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Graf ./. Beger



Liebe Liste,
lieber Herr Graf!

Nachdem ich einige Wochen in Urlaub war, durfte ich mich durch
einen Berg von Mails kämpfen und was finde ich zu meinem
allergrößten Erstaunen darunter: ein Herr Graf greift Frau Dr. Beger
mit ziemlich massiven Worten an. Ich lese da solche Ausdrücke
wie "Geheimdiplomatie", "Armutszeugnis" und "hinter
verschlossenen Türen".

Herr Graf möchte Kritik üben: Das ist wichtig und erwünscht! Er
nennt selbst auch einige Schwächen des deutschen
Bibliothekswesens, z.B. daß sich viel zuwenig Kolleginnen und
Kollegen mit Urheberrecht beschäftigen und sich noch weniger
Personen auf diesem Gebiet bibliothekspolitisch betätigen. Dieser
Mangel ist höchst bedauerlich, ja sogar fatal. Trotzdem ist die
Situation nicht so, daß auf dem Gebiet des Urheberrechts gar
nichts getan wird. Einige sehr engagierte Personen sind
unermüdlich für die deutschen Bibliotheken tätig, auch auf
europäischer Ebene. Deren Aktivitäten werden laufend
veröffentlicht, z.B. im Bibliotheksdienst, oder bei öffentlichen
Veranstaltungen vorgetragen und diskutiert. Als Vorsitzende der
EDBI-Rechtskommission organisiert und koordiniert Frau Dr. Beger
viele dieser Aktivitäten. Darüber hinaus arbeitet sie als Bindeglied
zur Politik und Gesetzgebung.

Genannter Herr Graf ist nun offensichtlich mit dem
Regierungsentwurf zur Novellierung des Urheberrechts inhaltlich
nicht einverstanden. Dies nimmt er zum Anlaß, Frau Dr. Beger
öffentlich anzupöbeln.

Lieber Herr Graf, ich sage es noch mal: Kritik ist wichtig und
erwünscht. Ihre Art der öffentlichen Meinungsäußerung schadet
aber der Sache, um die es Ihnen angeblich doch geht, weil Sie
Tatsachen behaupten, die erwiesenermaßen falsch sind. Frau
Dämpfert und Frau Schleihagen waren bereits so freundlich, die
faktischen Fehler von Herrn Graf richtig zu stellen. Der Ausdruck
"Geheimdiplomatie" ist nachweislich falsch. Es mag ja sein, daß
Herrn Graf die vielfältigen öffentlichen Aktivitäten von Frau Dr. Beger
nicht bekannt sind. Denn, lieber Herr Graf, warum habe ich Sie
noch niemals auf einer der Veranstaltungen gesehen? Warum liest
man in Bibliothekszeitschriften nichts von Ihnen? Warum
verstecken Sie sich? Deswegen aber Frau Dr. Beger zu beleidigen
(ja ja: § 186 StGB Behaupten einer nachweislich unwahren
Tatsache. Lesen Sie es ruhig nach!), hilft dem Bibliothekswesen
überhaupt nicht weiter. Im Gegenteil!

Vielleicht sollte man an dieser Stelle fragen, ob Herr Graf eigentlich
Jurist ist und über fundierte Kenntnisse im Urheberrecht verfügt?

Ich sehe die große Gefahr, daß Frau Dr. Beger reagiert wie jeder
von uns in einem solchen Fall reagieren möchte: Bei derart infamen
Unterstellungen, die ja nichts anderes sind als Beleidigungen,
einfach den Bettel hinzuwerfen. Ausgerechnet die einzige Person
im weiten Rund des Bibliothekswesens anzupöbeln, die überhaupt
etwas im Bereich Urheberrecht und Lobbyarbeit tut, zeugt meines
Erachtens von einem erheblichen Maß von Taktlosigkeit und
Realitätsverlust.

Dennoch möchte ich es Herrn Graf zugute halten, daß es ihm
letztendlich um die Sache geht: Verbraucherfreundliche
Regelungen im Urheberrechtsgesetz. Deshalb glaube ich auch
nicht, daß Herr Graf Frau Dr. Beger wirklich beleidigen wollte. Er
hat versucht, seine Kritik zu artikulieren und sich vielleicht dabei
mit zwei, drei Worten vergriffen. Das will ich ihm auch gar nicht
übel nehmen. Ich kann mir auch nicht vorstellen daß Herr Graf
vorhat, sich mit unseren Bibliotheksjuristen auf eine ernsthafte
Auseinandersetzung einzulassen.

Lieber Herr Graf, ich finde, Sie sollten sich hier an dieser Stelle
öffentlich bei Frau Dr. Beger entschuldigen und die betreffenden
Ausdrücke mit Bedauern zurücknehmen. Danach ist die hier
beteiligte Leserschaft gerne bereit, Ihre kritischen Bemerkungen
zum Stand des Urheberrechts auch weiterhin zur Kenntnis zu
nehmen.

Mit den besten Wünschen fürs Wochenende


Harald Müller


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.