Domain verzichtet und
- noch bevor der Anspruchsteller die Domain selbst beantragt hat - die
nächste Eintragung eines Dritten vorgenommen wird (aus: Thomas Ubber,
Rechtsschutz bei Mißbrauch von Internet-Domains, WRP 6/97, S. 497
- 513, hier S. 511)".
8. Links
Urteile und Aufsätze
zu Domainnamen von DE-NIC - bei aller Kritik an DE-NIC: ein hervorragendes
Archiv, in dem sich die meisten deutschen Gerichtsurteile mit komplettem
Urteilstext befinden.
Online-Recht
bei akademie.de
Entscheidungssammlung
Online-Recht
Domainnamensrechte
von Thorsten Bettinger, ein ausgezeichneter,sehr informativer Beitrag.
Domain- und
Namensrecht von Michael Schneider, ebenfalls ausführlich und
informativ.
Trademarks along
the Infobahn, Dan L. Burk, zwar in englischer Sprache, aber lesenswert.
DE-NIC Vergaberichtlinien
Weitere Literatur
sowie Links
zur Thematik.
Klaus Richter,
Saarbrücken, 26. August 1997
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