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Nordelbische Kirchenbibliothek



Am 12.9.2002 wandte sich der ADLK mit einem offenen Brief an Frau
Bischoefin Jepsen, Hamburg, den im folgenden hier zu dokumentieren mir
freundlicherweise erlaubt wurde.

Als einfaches Mitglied des Vereins fuer wuerttembergische
Kirchengeschichte (und mehrerer katholischer Vereine) finde ich es
ausserordentlich erfreulich, dass dieser offene Brief geschrieben
wurde.  
Zur Causa NEKB vergleiche man die unter
http://www.ub.uni-dortmund.de/Listenarchive/INETBIB/200209/20020903.html#0
zusammengestellten Materialien und Links.

Ergaenzend ist mitzuteilen, dass das Nordelbische Kirchenamt auf einen
von mir ihm vorgelegten detaillierten Fragenkatalog nicht geanwortet
hat, mit dem ich unter anderem wissen wollte, wieviele Buecher vor dem
Stopp des Verkaufs im Maerz 2002 aus der NEKB (und zwar aufgeschluesselt
nach Baenden vor und nach 1800) in den Handel gegeben wurden und in
welcher Form eine Liste der ausgeschiedenen Baende gefuehrt wuerde. Es
wurde lediglich mitgeteilt, seit Maerz 2002 seien keine Baende mehr in
den Handel gelangt (was anscheinend nach meiner Fragestellung auch die
Ahlefeldtsche Bibliothek betrifft) und die Kirchenleitung werde sich im
November mit dem Fall nochmals beschaeftigen. Die Frage liegt nahe: Wenn
die Nordelbische Kirche nichts zu verbergen hat, wieso antwortet sie
nicht auf solche konkreten Fragen? Der Verdacht, dass in ganz
erheblichem Umfang unersetzliche und kostbare Altbestaende verschleudert
wurden, kann daher nicht im geringsten zurueckgenommen werden.

An alle Traeger kirchlicher Bibliotheken (gleich welcher Konfession)
moechte ich dringend appellieren, eine ergebnisoffene oeffentliche
Debatte zuzulassen, wenn Entscheidungen anstehen, die Gefahren fuer
historisches Kulturgut bedeuten koennten. 

Dr. Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf/#kulturgut


***

DOKUMENTATION

Verehrte Frau Bischöfin! 
    
Der Arbeitskreis Deutsche Landeskirchengeschichte [ADLK] vertritt die
rund 20 deutschen evangelischen
Kirchengeschichtsvereine. In diesen Institutionen wird ein erheblicher
Beitrag zur Kenntnis der Geschichte
der Kirche geleistet. Nahezu vollständig geschieht diese Arbeit
ehrenamtlich. Aus der
kirchengeschichtlichen Wissenschaft sind die von uns vertretenen
Vereinigungen nicht mehr wegzudenken. 

Wir wenden uns mit diesem Schreiben deswegen an Sie, verehrte Frau
Bischöfin, weil uns der in Hamburg
praktizierte Umgang mit historischem Bibliotheksgut, der durch die
überregionale Presse, wie F.A.Z. und RM,
bekannt geworden ist, befremdet, ja entsetzt. Dem Vernehmen nach sollen
als Ergebnis einer
Unternehmensberatung im Interesse von Kosteneinsparungen und
Synergieeffekten wertvolle Teile der NEKB
ausgesondert und veräußert werden. Solche Veräußerungen sind, wie aus
Rückmeldungen von Käufern zu erfahren
ist, bereits erfolgt. 

Wir halten diesen Ausverkauf aus folgenden Gründen für höchst schädlich,
nicht nur für Ihre Landeskirche.
·       Es handelt sich hier um Quellenmaterial, das für die
Landes-Kirchengeschichte unentbehrlich ist.
·       Es sind nachweislich auch Hamburger Titel, die sonst in Hamburg
nicht greifbar sind, ausgesondert
worden, was besonders deswegen bedauerlich ist, weil die SUB den
Kriegsverlust ihrer einst reichen
theologischen Abteilung zu beklagen hat.
·       Die Aktion steht in eklatantem Widerspruch zu den derzeit
laufenden großen Projekten zur
Darstellung historischer Buchbestände in ganz Europa, wobei gerade auch
Kirchen- (und Kloster-!)
Bibliotheken sorgsam gesichtet und erforscht und damit auch ein Stück
weit gesichert werden.
·       Der Hamburger Ausverkauf steht ferner im Widerspruch zu der
neuen EKD-Denkschrift, in der das
Verhältnis des Protestantismus zur Kultur definiert wird. Die Aktion
erinnert vielmehr in geradezu
peinlicher Weise an das Vorgehen der DDR-Regierung, die ebenfalls
historische Buchbestände verkaufte, um an
die begehrten Devisen zu gelangen.
·       Es wurde besonders auch Erbauungsliteratur ausgesondert. Dies
muß Sie, verehrte Frau Bischöfin,
sehr schmerzen. Ihr Appell zur Neubesinnung auf Frömmigkeit wird dadurch
auf das wirksamste konterkariert.
Wesentliche Möglichkeiten der Orientierung an Ausdrucksformen der
Frömmigkeitsgeschichte wurden
verschleudert.
·       Kirchenbibliotheken sind oft aus Stiftungen hervorgegangen. Es
besteht daher die begründete
Vermutung, daß die Hamburger Verkaufsaktion den Stifterwillen hintan
gesetzt hat. Dies ist nicht nur
kirchlich gesehen fatal. Vielmehr schädigt der Vorgang auch die
Vertrauenswürdigkeit des Treuhänders Kirche
auf das entschiedenste.
·       Rein wirtschaftlich gesehen dürfte dieses Unternehmen der NEKB
wenig nützen. Der Verkauf über die
Zwischenfirma eines Bibliotheksmitarbeiters (!) in Antiquariate dürfte
einen hohen Prozentsatz des Erlöses
in den Händen des Zwischenhandels lassen.

Der Arbeitskreis Deutsche Landeskirchengeschichte [ADLK] bittet daher
dringend darum,
·       einen Stop und - soweit möglich - die Rettung des schon zur
Aussonderung vorgesehenen oder
gelangten Materials zu verfügen;
·       eine rückhaltlose Prüfung der Einzelheiten der "rechtlich
bedenklichen" Vorgänge - so die F.A.Z. -
dieser Bibliothekszerschlagung vorzunehmen;
·       daß alle evangelischen Landeskirchen angesichts dieses
spektakulären Falles eines
verantwortungslosen Umgangs mit anvertrautem Kulturgut sich künftig zu
erhöhter Sorgfalt und Wachsamkeit
verpflichten. Wo sich vergleichbare Entwicklungen anbahnen, möge
entschlossener Widerstand (nicht zuletzt
durch Herstellung von Öffentlichkeit) aller Verantwortlichen und
interessierten Personen und Institutionen
Schlimmes verhüten. 

Sie haben gewiß Verständnis dafür, dass der ADLK mit dem Ihnen hier
vorgetragenen Anliegen demnächst sich
an die Öffentlichkeit wendet.


Mit freundlichen Grüßen

i.V ................gez. Dr. Dietrich
Blaufuß........................................
gez. Bunners (Wismar), Ehmer (Stuttgart), Graf (Leipzig)
für den Arbeitskreis Deutsche Landeskirchengeschichte [ADLK]

Arbeitskreis Deutsche Landeskirchengeschichte [ADLK]

DR. PHIL. HELMUT BAIER, NÜRNBERG/VbayKG /  .  DR. THEOL. DIETRICH
BLAUFUSS, ERLANGEN/VbayKG  .  DR. THEOL.
MICHAEL BUNNERS, WISMAR/ArbGmecklKG  .  DR. THEOL. HERMANN EHMER,
STUTTGART/VwürttKG  .  PRIVATDOZENT DR.
THEOL. GERHARD GRAF, LEIPZIG/ArbGsächsKG  .  PROF. DR. BERND HEY,
BIELEFELD/VwestfKG  .  LT. ARCHIVDIREKTOR
DR. THEOL. HANS OTTE, HANNOVER/GesndsKG


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.