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AACR am Bibliothekartag



(Mail geht an Inetbib und Rak-List)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die mit Spannung erwartete Veranstaltung des Standardisierungsausschusses
auf dem Bibliothekartag ist vorbei. Vor allem fuer diejenigen, die nicht
dabei sein konnten, hier eine Zusammenstellung interessanter Aspekte
(Auswahl und Wertung wie immer ganz subjektiv und die Mail wie immer viel
zu lang - dafuer die uebliche Entschuldigung):

1. Frau Goempel (DDB) dankte Herrn Eversberg explizit fuer die Organisation
der Online-Umfrage. Man habe die Kommentare mit Interesse gelesen; sie
wuerden auch in die Studie einfliessen. Bei einer objektiven und
ergebnisoffenen Untersuchung kann dann ja eigentlich nichts mehr
schiefgehen, oder?

2. Heftigen Widerspruch aus dem Publikum erntete das bekannte Argument, wir
koennten kuenftig angloamerikanische Titelsaetze einfacher uebernehmen.
Ganz im Gegenteil wuerde man nach einem Umstieg auf AACR nicht *mehr*,
sondern *weniger* uebernehmen koennen, da im Geiste des Regelwerks
Koerperschaften etc. durchgaengig deutsch angesetzen werden muessten!
Soviel zum Thema 'Internationalisierung' ;-)

3. Der Vortrag von Frau Balzardi (Schweizerische Landesbibliothek) machte
deutlich, dass die Ausgangslage in der Schweiz mit zahllosen
unterschiedlichen Katalogisierungspraktiken mit der Situation in der
RAK-Welt nicht zu vergleichen ist. Aber auch der jetzt erreichte Stand kann
fuer uns kein Vorbild sein: Eingefuehrt wurde eine spezielle Schweizer
Variante, die jedoch nicht ueberall gleich angewandt wird. Gegen die RAK
habe man sich uebrigens vor allem aus politischen Gruenden entschieden: Ein
*deutsches* Regelwerk haette die Deutschschweiz zu sehr bevorzugt.

4. Herr Eversberg betonte in seinem Vortrag (nachzuvollziehen unter
www.biblio.tu-bs.de/allegro/formate/gz-1.htm)
die Sicht des Katalognutzers: Diesem gehe es primaer um den lokal
vorhandenen oder ueber Fernleihe erreichbaren Bestand, erst an dritter
Stelle um den 'Rest der Welt'. Zusaetzliche Inkonsistenzen in den
bestehenden Katalogen muessten deshalb vermieden werden und die Kataloge
z.B. durch Anreicherung mit Inhaltsverzeichnissen etc. verbessert werden.
Grenzueberschreitende Katalogzugriffe sollten nicht ueber
Regelwerksaenderungen, sondern ueber maschinelle Umsetzungen realisiert
werden (Beispiel unter
http://www.biblio.tu-bs.de/allegro/formate/beisp4.htm).

5. Auch Barbara Tillett (LoC) beschaeftigte sich ausfuehrlich mit einer
solchen 'intelligenten' Methode zur Ueberwindung nationaler Huerden,
naemlich der geplanten "virtuellen internationalen Normdatei". Dieses
Projekt zeigt, dass internationale Zusammenarbeit auch ohne Gleichmacherei
auf der Regelwerksebene moeglich ist (und laengst praktiziert wird).

6. Sowohl Frau Goempel als auch Frau Tillett wiesen darauf hin, dass die
IFLA ab Sommer 2003 in einer Serie von Tagungen untersuchen wird, "wie wir
uns mit unseren Katalogisierungsregeln naeherkommen koennen". Wenn also nun
bald "ueber wirklich internationale Katalogisierungsregeln" diskutiert
wird, "die das Beste an bestehenden Regeln und Katalogprinzipien in sich
vereinigen" (Zitate aus der deutschen Fassung des Tillett-Vortrags) -
sollte man dann nicht zunaechst die Ergebnisse abwarten und erst danach
entscheiden, in welche Richtung die Reise gehen soll?

7. Herr Dugall als Vorsitzender des Standardisierungsausschusses betonte,
dass das Gremium die endgueltige Entscheidung ueber einen Umstieg auf AACR
mit einfacher Mehrheit treffen koenne. Eine Aenderung der Geschaeftsordnung
(z.B. Erfordernis einer hoeheren Mehrheit oder sogar Einstimmigkeit) fuer
einen einzelnen Fall sei nicht akzeptabel; in der Politik wuerden weit
bedeutendere Fragen (z.B. Zuwanderungsgesetz) mit hauchduenner Mehrheit
getroffen. Auch sei es in die Verantwortung der einzelnen Mitglieder
gestellt, ob sie sich zuvor mit den von ihnen vertretenen Bibliotheken ins
Benehmen setzten oder nicht.
Rein formal mag das ja alles korrekt sein. Dennoch bezweifle ich, dass man
mit einem solchen Verfahren die Zielsetzung des Ausschusses - "den Einsatz
einheitlicher Standards fuer die Erschliessung, Schnittstellen und Formate
in Bibliotheken sicher zu stellen" (nachzulesen unter
http://www.ddb.de/professionell/pdf/geschaeftsord.pdf) - verwirklichen
kann. Ein etwaiger Umstiegsbeschluss, der nicht von einer Mehrheit der
betroffenen Bibliotheken getragen wuerde, haette m.E. keine Chance auf eine
flaechendeckende und spartenuebergreifende Umsetzung. Statt Einheitlichkeit
bekaemen wir dann eine Spaltung in unserem Bibliothekswesen, die niemand
wuenschen kann.

Trotzdem eine angenehme Arbeitswoche wuenscht
Heidrun Wiesenmueller
(der die AACR-Veranstaltung im Uebrigen heftiges Kopfweh beschert hat...)

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Heidrun Wiesenmueller M.A.
Wuerttembergische Landesbibliothek  - Abt. Landesbibliographie
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