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AW: Urheberrecht



Nachfolgender Artikel aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG v. 9.4.2003 läßt "uns"
doch nicht so schlecht dastehen, oder ?
Mit freundlichen Grüßen,
Luise von Löw


Die Angst vor digitalem Bücherklau 
Neues Urheberrecht entzweit deutsche Verlage und Regierung   
 
 Sage niemand, die deutschen Fach- und Wissenschaftsverlage verständen sich
nicht auf Propaganda. Mit grossen Zeitungsanzeigen machen sie Stimmung.
Anklagend heisst es da: «Stellen Sie sich vor, Sie schreiben ein Buch und
der Staat nimmt es Ihnen einfach weg.» Ein Staat, der Eigentum wegnimmt? So
eine Drohung greift gleichermassen an Herz und Geldbeutel und mahnt an die
unselige Vergesellschaftungspraxis verblichener staatssozialistischer
Systeme. 

Die Kampagne richtet sich gegen die rot-grüne Bundesregierung und soll den
Rechtsausschuss des Parlaments beeinflussen. Der nämlich berät heute über
einen Gesetzesentwurf zur Neufassung des Urheberrechts. Hintergrund ist eine
EU- Richtlinie, die nun in nationales Recht umgesetzt werden muss. Sie soll
die Stellung von Urhebern und Verwertern im Internet stärken, indem sie
ihnen die Publikations- und Vervielfältigungshoheit über ihre
Veröffentlichungen zuspricht. Eigentlich eine gute Nachricht für Verlage.
Allerdings kennt die Richtlinie eine Einschränkung der Verwerterrechte
zugunsten von Bildung und Forschung, und wie dies in Deutschland umgesetzt
wird, bringt die Verleger auf die Palme.

§ 52a des geplanten Gesetzes erlaubt es Schulen und Universitäten, für die
Darstellung im Unterricht Bücher und Zeitschriften in Teilen zu kopieren,
ohne dass sie deswegen die Rechtsinhaber, Autoren und Verlage, um Erlaubnis
fragen müssen. Sei es, dass sie dabei Druckwerke scannen, um sie
elektronisch zu vervielfältigen und auch am Bildschirm lesen zu können; sei
es, dass sie Werke benutzen, die bereits in digitalisierter Form vorliegen.
Auch dürfen Wissenschafter für Forschungsprojekte Texte in ihr internes
elektronisches Netz, das Intranet, einstellen. Als Multiplikatoren sind
zudem die Bibliotheken mit im Spiel. Dies alles jedoch unter bestimmten
Auflagen: Die Nutzer dürfen keine kommerziellen Zwecke verfolgen und ihr
Kreis muss auf Unterrichtsteilnehmer beschränkt bleiben.

Was soll daran schlimm sein? Schon das herkömmliche Urheberrecht gestattete,
dass man im Rahmen des Unterrichts in Klassenstärke und zu Prüfungszwecken
Kopien anfertigte. So gesehen tut das vom Bundesjustizministerium vorgelegte
«Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft»
nichts anderes, als das bisher für analoge Medien geltende Copyright für
digitale Medien einfach fortzuschreiben. 

Genau da freilich liegt der Haken. Anders als die herkömmliche Kopie auf
Papier ist die digitale Kopie ein Doppelgänger, ein elektronischer Klon, der
sich mit einigen Mausklicks ohne Qualitätsverlust weiterverbreiten lässt.
Den Verlagen ist der Gedanke schrecklich, es könne erlaubt sein, solche
vorlagentauglichen Kopien ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung
anzufertigen. Der Hinweis, die Erlaubnis gelte doch nur für einen begrenzten
Kreis von Schülern oder Wissenschaftern, vermag sie nicht zu beruhigen. Sie
fürchten eine unkontrollierte Expansion der Nutzerkreise, denn die durch §
52a Begünstigten dürfen auch - weil ihnen der Gesetzgeber keine Prüfung
ihrer Quellen zumuten will - illegal gefertigte Kopien nutzen. Werde der
Gesetzesentwurf in seiner geplanten Fassung geltendes Recht, klagen die
Verwerter, so würden Verlage und Autoren «faktisch enteignet». Der Markt für
ihre Produkte breche ein, vor allem mittelständischen deutschen Verlagen
stehe der Ruin ins Haus. 

Gewisse Erfolge kann die Kampagne verbuchen. In der Neuformulierung des
Gesetzes, wie es der Rechtsausschuss des Bundestages heute beraten wird,
gilt § 52a nicht mehr für Schulbücher; man braucht also eine Lizenz der
Schulbuchverlage, wenn man von ihren Werken digitale Kopien anfertigen will.
Neu ist auch die Einschränkung, dass im Rahmen von Unterricht und
wissenschaftlicher Forschung jetzt nur noch «kleine Teile eines Werkes (d.
h. 20 Prozent)» oder «Werke mit geringem Umfang (z. B. Flyer)» in Datennetze
eingestellt werden dürfen. Bei Zeitschriften sind nur einzelne Aufsätze
erlaubt. Die Verleger tröstet das nicht. Ginge es nach ihnen, so müsste §
52a gestrichen und jede Nutzung individuell lizenziert werden.

Es ist absehbar, dass sie damit bei der Bundesregierung kein Gehör finden.
Diese neigt dazu, die Leistungen der Verlage für die scientific community
gering zu schätzen. Auch weiss sie, dass im Wissenschaftsbetrieb der Autor
in der Regel kein Honorar vom Verlag erhält und sich mit dem begnügen muss,
was Verwertungsgesellschaften für ihn pauschal an Kopierabgaben einziehen.
Insofern sieht die Regierung in einer individuellen Lizenzierung, wie sie
die Verlage wünschen, keine Stärkung des Urhebers. Sodann sind die
schamlosen Preissteigerungen bei wissenschaftlichen Zeitschriften bekannt,
mit denen vor allem die grossen medizin- und naturwissenschaftlichen Verlage
seit Jahren die Etats der Bibliotheken strapazieren. Diese schwarzen Schafe
haben am Zerrbild mitgewirkt, das von der angeblich parasitären Natur der
Wissenschaftsverlage im Umlauf ist und das nun der Regierung die Skrupel
nehmen mag, wenn sie mittels § 52a digitale Zugriffe auf geschützte Inhalte
erleichtert. Für herzergreifende Propaganda ist es zu spät.

Joachim Güntner
 

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Klaus Graf [mailto:klaus.graf _at__ geschichte.uni-freiburg.de] 
Gesendet: Dienstag, 8. April 2003 20:48
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Urheberrecht


Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bibliotheken
effizient im digitalen Raum fuer ein
verbraucherfreundliches Urheberrecht kaempfen. Woran es
u.a. fehlt, habe ich in Netbib

http://log.netbib.de/archives/m/200304#78594249

formuliert.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.