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Erzdiozese Freiburg verwuestet kostbare Klosterbibliothek



Das 1670 gegruendete, von der Saekularisation nicht
betroffene Kloster der Chorfrauen vom heiligen Grab
(Sepulchrinerinnen) zu Baden-Baden ist an das Ende seiner
Existenz gelangt, denn die letzten Schwestern mussten in
ein Pflegeheim umziehen. Am Samstag wird das wertvolle
Klosterinventar von Peter Kiefer in Pforzheim versteigert.
Der Katalog ist online:
http://www.kiefer.de

In alle Winde zerstreut wird somit ein froemmigkeits- und
alltagsgeschichtlich wertvolles Ensemble, dem ein
wuerdigeres Ende zu wuenschen gewesen waere. Ich habe meine
Kritik in einem Beitrag fuer die "Kunstchronik" (Mai-Heft)
formuliert und auch in einem Kurzbeitrag fuer den
Rheinischen Merkur von letzter Woche wiederholt.

Siehe auch die Berichterstattung (mit weiterfuehrenden
Links) in http://log.netbib.de (Volltextsuche nach:
Sepulch)

Am gestrigen Donnerstag nahm ich die Gelegenheit wahr, die
zur Versteigerung bereitgestellten Objekte in Augenschein
zu nehmen. Neben Flohmarkt-Ware sind auch Gegenstaende mit
unmittelbarem Bezug zur Klostergeschichte zu finden, obwohl
die Erzdioezese Freiburg, fuer das Kloster handelnd,
 versichert, alles fuer die Klostergeschichte Bedeutsame
werde nicht unter den Hammer kommen. Aber warum befinden
sich in den Bilderkonvoluten 42 und 44 kalligraphisch
gestaltete Ablassbitten der Schwestern bzw. des
Klosterpfarrers Dr. Elble von 1929 bzw. 1924? Und unter dem
grossen Musikalien-Konvolut (ein ganzer Schrank) 643 sind
auch handschriftliche Materialien.

Ueber fuer die Geschichte Baden-Badens bedeutsame Gemaelde
des 18. Jahrhunderts und die eigentlich als Denkmalzubehoer
einzustufenden Reste der neogotischen Kirchenausstattung
sowie weitere erhaltenswerte Objektgruppen ist hier nicht
zu handeln. Meine Empoerung gilt dem verantwortungslosen
Umgang mit dem wertvollen Altbestand der Klosterbibliothek.
Mir wurde vom Rechtsdirektor Baumgartner versichert, die
von dem Freiburger Kunsthistoriker Dr. Bock inventarisierte
Bibliothek bliebe von der Versteigerung ausgenommen. Das
war eine glatte Luege.

Dass einzelne Werke des Altbestands mit alten
Besitzvermerken (z.B. Nr. 636 "Praec Rau") unter eigenen
Nummern versteigert werden, waere nicht so schlimm. Schlimm
ist das riesige Konvolut 632, den Grossteil der
Klosterbibliothek umfassend, ueberwiegend Schriften aus dem
20. Jahrhundert, in mehreren grossen Schraenken
untergebracht, nach Angabe des Katalogs ca. 2000 Baende. Es
ist durchsetzt mit wertvollen alten Drucken, die von Bock
mit einer Signatur versehen wurden (offenbar alle Werke bis
1850) - schaetzungsweise 100-200 Baende, moeglicherweise
noch mehr. Ich hatte nicht die Zeit, jeden einzelnen dieser
Baende in die Hand zu nehmen, aber die Stichproben
genuegen, um die Einbeziehung dieses wertvollen Altbestands
in das Versteigerungsgut und noch dazu in ein nur als
Ganzes erwerbbares Konvolut als ueberfluessigen Sadismus zu
geisseln. Offenbar war die reine Lagerung der Baende mit
den modernen Buechern der Grund, sie nicht dem anderen
Altbestand (nunmehr in Freiburg) zuzuordnen, denn es
handelt sich in gleicher Weise um Zeugnisse zur
Klostergeschichte.

Da ist (B 666) eine Auslegung der Augustinus-Regel aus dem
18. Jahrhundert mit einer vorgebundenen handschriftlichen
Abschrift von ca. 60 Seiten. Ein ordensgeschichtlicher
liturgischer Druck aus der gleichen Epoche (B 561) traegt
einen handschriftlichen franzoesischen Eintrag . Viele
Baende weisen Besitzvermerke der Schwestern auf (z.B. B 657
"A l'usage de Soeur Marie Victoire de la Resurection"),
viele andere Besitzvermerke (z.B. B 475 M. Carl Philipp
Sartorius, Pfarrer zu Geisingen 1712) oder
Schenkungsvermerke (z.B. B 368/400 verehrt von Valentin
Boeghlein S.J., ein Druck von 1739). Ob alle diese
Informationen in den von Bock angefertigten Kopien der
Titelblaetter und eventuell weiterer Seiten dokumentiert
sind, darf bezweifelt werden.

Das Konvolut kann nur als Ganzes ersteigert werden
(angesetzt mit 500 Euro), eine gezielte Rettung der alten
Drucke ist nicht moeglich. Vermutlich wurden die alten
Drucke in ihm belassen, um fuer Haendler einen Anreiz zu
bieten, die sonst eher schwer verkaeufliche erbauliche Ware
zu erwerben. Fuer die Rekonstruktion der historischen
Klosterbibliothek ist dieses Vorgehen aber katastrophal,
handelt es sich doch um eine Amputation eines erheblichen
Teil des Altbestands, der die Saekularisation unbeschadet
ueberstanden hatte. Wenn das Konvolut an den Handel kommt
und einzeln verwertet wird, kann niemand mehr das
Auseinandergerissene zusammenfuehren. Was bisher sorgsam
bewahrt wurde, ist durch das verantwortungslose Vorgehen
der Erzdioezese dem Untergang (als geschlossenes Ganzes)
geweiht.

Ich habe dafuer nur ein Wort: schaendlich.

Dr. Klaus Graf
http://www.uni-freiburg.de/histsem/mertens/graf#kulturgut



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.