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Re: Just-in-time-Mentalität bei Studenten



Mit großem Interesse habe ich die Diskussion verfolgt und finde viele Einwürfe und Einwände richtig. So kann beispielsweise kaum einer bestreiten, dass es "benutzerfeindliche" Interfaces gibt. Andererseits wird niemand bezweifeln, dass früher die verschiedenen Zettelkataloge den Benutzern damals mehr bibliothekarischer Sachverstand aufgezwungen haben. Da gab es AKs, Schlagwortkataloge, einige Bibliotheken hatten Kreuzkataloge, systematische Kataloge usf. Jeder Benutzer musste sich vor der Literaturrecherche genau überlegen, warum er welchen Katalog konsultieren will. Nicht zu vergessen: Die einen Kataloge waren genauestens nach PI, andere hatten PI-Varianten als Katalogisierungsprinzip, andere hatten gar kein PI usf. Also sehr kompliziert. Und schon damals gab es Benutzer, die ihre Literatur finden konnten und andere, die nicht sehr erfolgreich waren. So gesehen ist es heute bestimmt nicht schwieriger geworden.
Die Welt der Studenten hat sich aber heute grundlegend geändert. Die Google-Mentalität (Stichwort in den Opac und los geht's!) ist da nur ein kleineres Problem, gegen das die Bibliotheken zu kämpfen haben. Ein wesentliches Problem besteht darin, dass in diesem Land seit Jahren über verschiedene Maßnahmen versucht wird, die Studienzeiten zu verkürzen (Ob das gut oder schlecht ist, sei hier nicht diskutiert). Für viele Studenten wird alles andere als die Just-in-Time-Mentalität zu teuer. Es werden Abstriche gemacht und man versucht ganz offensichtlich diese Abstriche möglichst in Bereichen zu tätigen, die man als - vielleicht - "sekundärwichtig" oder eben nicht prüfungsrelevant empfindet. Dass dabei die Bereitschaft sinkt, sich beispielsweise an Schulungsveranstaltungen von Bibliotheken zu beteiligen, ist nicht sonderlich überraschend. Es gibt ja auch noch genügend - meist ältere Semester - Hochschullehrer, die selbst kaum richtig wissen (wollen), wie man am Opac suchen kann (Frei nach dem Motto: Wer Abi hat, wird doch eine Bibliothek benutzen können!)
Ich glaube, das Problem wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken, dass Bibliotheken ihr volles Serviceangebot nur noch wenigen anbieten können, bzw. dass es vielen Campusmitarbeitern und Studenten gar nicht mehr klar sein wird, was ihre Bibliothek zu leisten im Stande ist. Um diese Diskrepanz wenigstens auf der Ebene des Opacs möglichst klein halten zu können, sehe ich nur die Möglichkeit, die Benutzertätigkeiten über gewisse Zeiten (einige Tage) immer wieder aufzuzeichnen (In Hamburg hat man sowas meines Wissens im Juni oder Juli 1999 (?) gemacht) und auszuwerten. Wenn das mehrfach von mehreren Bibliotheken gemacht würde, hätte man bestimmt irgendwann genügend Datenmaterial als Grundlage zur Verfügung, um dann "benutzerfreundlichere" Opacs zu entwickeln. Dann werden alle glücklich sein. Hoffentlich.

Grüsse aus Göttingen

Wolfgang Giella

PS.: Was wurde eigentlich aus der Hamburger Studie? Weiss das jemand?

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.