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Urheberrecht
In der FAZ erschien ein Artikel, der wieder einmal die
Partei der Verleger ergreift (Auszuege unten, da nicht frei
online).
Ueber das Ergebnis der Beratungen des Rechtsausschusses
berichtet Telepolis (Nachweis in Netbib).
Wenn Herr Kaemper meint, er muesse hier eine peinliche
Eloge auf die grossartigen Bemuehungen des deutschen
Bibliothekswesens und insbesondere von Frau Beger hier
verbreiten, so ist das seine Sache. Ich bleibe bei meiner
Position und fordere weiterhin:
Die Bibliotheken muessen sich mehr um eine Allianz mit
anderen Kreisen, die fuer eine offene Wissensgesellschaft
kaempfen, bemuehen.
Sie muessen dies auch im Internet durch Nutzung und
Etablierung einschlaegiger Foren tun, also etwa durch
Eroeffnung eines Portals, das aktuell und umfassend ueber
die verstreuten Publikationen zum Thema informiert.
Ich halte es fuer ein Armutszeugnis, dass man sich die
diversen Webveroeffentlichungen von Beitraegen Begers in
Suchmaschinen muehsam zusammenklauben muss, weil sie es
z.B. nicht schafft, ihre Veroeffentlichungen-Seite bei der
ZLB zu aktualisieren.
Klaus Graf
***
Kopiert euch frei!
Müllverbreitungsanlage: Das Netz des neuen Urheberrechts
Das Recht kennt den Begriff des Vertrages zu
Lasten Dritter. Es untersagt solche Verträge,
bei denen sich zwei über etwas einig werden,
das einen, der nicht gefragt wurde, schädigt.
Den Begriff eines Gesetzes zu Lasten Dritter
kennt die Jurisprudenz nicht. Und doch legt
ihn eine Demokratie nahe, in der sich
Interessengruppen mit Parteien in Regierung
und Opposition nicht selten darauf einigen, ein
Recht zu schaffen, das Dritten etwas
wegnimmt. Um ein solches Gesetz zu Lasten
Dritter handelt es sich beim neuen
Urheberrecht. [...]
Der Ministerin ist mulmig
Dem möchte das neue Gesetz
entsprechen.
Zwischen technologischen
Möglichkeiten, den
Verhaltensdispositionen der
Konsumenten und
dem Recht gibt es aber keinen
zwingenden
Zusammenhang. Die wissenschaftliche
Kommunikation ist schließlich seit
Einführung
des Internets nicht
zusammengebrochen, nur
weil die Werke nach wie vor unter
Kopierschutz standen, Bibliotheken
nach wie
vor einzelne Bücher kaufen mußten
und nicht
in Bibliotheksverbünden nurmehr ein
Exemplar, das dann in digitaler
Kopie dem
internen Nutzerkreis frei zugänglich
ist. Der
von der Bundesregierung propagierte
Gesetzesentwurf folgt insofern in
seinem
Paragraphen 52a, der das
elektronische
Kopieren wissenschaftlicher Werke
einem
"bestimmt abgegrenzten Kreis von
Personen
für deren wissenschaftliche
Forschung"
weitgehend freigibt, nicht einfach
Sacherfordernissen der
Informationsgesellschaft. Die
Bundesjustizministerin, Brigitte
Zypries (SPD),
versucht es zwar so darzustellen.
Das Recht
"reagiere" nur auf die Nutzung von
Computern
in den Schulen, außerdem sei die
moderne
Wissenschaft darauf angewiesen,
"effektiv zu
kommunizieren und zu kooperieren".
Das
geschehe vor allem durch interne
Netze mit
geschlossenem Benutzerkreis, und nur
für
diese solle das Kopieren "kleiner
Teile von
Werken, Werke geringen Umfangs oder
einzelne Beiträge aus Zeitungen oder
Zeitschriften" erlaubt werden.
Doch abgesehen davon, daß es nicht
einmal
zutrifft, Wissenschaftler
kommunizierten
vorrangig über geschlossene Netze
oder gar
"kleine Intranets", wie Heribert
Prantl in der
"Süddeutschen Zeitung" schreibt, so
weiß
auch die Justizministerin, daß es
keinen Anreiz
gibt, die Benutzerzahlen selbst
solcher Netze
klein zu halten, und keine
technologischen
Möglichkeiten, die Verbreitung von
Kopien
aus diesen Netzen heraus zu
verhindern.
Moderne Wissenschaft kennt eben
keinen
Grund, jemanden von der Lektüre
ihrer
Produkte auszuschließen. Und wer
außer
Wissenschaftlern, auf deren Gruppe
Frau
Zypries das großzügige elektronische
Nutzungsrecht begrenzen will, sollte
sich denn
sonst noch für wissenschaftliche
Aufsätze und
Monographien interessieren? So zu
tun, als
gebe es daneben noch einen zweiten
Käuferkreis, der den Fachverlagen
bleibe,
heißt, sie für dumm zu verkaufen.
Auch daß
die Kopierfreigabe nur für Werke
geringen
Umfanges gilt, beruhigt angesichts
des Trends
in praktisch allen Disziplinen zum
wissenschaftlichen Aufsatz als
elementarer
Kommunikationsform wohl keinen
Verleger.
Die Justizministerin reagiert auf
solche Sorgen
mit dem Hinweis, falls elektronische
Kopien
im Internet zugänglich gemacht
würden, stelle
das eben einen Straftatbestand dar,
der
verfolgt werden müsse. Na, dann
verfolgt mal
schön - auch die Nutzer, die legal
kopieren,
aber nichts dafür entrichten: Die
Kenntnis der
von ihr apostrophierten
Informationsgesellschaft steht der
Ministerin
entweder noch bevor, oder sie stellt
sich
künstlich naiv. Daß ihr Entwurf
jetzt mit einer
Befristung des Gesetzes auf drei
Jahre in das
Plenum des Bundestags geht, deutet
an, wie
mulmig es ihr selber angesichts der
Möglichkeit des Konkurses
wissenschaftlicher
Verlage sein dürfte.
Wie steht es aber um deren
Geschäftsgrundlage? Auch sie liegt
nicht in
der Natur der Sache Wissenschaft,
und es
könnte immerhin sein, daß der
mittelgroße
Fachverlag, dem die deutsche
Buchwelt viel
verdankt, zum Opfer einer
technologischen
Revolution wird, so wie viele
Hersteller von
Pferdekutschen oder Tonbandgeräten.
Das
verlegerische Interesse steht
demjenigen vor
allem öffentlicher Bibliotheken und
jener
"Intranets" sowie der Schulen an
einer
Verbilligung des Zuganges zu
wissenschaftlicher Literatur und
Unterrichtsmaterialien entgegen. Da
in vielen
Ländern und ihren Kultus- oder
Wissenschaftsverwaltungen die CDU
regiert,
treffen sich ihre Interessen mit
denen der
Bundesregierung: Es geht um die
Kosten der
öffentlichen Versorgung mit
Information, und
die staatliche Seite glaubt von ihr,
sie in
Zukunft billiger haben zu können.
Heiße Schlacht am kalten Regal
Angesichts der mitunter horrend
hohen Preise
für wissenschaftliche Zeitschriften,
deren Zahl
zugleich ständig wächst, wird man
diesen
Gesichtspunkt nicht unverständlich
finden.
Wer in den letzten Jahrzehnten
mitangesehen
hat, wie eine Koalition aus
Wissenschaftlern,
Finanziers von
Druckkostenzuschüssen,
Fachverlagen und
Bibliotheksreferenten dafür
gesorgt hat, daß sich auf den
Regalen der
Universitäts- und
Institutsbibliotheken oft im
Umkreis von ein paar hundert Metern
in
Mehrfachexemplaren zahllose
Dissertationen,
Sammelbände und Reihen ungelesen
bleibender Zeitschriften
aufgestapelt haben,
dem erschließt sich, daß es dabei
auf Dauer
nicht bleiben konnte. Denn es ist
eben kein
Markt, an dem sich die Werke
durchgesetzt
haben, weil es eine Nachfrage nach
ihnen gab.
Es ist das kalte Buffett der
Bibliotheketats, an
dem sich manche Verlage aufluden,
was sie
nur konnten. Unterstützt von einem
wissenschaftliches Gutachterwesen,
das alle
Formen von Generosität kennt.
Von der Sache her versteht niemand,
warum
Chemiezeitschriften zigtausende von
Mark im
Jahr kosten müssen oder "Color and
Light in
the Writings of Eduard von
Keyserling"
ebenso gebunden wie ungelesen in
Dutzenden
von deutschen Universitätsregalen
steht,
anstatt in einer Datenbank der
Universität
Transylvania, wo es entstand. Und
wieviele
Leser hat das "Journal of
Agricultural
Economics" an allen ökonomischen
Fachbereichen der Republik zusammen?
Immer aber, wenn die Bibliotheken
unterm
Kostendruck eine Zeitschrift
strichen,
gründeten Forscher und Verlage eine
neue,
angeblich ganz und gar
unvermeidliche und
erhöhten die Preise für die übrigen.
Ob die wissenschaftliche Qualität
dessen, was
gedruckt wird, in diesem Wettlauf
gestiegen
ist, darf bezweifelt werden. Schaut
man sich
die Aufsätze in den drei führenden
deutschen
Zeitschriften für Soziologie an,
würde man
sich gut und gern mit zweien
zufriedengeben.
Notaufnahme und Mülltrennung - die
Bezeichnung der Basishandlungen
wissenschaftlicher Redaktionen in
vielen
Gebieten sind kein Gerücht
forschungsfeindlicher Kreise,
sondern
kommen aus dem Inneren des
Wissenschaftssystems. Angesichts
seines
Verelendungswachstums darf man von
Stillegungsprämien für
wissenschaftliche
Publikationsflächen träumen. Das
kann doch
kein Mensch mehr lesen, sagen die
Forscher
und spezialisieren sich. Tatsächlich
aber liest
vieles auch danach keiner.
Diese Lässigkeit im Durchwinken von
Artikeln
und Büchern, die niemand außer ihren
Autoren
verwendet, gilt nicht für alle
Forscher, so wie
es nicht für alle Verleger zutrifft,
daß sie sich
daran beteiligt haben. Doch das neue
Gesetz
wird die
Druckkostenzuschußbeschaffungsvirtuosen
und Bibliotheksplünderer ebenso wie
die um
den intellektuellen Rang ihrer
Programme
bemühten Häuser gleichermaßen
treffen. Ja, im
Grunde die letzteren noch mehr, weil
es deren
Zeitschriften sind, nach deren
elektronischer
Kopie innerhalb wie außerhalb der
"kleinen
Intranets" die größte Nachfrage
bestehen wird.
Wenn der Bundestag das Gesetz
beschließt,
ist nach einem Beschluß des
Rechtsausschusses Ende 2006 zu
untersuchen, welche Auswirkungen es
auf die
Praxis gehabt haben wird. Es ist
Frau Zypries
zu wünschen, dann nicht als die
Ministein
dazustehen, die Namen wie Mohr
Siebeck,
Klostermann, Akademie oder
Vandenhoeck
auf dem Gewissen hat.
JÜRGEN KAUBE
Frankfurter Allgemeine Zeitung,
10.04.2003,
Nr. 85 / Seite 37
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.