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Re: flohmarkt in wb





> 
> Gut, es gibt solche Richtlinien. Diese waren mir durchaus
> im Prinzip bekannt.
> 
> Aber letztlich oeffnen diese durch windelweiche
> Formulierungen wie "im allgemeinen" oder "in der Regel"
> jedem noch so wildgewordenen Bibliotheksleiter Tuer und
> Tor, seine wissenschaftlich inakzeptable
> Bewertungsentscheidung als im Einklang stehend mit den
> Richtlinien zu verkaufen.
> 
> Die UB Eichstaett hat in unverantwortlicher Weise
> angebliche Dubletten aus historischen
> Kapuzinerbibliotheken, also Drucke, die aus der Zeit vor
> der Saekularisation stammen, in den Handel gegeben. Ich
> sehe darin einen krassen Verstoss gegen die bayerischen
> Richtlinien, in denen es heisst:
> 
> "2.5. Vor Ort zu belasssende Bestände
> 
> [...]
> in der Regel Rara- und sonstige Sondersammlungen und
> historisch gewachsene Bestandssegmente, deren besonderer
> wissenschaftlicher bzw. kultureller Wert
> in ihrer Geschlossenheit liegt, sowie Deposita."
> 
> IN DER REGEL! In Ausnahmefaellen duerfen also auch
> historisch gewachsene Sammlungen aufgeloest und
> verscherbelt werden - aber wer entscheidet, wann dieser
> Ausnahmefall vorliegt? Statt unmissverstaendlich die
> Achtung vor dem historischen patrimonium einzuschaerfen,
> ermoeglichen solche "Hintertuerchen" jede Art von Willkuer
> - Konsequenzen brauchen solche Kulturgutzerstoerer wie die
> Eichstaetter Bibliothekare ja ohnehin leider nicht
> befuerchten.
> 
> Wer mir unterstellt, ich wuerde die Bibliotheken dazu
> verpflichten wollen, alles aufzubewahren, auch
> Mehrfachexemplare von Lehrbuechern und vergleichbares
> "Flohmarktgut", dem moechte ich entgegenhalten, dass er
> oder sie offensichtlich nichts von dem verstanden hat, was
> mich seit vielen Jahren umtreibt und was auf meiner Seite
> http://www.uni-freiburg.de/histsem/mertens/graf#kulturgut
> dokumentiert ist.
> 
> Zum Thema Dubletten:
> Wer weiss, dass noch 1966/68 die Wuertt. Landesbibliothek
> Stuttgart etliche Inkunabeldubletten in den Handel gegeben
> hat? Inkunabeln mit alten Randbemerkungen und
> Besitzvermerken!
> 
> Und noch vor der Aera Raabe war es anscheinend auch in
> Wolfenbuettel gang und gaebe, aus fruehneuzeitlichen
> Altbestaenden sog. "Dubletten" auszusondern - auch wenn
> diese zu geschlossenen historischen Buchbestaenden
> gehoerten.
> 
> Und die zu Unrecht hochgelobte Johannes a Lasco Bibliothek
> in Emden verkauft auch heute noch solche angeblichen
> Dubletten!
> 
> Da bin ich wirklich froh, dass ich kein Bibliothekar bin,
> denn solche "Berufskollegen" waeren mir wirklich zuwider.
> 
> Klaus Graf
> 

Lieber Herr Graf,
ich denke, dass der Großteil der Bibliothekare bei der Entscheidung über
Aussonderungen mit dem Massengut bzw "Flohmarktgut " zu tun hat. Dafür
sind die Richtlinien brauchbar. Handelt es sich um wirkliche
"Altbestände" von kulturhistorischen Wert, um unser kulturelles Erbe, so
dürfte in der Regel der Fachreferent für alte Drucke oder die
Handschriftenabteilung in die Entscheidungsfindung involviert sein. Die
von Ihnen aufgeführten Fälle vermag ich nicht zu beurteilen, aber
sicherlich ist es gut, wenn die Bedeutung schützenswerter Bestände 
betont und ihre angemessene Behandlung eingefordert wird. Ich denke
aber, dass meine Kollegen in der Regel auch mit Bedacht und Umsicht ans
Werk gehen. Ausnahmen mag es immer mal geben und solche Fälle kann man
dann auch ruhig benennen, was Sie ja auch mit Akribie verfolgen.
Ein allgemeines Verdikt über "die" Bibliothekare auszusprechen ist
meines Erachtens jedoch ein bißchen über das Ziel hinausgeschossen.
Und schließlich, mir fallen auch leicht einige Historiker ein, die ihrer
Zunft weder durch ihre Werke noch durch ihr Handeln zur Ehre gereichten,
und ich zähle mich gleichwohl immer noch gerne zu ihnen dazu.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Prellwitz 
-- 
Dr. Jens Prellwitz
Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg
Leiter der Erziehungswissenschaftlichen Zweigbibliothek
Regensburger Straße 160
90478 Nürnberg
Telefon 0911/ 5302 518
E-mail: jens.prellwitz _at__ bib.uni-erlangen.de


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