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Re: SpektakulXrer Bibliotheksneubau in Alexandria
- Date: Mon, 20 May 2002 10:50:03 +0200
- From: GIIN Rabat/Casablanca <rabatbib _at__ goethe.org.ma>
- Subject: Re: SpektakulXrer Bibliotheksneubau in Alexandria
Es ist nicht zu fassen! In den Medien wird enthusiastisch (und kritisch) von
der neuen Bibliothek in Alexandria berichtet (siehe auch SZ v.
30.April/1.Mai 2002) und die Kollegen meinen klaeren zu muessen, ob IFLA
beteiligt ist, wo die Haare in der Suppe sind ... (Danke, Herr Graf, fuer
Ihre e-mail, die eine andere Sprache spricht). Koennen die Bibliothekare
nicht einfach akzeptieren, dass hier was Schoenes enstanden ist und sich
den Worten des Kollegen Bernd von Egidy anschliessen, der seinen Artikel in
BuB2/2002 mit den Worten schliesst: "Immerhin handelt es sich bei der
Alexandria um das erste eigenständige ägyptische kulturelle Grossprojekt,
und als solches ist es ein Symbol nationaler Identität. Freuen wir uns
darüber, dass dazu wieder einmal eine Bibliothek ausersehen ist. Schon aus
diesem Grund sollte die westliche Bibliotheksgemeinschaft die Alexandrina
nach Kräften unterstützen." Herr von Egidy war uebrigens im Auftrag der GTZ
taetig.
Luise von Loew
Marcel Brannemann wrote:
> Liebe inetbibler & -innen,
>
> Staaten, Regierungen, internationale Organisationen schaffen gerne
> Monumentales: 'Obras Faraónicas' nennen Brasilianer Großprojekte wie
> z.B. den Itaipú-Staudamm. Wirtschaftsexperten bezweifeln seinen Nutzen
> für die brasilianische Energieversorgung, Ökologen weisen auf die
> entsprechenden Schäden in der betroffenen Region hin. Im Lande der
> Pharaonen gibt es ein nämliches Werk mit einer vergleichbaren Bilanz:
> den Assuan-Staudamm.
>
> Auch die Internationale der Bibliotheken hat ihre 'Obras Faraónicas'.
> Nachdem das Teheraner IFLA-Projekt 1989 der islamistischen Revolution
> des Ayatolla Chomeni zum Opfer gefallen war, suchte und fand die IFLA
> ein neues Objekt im Lande der Pharaonen: Die sagenumwobene Bibliothek
> von Alexandria soll wieder auferstehen...
>
> Im Feuilleton der F.A.Z. vom 16.5.2002 ist zum Stand der Dinge in
> Ägypten ein ausführlicher Artikel zu lesen:
>
> Das endlose Warten: Die neue und die alte Bibliothek von Alexandria
>
> Warten auf ein Weltwunder: Die neue Bibliothek von Alexandria harrt
> ihrer Eröffnung / Von Wolfgang Köhler
>
> In diesem Artikel schreibt W. Köhler: "Die Hoffnung aber, die neue
> Bibliothek werde einmal "alles Wissen einschließen, das der menschliche
> Geist jemals hervorgebracht hat, in jeder verfügbaren Form, aus
> verschiedenen Kulturen und in verschiedenen Sprachen", ist längst der
> Einsicht in die nicht zuletzt aus finanziellen Gründen beschränkten
> Möglichkeiten einer solche Institution in Ägypten gewichen. So schenkte
> die aufgeschobene Eröffnung den Verantwortlichen Zeit, ihre Ziele zu
> überdenken. Auch nach eineinhalb Jahrzehnten besteht über sie noch keine
> völlige Klarheit: Der hierarchischen Gesellschaft Ägyptens scheint der
> Erfolg schon durch den Einschluß internationaler Berühmtheiten
> gesichert. So sollen dem künftigen Patronatsrat der französische
> Staatspräsident und die Königin von Spanien angehören. Im Treuhänderrat,
> ebenfalls unter dem Vorsitz der Präsidentengattin Suzanne Mubarak, auf
> dessen "hervorragende Mitglieder aus aller Welt" Bibliotheksdirektor
> Ismail Saragaddin stolz verweist, sitzt wenigstens ein Fachkundiger:
> Hans-Peter Geh, pensionierter Leiter der Württembergischen
> Staatsbibliothek in Stuttgart."
>
> [...]
>
> "Vom Konzept der - nach antikem Vorbild - vornehmlich akademischen
> Stätte, zugänglich nur für ausgewiesene Wissenschaftler mit einem
> erklärten Forschungsprojekt, das der inzwischen pensionierte Leiter des
> Projekts, Muhsin Zahran, postuliert hatte, ist man abgerückt. Die
> Bibliothek soll möglichst viele Leser anlocken, obwohl deren Zahl nicht
> nur in Ägypten im Vergleich zu Benutzern elektronischer Medien sinkt.
> Suzanne Mubarak hat deshalb unter dem Motto "Lesen für alle" die
> Errichtung von Bibliotheken im Lande veranlaßt. Trotzdem wird das
> Bildungssystem des Landes von kundigen Ägyptern als Katastrophe
> beschrieben. Die dem Propheten Muhammad zugeschriebene Forderung,
> "Wissen zu suchen, selbst wenn es in China ist", scheint unter den
> Gläubigen dieser Tage, nicht nur in Ägypten, vergessen. Also eine
> glanzvolle neue Bibliothek inmitten einer kulturellen Wüste? Saragaddin
> widerspricht. Er wehrt auch Fragen nach der ägyptischen Zensur ab, der
> Bücher, Filme, Zeitungen, Theaterstücke und selbst Websites unterliegen.
> Er beharrt darauf, daß die Bibliothek eine Stätte freier
> Meinungsäußerung sein werde."
>
> Die Handlungen der IFLA-Verantwortlichen, besonders der deutschen
> Vertreter, sollten in Bezug auf dieses und möglicherweise weitere
> MonumentalProjekte von der Fachöffentlichkeit kritisch beobachtet
> werden.
>
> Für die Alexandrina bleibt die Hoffnung, dass der Kollege Saragaddin
> Recht behält, "die Bibliothek eine Stätte freier Meinungsäußerung sein
> werde".
>
> Marcel Brannemann
> --
> ___________________________AWI_________________________
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