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[Fwd: ANN: Flut: Kostenanalysen und Hilfsgelder]



Liebe Inetbib-Leser,
diese Meldung moechte ich Ihnen gern aus der Museumsliste weiterleiten.
Mit freundlichen Gruessen

--
Elke Daempfert
Deutscher Bibliotheksverband e.V. (DBV)
Geschaeftsstelle
Strasse des 17. Juni 114
10623 Berlin
Tel.: 0 30/39 00 14 80
Fax:  0 30/39 00 14 84
E-Mail: daempfert _at__ bibliotheksverband.de
http://www.bibliotheksverband.de


--- Begin Message ---
From: "Thomas Schuler" <Schlossbergmuseum _at__ t-online.de>
Subject: Flut: Kostenanalysen und Hilfsgelder
Date: Thu, 29 Aug 2002 22:21:51 +0200
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Sehr geehrte Damen und Herren,

mittlerweile sind wir bei den sächsischen Museen in der nächsten Phase,
einer transparenten und auf einheitlichen Kriterien beruhenden
Schadensbilanz und einer fairen und raschen Verteilung der ersten
Hilfsgelder. Um die lange Mail besser lesbar zu machen, habe ich ein
kurzes Inhaltsverzeichnis vorangestellt:

I)   Die ersten 3 Mio EUR  sind in Sachsen angekommen
II)  Solidarität von den und für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden
III) Die weiteren Perspektiven der Bundeshilfen
IV)  Reicht das Gesamtvolumen von 105,55 Mio EUR aus?
V)   Was kostet eine Katastrophe?
     A) Krisenbewältigung und Folgekosten
     B) Wiederherstellungskosten
     C) Objekt- und Wertverlust
     D) Vorsorge und Verbesserung
     Beispiel: Deutsches Hygiene-Museum Dresden


I) Die ersten 3 Mio EUR sind in Sachsen angekommen

Am Dienstag, den 27. August hat Kulturstaatsminister Prof. Nida-Rümelin
in Sachsen die ersten 3 Mio EUR für geschädigte Kultureinrichtungen
verteilt. Davon gingen 1,4 Mio EUR an Museen, genauer gesagt
-  500.000 EUR an die Staatlichen Kunstsammlungen (mit 11 Museen)
-  360.000 EUR an 3 weitere Museen in Dresden
-  535.000 EUR an 12 Museen in ganz Sachsen

Meine Einschätzung:
Diese Ersthilfe kam erstaunlich rasch - erst am Freitag zuvor hatten wir
die mühsam zusammengetragenen Kostenschätzungen der einzelnen Häuser
gemeldet!

Des weiteren erscheint mir die Verteilung sehr fair und realitätsnah;
sie berücksichtigt auch viele kleinere Museen. Die Befürchtung, daß die
Medien-"Lieblinge" Semperoper und Staatliche Kunstsammlungen
überdurchschnittlich bedacht werden würden, hat sich weder bei den
Theatern noch bei den Museen erfüllt.


II) Solidarität von den und für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

Die Staatlichen Kunstsammlungen haben zudem ein wirklich glänzendes
Zeichen der Solidarität gesetzt: ab sofort wird dort auf jede
Eintrittskarte ein "Zuschlag" von 50 Cent erhoben, der den geschädigten
kommunalen Museen Sachsens zugute kommt.
Auch die Kunstsammlungen haben Grund zur Freude: Die Museen der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz wollen die Tageseinnahmen vom 1. September den
Kollegen in Dresden überweisen! Hat noch jemand eine ähnliche Idee ?


III) Die weiteren Perspektiven der Bundeshilfen:

Die Bundesgelder zur Kulturhilfe werden in drei Etappen verteilt:

1) Soforthilfe 3 Mio EUR aus dem Etat des Kulturstaatsministers
Nida-Rümelin
Kommentar: Diese Mittel sind (in Abstimmung mit dem sächsischen
Ministerium für Wissenschaft und Kunst) bereits verteilt (s.o.).
2) 1. Rate Bundesmittel: 2002 zu verteilen (in allen betroffenen
Ländern)
   - 10 Mio EUR Bundesmittel aus dem Fonds "Aufbauhilfe"
   - 2 Mio EUR Eigenmittel der Bundeskulturstiftung
   - ebenfalls: 0,55 Mio EUR Eigenmittel der Kulturstiftung der Länder
3) 2. Rate Bundeshilfe: 2003 zu verteilen (in allen betroffenen Ländern)
90 Mio Bundesmittel aus dem Fonds "Aufbauhilfe"
Problem: Da die Fondsmittel über die Verschiebung der Steuerreform
finanziert werden, kann der Löwenanteil erst im nächsten Haushaltsjahr
verteilt werden. Die Museen, die rasch wiedereröffnen wollen und
könnten, sind daher in einer Zwickmühle: Entweder verschieben sie
wichtige Baumaßnahmen auf 2003 oder sie müssen 2002 viele Eigenmittel
und Spenden mobilisieren.


IV) Reicht das Gesamtvolumen von 105,55 Mio EUR aus?

Zunächst die ersten gesicherten Zahlen: An reinen
Wiederherstellungskosten (Begriffserläuterung: siehe nächster Absatz,
Block B) von Kultureinrichtungen hat Sachsen - bei vorsichtiger
Schätzung - bisher rund 50 Mio ermittelt; der größe Schadenfall in
Sachsen-Anhalt (Wörlitzer Park) wird mit 6,9 Mio beziffert, weitere
Schätzungen, auch aus den anderen Bundesländer, stehen noch aus.
Nach dem jetzigen Stand könnte also das Volumen für die reinen
Wiederherstellungskosten gerade reichen. Doch es müssen noch viele
andere Positionen hinzugerechnet werden (siehe nächster Absatz, Block A,
C und D) - und dann reichen diese Mittel bei weitem nicht aus. Beim
Deutschen Hygiene-Museum z.B. betragen die Wiederherstellungskosten nur
35% der Gesamtkosten.

Das Fazit ist klar: Spenden sind weiterhin dringend erforderlich - und
zwar vor allem in diesem Jahr, um die geringe Jahresscheibe der
Bundesmittel aufzustocken.


V) Was kostet eine Katastrophe?

Wir sind in der ersten Hektik nach der Flutkatastrophe recht naiv an die
Schadensermittlung herangegangen; erst nach und nach haben wir die ganze
Breite der Kostenarten ins Visier genommen; mittlerweile gehen wir von
folgender Aufgliederung aus (ich bringe sie ausführlich, weil diese
Ausdifferenzierung auch in anderen Fällen einmal nützlich sein könnte -
und weil man das Thema "Katastrophenbewältigung" in der museologischen
Litaratur vergeblich sucht):

Block A) Krisenbewältigung und Folgekosten
- Bergung
- Transporte
- Miete und Sicherungskosten für Auslagerungsflächen
- Maßnahmen zur Schadensbegrenzung (z.B. Pumpen)
- Zusatzkosten Notbetrieb (z.B. Notstromaggregate, Bewachung,
Behelfsbauten)
- Reinigung
- Entsorgung
- Einnahmeausfälle durch Schließung
- Einnahmeminderung durch geringe Besucherzahlen nach Wiedereröffnung
(Touristen und Einheimische bleiben aus!)
- Umdisposition beim Museumsbetrieb (Verschiebung von Ausstellungen,
Absage von Veranstaltungen)
- Ermittlung der Transport- und Lagerschäden an den Objekten
- Behebung der Transport- und Lagerschäden an den Objekten

Block B) Wiederherstellungskosten
(hierfür werden die Bundesmittel verwendet)
- Gebäude
- allgemeine Haustechnik (Heizung, Klima, Elektrik u.a.)
- allgemeine Außenanlagen (Parkplatz, Hof)
- museal genutztes Außengelände (historische Gärten, Frei-Exponate,
Schauanlagen)
- Restaurierung von Museumsobjekten
- Ausstellungen (Architektur, Grafik, Modelle, Medien)
- Raumausstattung (Mobiliar, Werkstatt, EDV)
- Lager (Haustechnik, Restaurator, Grafik, Museumspädagogik,
Museumsshop)

Block C) Objekt- und Wertverlust
- Objektverlust
(Betrifft in Sachsen gottseidank nur drei Außenmagazine: Insgesamt
wurden bei dieser Flut lediglich 100 Objekte mit einem Versicherungswert
von etwa 50.000 EUR zerstört)
- Wertverlust bei geschädigten Objekten
(Wir sind in Sachsen übereingekommen, daß dieser Wertverlust voll vom
jeweiligen Museum getragen wird, also nicht in Schadenskalkulationen
Eingang findet)

Block D) Vorsorge und Verbesserung
- Ursachenanalyse
- Planungskosten
- allgemeiner Hochwasserschutz
- Verbesserung der Evakuierungsmöglichkeiten
- Umbauten, insbesondere Verlegung von Magazinen und sensibler
Haustechnik in höhere Etagen
- Neu- und Umbaukosten für sichere Magazine

Das Deutsche-Hygienemuseum Dresden hat bisher am genauesten kalkuliert
und mag deshalb als Beipiel dienen:
Block A: 180.000 EUR (vom Museum selbst zu tragen)
Block B: 800.000 EUR (dafür Soforthilfe des Bundes von 200.000 EUR)
Block C: 0 EUR
Block D: 1.300.000 EUR (grobe Schätzung)

Die reinen Wiederherstellungskosten machen bei diesem Museum also nur 35%
der Gesamtkosten aus.


Mit freundlichen Grüßen

Thomas Schuler
Sächsischer Museumsbund
(Koordination Fluthilfe)

--
H-MUSEUM
H-Net Network for Museum Professionals
E -Mail: h-museum _at__ h-net.msu.edu
WWW: http://www.h-museum.net


--- End Message ---

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