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Re: Rechtsfrage
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
> ich habe ein rechtliches Problem, das eigentlich nach den Nachweisen im KVK
> auch andere Bibliotheken haben müssten.
> Am 8.7.2002 erhielt ich einen Brief von Herrn xxxxxxxxxxxxx. Herr xxxxxx
> hat beim Landgericht Köln ein Urteil erwirkt, dass der Teil A der
> Dissertation (xxxxxxxxxxxxxxx: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
> xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
> xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx) nicht von der
> Autorin, sondern von Herrn xxxxxx stammt. Das Urteil wurde vom
> Oberlandesgericht Köln und vom Bundesgerichtshof bestätigt.
> An die Schilderung des Tatbestandes schließt Herr xxxxxx die Aufforderung
> an, dass die besitzenden Bibliotheken den Teil A der Dissertation
> vernichten müssten. Er beruft sich hierbei auf Ziffer 3 des Urteils vom LG
> Köln, dass die Beklagten (Frau xxxxxxxxxxxx) die sich noch in ihrem Besitz
> befindlichen Vervielfältigungsstücke des Werkes vernichten müssten. Seiner
> Meinung nach ist auch das Verbreitungsrecht von diesem Urteil betroffen.
> Schließlich fordert er eine schriftliche Bestätigung der Vernichtung
> innerhalb eines Monats.
> Ist die Sachlage wirklich so eindeutig und müssen wir besagten Teil A
> vernichten?
Für die nicht mehr existierende EDBI-Rechtskommission bemerke
ich zu diesem Fall:
Immer wieder kommt es vor, daß eine Person ein Urteil erstreitet,
wonach eine andere Person durch die Publikation eines Buches
Rechte der ersten Person verletzen würde. Ob es sich dabei um
strafbare Tatbestände (Beleidigung usw.) oder - wie im aktuellen
Fall - um Verletzungen des Urheberrechts handelt, spielt keine
Rolle.
Wichtig ist nur ein einziger Aspekt: Diese Urteile können zunächst
nur Rechtswirkung zwischen den beteiligten Parteien entfalten,
also zwischen Kläger und Beklagten. Da eine Bibliothek nicht am
Prozeß beteiligt ist, geht sie das jeweilige Urteil zunächst auch
nichts an.
Soweit so gut. Nun wendet sich aber der Kläger, d.h. der in seinen
Rechten Verletzte, an Bibliotheken, die gemäß einer KVK-
Recherche das betreffende Buch in ihrem Bestand haben und
fordert sie auf, das Buch nicht mehr auszuleihen bzw. zu
vernichten.
Da ich hier nicht die gesamte Rechtslage darlegen kann, nur kurz
zur entscheidenden Frage: Auf welche Rechtsgrundlage könnte
sich der Verletzte stützen? Hier kommt § 98 Abs. 1 UrhG in Frage:
"(1) Der Verletzte kann verlangen, daß alle rechtswidrig
hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung
bestimmten Vervielfältigungsstücke, die im Besitz oder Eigentum
des Verletzers stehen, vernichtet werden.
(2) Statt der in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen kann der
Verletzte verlangen, daß ihm die Vervielfältigungsstücke, die im
Eigentum des Verletzers stehen, gegen eine angemessene
Vergütung überlassen werden, welche die Herstellungskosten nicht
übersteigen darf.
(3) Sind die Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gegenüber
dem Verletzer oder Eigentümer im Einzelfall unverhältnismäßig und
kann der durch die Rechtsverletzung verursachte Zustand der
Vervielfältigungsstücke auf andere Weise beseitigt werden, so hat
der Verletzte nur Anspruch auf die hierfür erforderlichen
Maßnahmen."
Da die Bibliothek nicht (!) Verletzer im Sinne dieser Vorschrift ist,
besteht gegen sie kein Anspruch auf Vernichtung. Sie hat ja die
rechtswidrige Herstellung des Buches nicht besorgt. Allerdings
könnte die Bibliothek Verletzer werden, wenn sie das betreffende
Buch "verbreitet". Nach einhelliger Ansicht findet ein "Verbreiten"
durch eine Bibliothek nur dann statt, wenn das Werk ausgeliehen
wird. Eine Präsenznutzung gilt nicht (!) als Verbreiten.
Ich empfehle deshalb: Das betroffene Buch sofort aus dem
Ausleihbestand herausnehmen. Es empfiehlt sich außerdem, das
Buch auch nicht direkt in den frei zugänglichen Präsenzbestand zu
stellen, sondern in einem (Gift-)Schrank wegzuschließen. Über
diese Maßnahmen sollte der Betroffene informiert werden. Dabei
darf der Hinweis nicht fehlen, daß die Bibliothek weder in der
Vergangenheit "Verletzer" im Sinne von § 98 UrhG war, noch in der
Zukunft das Buch "verbreiten" werde.
Für einen Anspruch gegen eine Bibliothek auf Vernichtung des
Buches sehe ich jedoch absolut keinen rechtlichen Anspruch.
Wenn der Kläger eine andere Meinung hat, soll er mal versuchen,
eine Bibliothek zu verklagen. Die Bibliotheksjuristen würden sich
sehr freuen, hier ein Urteil zu erlangen. Denn bislang existiert ein
derartiges Urteil gegen (!) eine Bibliothek noch nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Müller
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Max-Planck-Institut fuer Auslaendisches Oeffentliches Recht
und Voelkerrecht / Bibliothek
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